Stunde null in Phnom Penh
- Unionsverlag
- Erschienen: Januar 2003
- 4
- Bangkok: White Lotus, 1994, Titel: 'Cut out', Originalsprache
- Zürich: Unionsverlag, 2003, Seiten: 320, Übersetzt: Peter Friedrich
- Zürich: Unionsverlag, 2011, Seiten: 319
Mehr als ein höllisch gut unterhaltender Krimi
"Vertrau nie einem Mann, der deine Frau besteigt, während du beim Kacken bist", ist eines von Vincent Calvinos Gesetzen, mit denen er versucht, seinen Alltag als Privatdetektiv in Bangkok zu meistern. Ein anderes lautet: "Im Kleinen ergibt alles einen Sinn, im Großen nichts."
Wie wenig Sinn Calvinos drittes Abenteuer macht, wird dem jüdisch-italienischen Ex-Anwalt schon im ersten Kapitel klar, als ihm der dubiose Vietnam-Veteran Patten 5000 Dollar anbietet, nur um einen gewissen Michael Hatch in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh aufzufinden und ihm einen Scheck zu überreichen. Wie groß die Sache, in die er dabei gerät, jedoch zu werden droht, ahnt Calvino nicht und schliddert so in ein mörderisches Intrigenspiel, in dem er nur eine ganz kleine Nummer ist, wo andere die Fäden ziehen und wo sogar sein Freund Colonel Pratt Geheimnisse vor ihm hat.
Wegen Waffenschmuggels nach Phnom Penh
Unverhofft kommt oft und so begleitet Pratt Calvino nach Phnom Penh, angeblich, um den Waffenschmuggel von Kambodscha nach Thailand zu unterbinden. Doch kaum in Phnom Penh angekommen, wird Calvino klar, dass ihm eine größere Rolle zukommt, als nur den Postboten zu spielen. Auch die thailändische Polizei hat ein Interesse am untergetauchten Michael Hatch, unterstützt werden die beiden Kumpel aus Bangkok dann noch von den internationalen UNTAC-Truppen und ohne die wäre die Schießerei in der ersten Nacht auf fremden Terrain weitaus unglimpflicher ausgegangen.
Je mehr Calvino erfährt, desto weniger versteht er. Und Pratt kann und will ihm nicht mehr sagen, als unbedingt nötig. Als Calvino die Zusammenhänge durchsteigt, steckt er schon mittendrin und kann Freund und Feind kaum noch unterschieden. Ausgerechnet der wichtigste Zeuge, der Klarheit in diese trübe Suppe aus Waffenschmuggel, illegalem Juwelenhandel, interstaatliche Streitigkeiten und Korruption bringen kann, ist weggesperrt: ins berüchtigte T-3-Gefängnis in Phnom Penh...
Moores politischstes, couragiertestes und vielleicht sogar wichtigstes Werk
Stunde null in Phnom Penh ist von den bisher drei auf deutsch erschienenen Calvino-Romanen Christopher G. Moores politischstes, couragiertestes und vielleicht sogar wichtigstes Werk. Dass er ein brillanter Erzähler und meisterhafter Figurenerfinder ist, hat er in Haus der Geister und Nana Plaza bereits gezeigt, in Stunde null in Phnom Penh erfüllt er die dadurch hochgesteckten Erwartungen mühelos. Noch liebevoller zeichnet er seine Charaktere wie den glücklosen Vietnam-Veteranen Patten oder den im Grunde gar nicht so schlechten, dennoch betrügerischen Juwelenhändler "Fat Stuart" L´Blanc. Noch fesselnder, packender und ergreifender ist der Plot, die düstere Schilderung von Phnom Penh, gegen die Bangkok wie ein bunter Ort der Lebenslust wirkt. Noch tiefgründiger schildert Moore die Beziehung des amerikanischen Privatdetektivs mit dem thailändischen Polizisten, die verschiedenen Denkweisen und die dadurch kontrastierenden Handlungen.
Überhaupt ist Moore mit Stunde null in Phnom Penh ein sehr emotionaler Roman gelungen. Die Freundschaft zwischen Calvino und Pratt wird auf eine harte Probe gestellt, fast väterlich kümmert sich der Detektiv um die vom Leben gezeichnete vietnamesische Prostituierte Thu und richtig verlieben darf er sich auch - wenngleich Moore den Ausgang der kleinen Romance mit Dr. Veronica Le Bon offenlässt.
Khun Vinee hat ein Ass im Ärmel
Doch Stunde null in Phnom Penh ist mehr als ein höllisch gut unterhaltender Krimi. Der Autor greift mit der Lage 1993 in Kambodscha ein brisantes wie brandaktuelles Thema auf - und er hat eine Message, die er an seine Leser weitergeben möchte. Dass er dabei - insbesondere im Kapitel vom T-3 Gefängnis - seine Figuren etwas viel philosophieren lässt und somit auch als Autor ins Politisieren gerät, will man ihm gerne verzeihen. Denn seine Schilderungen, in denen er auch den Vietnam-Krieg, die USA als Weltpolizist und die Rolle der ehemaligen Kolonialherren-Staaten wie Frankreich anschneidet, lassen sich auch formidabel auf die derzeitige weltpolitische Lage übertragen: SFOR und KFOR auf dem Balkan, ISAF in Afghanistan, Briten und US-Amerikaner im Irak.
Auch wenn am Schluss Calvino und Pratt dieses hochexplosive Land im Umbruch scheinbar wenig erfolgreich verlassen - der Schein trügt, denn "Khun Vinee" hat noch ein Ass im Ärmel. Und so ist eine Phrase, klingt sie auch noch so abgedroschen, im Sinne der Wörter kaum passender als bei diesem Buch: Ende gut, alles gut!
Christopher G. Moore, Unionsverlag
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