Krötenwanderung
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2009
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- München: Goldmann, 2009, Seiten: 287, Originalsprache
Zu viele Fässer verwirren den Brei
Bruno Kolb ist Kriminalkommissar in einem Provinznest am Rande des Schwarzwalds. Während er in seiner Literatur-Gruppe den Ergüssen anderer Hobby-Schreiber lauschen muss, findet in einer kleinen Garage eine so genannte Anwohner-Versammlung statt. Die Bürger sind aufgebracht, weil ihre Straße ausgebaut wird und sie zur Kasse gebeten werden. Der Bürgermeister hat zufälligerweise auch noch ein Grundstück dort gekauft und will es bebauen. Nun eilt der Bauamtsleiter zur Beschwichtigung der Protestierenden – und liegt anschließend erschlagen in einer schlammigen Baugrube. Kolb und seine Kollegen stoßen bei ihren Ermittlungen auf Egoismus, Vetternwirtschaft, Ignoranz und Korruption – ein echter Sumpf in der Provinz. Der Mörder ist allerdings noch nicht fertig, es gibt weitere Opfer.
Als "schnell, hart und filmreif" wird der Roman vom Verlag auf dem Buchumschlag beschrieben. Schnell stimmt auf jeden Fall, und stellenweise auch hart – aber filmreif? Mir scheint eher der Autor vom eigenen Anspruch getrieben gewesen zu sein. Und dabei hat er sich zuweilen selbst überholt. Die Sätze sind kurz, abgehackt, geradezu Stakkato-haft. Nun bin ich zwar auch kein Freund von ausschweifenden Phrasen oder langen Beschreibungen. Aber eine derart minimalistische Sprache und ein bemüht "kleingehackter" Satzbau stellen den Leser schon ziemlich hart auf die Probe. Bevor man dem Gedanken oder der Handlung gefolgt ist, geht es schon im Schnellfeuer-Stil weiter. Gegen kurze Sätze und schnelle Umblendungen ist nun wahrlich nichts einzuwenden, bei anderen Autoren schätze ich das durchaus. Aber es muss gekonnt und auch dosiert eingesetzt werden. Das sprachliche Galopprennen, das der Autor hier veranstaltet, vermag mich jedenfalls nicht zu begeistern.
Dabei ist die Geschichte durchaus spannend, und es werden viele gute Aspekte eingebracht – allerdings zu viele. Der Kommissar gehört einer literarischen Laiengruppe an, und stolpert dort in eine neue Liebschaft. Bevor man darüber nachdenken kann, ob man das als Leser interessant findet, geht es munter weiter, und von der sich entwickelnden Beziehung des Ermittlers ist künftig kaum noch etwas zu lesen. Dann treten in der Mordnacht ein paar Neo-Nazis auf, und später stellt sich heraus, dass der getötete Bauamtsleiter Kontakte in die rechtsradikale Szene hatte. Aber auch dieser Aspekt "verglüht" irgendwie, und wird nicht weiter verfolgt.
Dann geht es um die Vereinsamung alter Menschen in der Vorstadt, um die pädophilen Neigungen des Bauamtsleiters, um seine illegalen Geschäfte mit einer Firma in Tschechien, um die Korruption im Rathaus, um illegale Geschäfte und Machenschaften des Bürgermeisters. Alles durchaus interessant, aber wer zu viele Fässer aufmacht, verliert irgendwann den Überblick – und verwirrt seine Leser. Im Grunde hätte es ein guter Roman werden können, aber Rainer Würth hat es mit den thematischen Aspekten wirklich übertrieben. Da hätte nur die Konzentration auf einige Themen geholfen, oder der Autor hätte die Einzelheiten weiter ausführen müssen, um das Gerüst des Buches besser auszufüttern. Bislang habe ich noch nie dafür plädiert, dass ein Buch länger sein müsste, denn meistens ist das Gegenteil der Fall. Aber hier hätten 100 Seiten mehr die guten Ansätze zum Erfolg führen können. Insgesamt also ein doch nur durchschnittliches Buch, das aber durchaus Potenzial für mehr gehabt hätte.
Rainer Würth, Goldmann
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