Winterstarre

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2011
  • 9
  • Berlin: Ullstein, 2011, Seiten: 320, Originalsprache
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2011

Feldversuch in einem abgelegenen Tal

Vermittelt von einer eher undurchsichtigen Organisation namens IFAM steigen zwei Brüder in einem abgelegenen Hochtal in das Geschäft mit Leiharbeitern ein. Die jungen Marokkaner werden ihnen zugeteilt, in zwei kärglich eingerichteten Zimmern über dem Viehstall des Hiemer-Hofes untergebracht und fortan als billige Arbeitskräfte ins Tal gekarrt. Die Naivität der jungen Afrikaner wird nur von ihrem Fleiß getoppt, sie werden von den Firmen gerne engagiert. Das Grauen beginnt, als der erste Gastarbeiter Symptome einer hochansteckenden Virus-Erkrankung zeigt und trotz aller Bemühungen einer Krankenschwester aus dem Tal nach dem Transport ins Krankenhaus verstirbt. Die Krankheit macht schnell die Runde unter den Kollegen des Toten und im Tal, es gibt zahlreiche Tote. hohe Letalität auf, die nicht nur bei den Gastarbeitern grassiert, sondern auch unter den Bewohnern des abgeschiedenen Mägertals für deutliche Verluste sorgt. Durch einen spektakulären Leichenfund im Frühjahr – den Lesern bereits durch den Prolog bekannt - wird die Polizei auf das Ausmaß der Tragödie aufmerksam. Kommissar Brunner bindet Robert Walcher in die Ermittlungen ein und macht ihn zum Mitglied der SOKO Winterstarre. Beide ahnen nicht einmal im Ansatz, in was sie da hineingeraten sind.

Ein perfekter Protagonist

Joachim Rangnick zeigt auch in Winterstarre wieder, dass er ein brillanter Erzähler ist. Seine Geschichten sind eine gelungene Mischung aus Heimatkrimi, sozialkritischem Roman und Thriller. Die Liebe des Protagonisten Robert Walcher zu seiner kleinen Welt im Allgäu, mit Hühnern, Kater und Hund, lieben Menschen um ihn herum und der Ruhe seines Hofes steht scheinbar im Widerspruch zu seinen guten Beziehungen zu Medien und Informanten in der der "großen weiten Welt" außerhalb des Allgäus. Und der Autor schildert diesen Mikrokosmos immer wieder mit einem zwischen den Zeilen versteckten Augenzwinkern, was die Figur des Robert Walcher überaus sympathisch macht. Wobei ich zugeben muss, in dieser Hinsicht ohnehin parteiisch zu sein, denn Walcher ist mir als pfiffiger und ideenreich recherchierender Journalisten-Kollege selbstverständlich ohnehin von Beginn an als perfekter Protagonist erschienen.

Einmal mehr erschreckende Realitätsnähe

Joachim Rangnick hat sich für diesen Walcher-Krimi ein ebenso realitätsnahes wie brisantes Thema gesucht. Die Pharma- und Gesundheitsindustrie steht oft genug im Scheinwerferlicht der Medien, und die beschriebenen Machenschaften wirken zwar überzogen, aber wie nahe an der Wirklichkeit der Autor mit seinem lesenswerten und überaus spannenden Plot wirklich ist, kann man als Leser wohl kaum beurteilen. Die Gier nach immer höheren Gewinnspannen hat schon so manchen Manager zu ungesetzlichen Aktionen greifen lassen. Der Autor bleibt bei einigen Details zwar nur an der Oberfläche, aber das ist nach meiner Auffassung der höheren Spannung geschildert, denn andernfalls wäre die Gefahr der Weitschweifigkeit sehr groß gewesen. Auch so muss man als Leser schon ein großes Personaltableau und eine wahre Welle von Fakten verarbeiten. Es ist also angezeigt, aufmerksam und konzentriert zu lesen, sonst gehen schnell Zusammenhänge und gewisse Feinheiten verloren.

Eine gut recherchierte Geschichte

Die kriminellen und sonstigen Netzwerke in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft werden von Joachim Rangnick einmal mehr gut nachvollziehbar und sehr authentisch dargestellt. Die Motive der kriminellen Akteure sind dabei durchaus unterschiedlich, aber die Auswirkungen im Grunde stets gleich. Es wird an Recht und Gesetz vorbei gehandelt, und die Konsequenzen werden komplett ausgeblendet und ignoriert. Der Autor hat so einmal mehr eine gut recherchierte, mit plausiblen dichterischen Elementen angereicherte Geschichte zu Papier gebracht, die den Leser mit ihrem phasenweisen Plauderstil von Beginn an fesselt. Nach Bedarf bringt der Autor aber auch immer wieder Dynamik in die Handlung, die sich vor allem zum Finale hin reichlich zuspitzt. Ein wirklich lesenswertes Buch, das weit über den Rahmen eines Regional-Krimis hinausgeht.

Winterstarre

Joachim Rangnick, Ullstein

Winterstarre

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