Die linke Hand des Teufels

  • List
  • Erschienen: Januar 2011
  • 3
  • Mailand: Mursia, 2006, Titel: 'La mano sinistra del diavolo', Seiten: 303, Originalsprache
  • Berlin: List, 2011, Seiten: 314, Übersetzt: Marie Rahn
Die linke Hand des Teufels
Die linke Hand des Teufels
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Andreas Kurth
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2011

Dunkle Schatten über der  Emilia Romagna

Enrico Radeschi ist Journalist mit Leib und Seele. Aus dem Provinznest Capo di Ponte - in der malerischen  Emilia Romagna gelegen – hat den Sprung in die Großstadt geschafft. In Mailand arbeitet er für den Corriere, saust mit seiner gelben Vespa zu Tatorten von Verbrechen, um wie ein Spürhund die Hintergründe aufzudecken. Als er mitten im Sommer in sein Heimatdorf zurückkehrt, um einige Wochen Urlaub zu machen und den Hund seiner Eltern zu hüten, ist in Capo di Ponte plötzlich die Hölle los. Ein trunkener Postbote findet in dem Briefkasten eines nur von einem im Dorf bekannten Sonderling besetzten Hauses eine abgetrennte Hand. Der Brief war an einen Deutschen adressiert, und am Folgetag wird der Besitzer des Gebäudes im Altersheim ermordet. Enricos Chefredakteur setzt ihn sofort auf die Geschichte an – Urlaub hin oder her. Radeschi nutzt seine alten Kontakte, gräbt in gewohnter Manier einiges aus, und ahnt schnell, dass er seinen Urlaub eigentlich vergessen kann, zumal nun auch noch in Mailand ein Mordfall seine Aufmerksamkeit erfordert. Was er nicht ahnt, ist die Reise in die dunkle Vergangenheit Italiens, die ihm bei der Lösung des Falles bevorsteht.

Paolo Roversi trägt seine Geschichte im Plauderton vor – wie man es vielleicht von einem geschwätzigen Norditaliener erwartet. Im ersten Teil seines unterhaltsamen Buches legt er dabei den Schwerpunkt auf ein köstliches Sittengemälde der provinziellen Verhältnisse in der Emilia Romagna und die Charakterisierung seiner Protagonisten. Der Autor präsentiert seinen Lesern eine Ansammlung von skurrilen und ungewöhnlichen Figuren.  Enrico Radeschi ist der Prototyp des genialen, aber stets schlampigen Journalisten. Er knattert auf einem alten Motorroller durch die Gegend, sein Handy-Akku ist stets leer, er hat aber ständig seinen Laptop und die Digitalkamera bei sich – im Internet ist kein Geheimnis vor ihm sicher. Er ist der Staatsmacht gegenüber im Grunde mehr als zurückhaltend, hat aber beste Kontakte bis in höchste Polizeikreise. Die Serie um diesen sympathischen Schreiberling und Schnüffler könnte durchaus Potenzial haben.

Geradezu parodistisch ist die Schilderung der professionellen Ermittler durch den Autor. Da werden so einige Klischees bedient, und vor allem die Freunde italienischer Krimis im deutschen Fernsehen dürften auf ihre Kosten kommen. In Mailand spielt Vicequestore Loris Sebastiani die zentrale Rolle, dem Radeschi einst das Leben rettete, seither sind die beiden Freunde. In Capo di Ponte ermitteln Maresciallo Boskovic und Brigadiere Rizzitano – zwei absolute Karikaturen des italienischen Provinz-Polizisten. Sie wissen mediterrane Lebensart zu schätzen, pflegen regionale Traditionen, haben aber auch das Handwerk der Polizei einigermaßen drauf. Angesichts des durchaus ernsten Hintergrundes der Geschichte sind die beiden ein wirklich angenehm amüsantes Element.

Radeschis Pendelei zwischen Mailand und der Provinz  gibt Paolo Roversi die Möglichkeit, mit geschickten Cliffhangern die Spannung beträchtlich anzuheizen. Was als Roman im Plauderton begonnen hat, wird schließlich ein mehr als ernst zu nehmender Kriminalroman, der den Leser wirklich fesselt. Der Autor baut mehrere Fälle geschickt in seine Geschichte ein, und man muss gut kombinieren, um die Zusammenhänge nicht aus dem Auge zu verlieren. Dabei wird aber auch immer wieder das Flair der Weltstadt Mailand und der Charme der Provinz ausreichend gewürdigt. Die Marotten der Ermittler – Boskovic hält sich ein zugelaufenes Gürteltier als Hausgenosse – sorgen für beste Unterhaltung. Absolut angenehm ist, dass Roversi dem Liebesleben seiner Figuren nur so viele Zeilen widmet, dass sie als gewissermaßen normale Zeitgenossen daher kommen.

Während die Mordserie in Mailand eher profane Hintergründe hat, geht es in der Provinz um viel mehr. Partisanen, Faschisten und Opportunisten  - die durchaus auch dunkle Vergangenheit Italiens und der Fanatismus einiger Italiener werden ausführlich geschildert. Man kennt diese Formen der späten Rache aus vielen Beispielen. Hier nimmt das Thema teilweise   gespenstische Formen an. Der Autor hat ausgezeichnet recherchiert, die historischen Fakten werden unaufdringlich und komprimiert eingebracht. Die Auflösung aller Rätsel im furiosen Finale ist hervorragend gelungen, die Geschichte hält mehr, als sie am Anfang versprochen hat. Ein handwerklich perfektes Buch, das auf jeden Fall Appetit auf mehr macht.

Die linke Hand des Teufels

Paolo Roversi, List

Die linke Hand des Teufels

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