Revenge - Eiskalte Täuschung (Ein Fall für Special Agent Pendergast 11)
- Droemer Knaur
- Erschienen: Januar 2011
- 5
- München: Droemer Knaur, 2011, Seiten: 475, Übersetzt: Michael Benthack
Deutscher Untertitel als Warnung an den Leser
Nachdem Aloysius Pendergast, Spezialagent des FBI, feststellen musste, dass Gattin Helen bei einem Afrika-Urlaub vor Jahren nicht zufällig von einem Löwen gefressen wurde, hat er die übliche Selbstkontrolle verloren. Unter Ausnutzung seines persönlichen Reichtums sowie unter Missbrauch diverser Dienstbefugnisse hat er einen privaten Rachefeldzug gegen Helens Mörder begonnen (s. Fever – Schatten der Vergangenheit).
Eine mysteriöse Macht – der "Bund" – steckt hinter dem Anschlag, der gleichzeitig offenbart, dass Pendergast Helen, die dem "Bund" eng verbunden war, nicht wirklich kannte. Über ihre Familie und ihre Vergangenheit hat sie selten gesprochen. Deshalb wird Pendergast überrascht, als er ausgerechnet Judson Esterhazy, Helens Bruder, ins Vertrauen zieht, denn dieser war an dem Mordkomplott beteiligt.
Um eine Entlarvung zu verhindern, lockt er den hartnäckig ermittelnden Schwager in eine Falle. Als dieser dem Tode geweiht scheint, informiert ihn Esterhazy, dass Helen noch lebt. Pendergast entkommt schwer verletzt. Esterhazy weiß, dass er sich einen unerbittlichen Todfeind gemacht hat, und wendet sich hilfesuchend an den "Bund". Der geheimnisvolle Senor Fischer schickt seinen Ausputzer Falkoner los, der sämtliche losen Fäden kappen soll, die auf den "Bund" hinweisen.
Falkoner nimmt sich Esterhazys an. Um Pendergast eine neue Falle zu stellen, entführen das Duo dessen Mündel Constance. Sie wird an Bord der Yacht "Vergeltung" geschafft. Dort wartet eine bitterböse Schar schwer bewaffneter Männer auf den FBI-Agenten. Allerdings unterschätzt vor allem der arrogante Falkoner Pendergast, der zudem auf die Unterstützung einiger exzentrischer aber sehr talentierter Freunde zurückgreifen kann, wodurch er den Spieß mit spektakulärer Wirkung umzudrehen vermag …
"Einer war genug / zwei werden noch kommen …"
Ring frei zur zweiten Runde eines Kampfes, bei dem die Kombattanten sich lange vor allem umtänzeln und nur selten einen Treffer landen: Mit Fever – Schatten der Vergangenheit startete das Autorengespann Preston/Child 2010 die zweite Trilogie innerhalb ihrer Reihe um einen ganz besonderen FBI-Agenten namens Pendergast.
2004 bis 2006 hatten sie mit der "Diogenes"-Dreiteiler erstmals eine Sub- oder Mini-Serie lanciert und waren damit sehr erfolgreich gefahren. Zur Zufriedenheit der Leserschaft kam die erfreuliche Erkenntnis, dass sich eine Trilogie sehr viel einfacher umsetzen lässt als ein Einzel-Abenteuer, weil das dafür entworfene Konzept gleich drei Geschichten ermöglicht.
"… gieß´ Wasser zur Suppe, heiß´ alle willkommen!"
Diese Erkenntnis war willkommen, denn Preston/Child haben sich längst zu einer Zwei-Mann-Bestseller-Fabrik entwickelt. Regelmäßig legen sie jährlich einen neuen "Pendergast"-Thriller vor und schreiben "nebenher" fleißig Solo-Romane. 2011 starteten sie eine neue Serie um die unkonventionelle "Gideon Crew". Sie versprechen aber fest, Pendergast deshalb nicht zu vernachlässigen.
Selbstverständlich bleibt solcher Aktionismus nicht ohne Folgen. Schon die Qualitätskurve der Pendergast-Reihe zeigte in den vergangenen Jahren eher nach unten. Preston/Child entwickelten quasi ein homöopathisches Rezept für den inhaltlich verdünnten Fortsetzungs-Bestseller, der unterhaltsam sein muss und minderwertig sein darf. Was wie ein Widerspruch klingt, erklärt sich, wenn man einen der neueren Bände liest. Revenge reiht sich da deprimierend perfekt ein.
Ein Geheimnis geklärt, zwei neue aufgeworfen
Als typischer Preston/Child-Thriller bietet Revenge eine Kette aufregender Episoden, die eher schlecht als recht durch eine künstlich nebulös gehaltene Hintergrundstory zusammengehalten wird. Wieder dreht sich die Handlung um ein Pendergast-Familienmitglied, und auch sonst schimmert der Copy-&-Paste-Faktor des Geschehens deutlich durch.
Die Autoren suggerieren tolle Enthüllungen, halten sich diesbezüglich jedoch zurück; erste Kätzchen, die aus dem Plot-Sack gelassen werden, deuten Ungutes an. Ausgerechnet die Nazis werden erneut aus der Mottenkiste geholt. Nicht Hitler als Cyborg treibt sein Unwesen, sondern eine Art Dr.-Mengele-Klon. Dem ist gelungen, was die echten Nazis nach 1945 nie geschafft haben: Er hat einen "Bund" gegründet, der nicht nur unerhört reich, mächtig und gefährlich ist, sondern auch geheim gehalten werden konnte. Selbstverständlich gibt es eine Art "Anti-Bund", der den braunen Schurken Paroli bietet. Dass zu deren Prominenz ausgerechnet Helen Pendergast gehört, ist der Trivialität der Story geschuldet und geht im Gegensatz zu anderen, wesentlich gewichtigeren Ungereimtheiten in Ordnung.
Störend ist u. a. die Manie, ereignisreiche Episoden nicht nur simpel hintereinander zu flanschen, sondern sie dabei in die Breite zu treten. Wenn Pendergast in ein Sumpfloch fällt, weiten Preston/Child dies zu einem hundertseitigen Drama aus, dessen minuziös geschilderten Details der Geschichte weder helfen noch interessant geraten sind. Ähnlich ärgerlich auf das Schinden beschriebener Seiten getrimmt sind jene Kapitel, in denen das Autorenpaar längst abgehandelte Ereignisstränge wieder aufgreift. In "Revenge" führen sie einen Reporter ein, der Pendergasts Spur durch jene Sümpfe Louisianas folgt, die wir in Fever kennengelernt haben. Dabei findet er rein gar nichts Relevantes heraus und wird zu allem Überfluss urplötzlich aus dem Geschehen genommen – ein Lückenbüßer mit überflüssigen Erlebnissen.
Sie sind halt auch noch da
Auch viele jener Preston/Child-Romane, die nicht zur "Pendergast"-Serie gehören, teilen Schauplätze und Figuren. Es entsteht ein gemeinsames Handlungs-Universum, was die Leser enger binden soll. Da unser Autorenduo fleißig ist, wurde ihr Figurenpersonal recht kopfstark. Leser-Lieblinge haben sich herauskristallisiert, die gefälligst so oft wie möglich auftreten sollen.
Lieutenant Vincent D'Agosta von der Polizei New York gehört zu ihnen. Nachdem er in Fever fast einem Gewehrschuss zum Opfer fiel, ist er jetzt wieder fit. Doch faktisch finden Preston/Child keinerlei Handlungsberechtigung für ihn. Revenge käme problemlos ohne ihn aus. D’Agostas Präsenz beschränkt sich darauf, dem zeitweise untergetauchten Pendergast hinterher zu forschen, ohne dass dies die Ereignisse irgendwie beeinflussen würde. Einmal mehr produzieren Preston/Child vor allem bedrucktes Papier. Weitere Cameos sind noch sinnloser; für Laura Haywards Auftritt beispielsweise sparen sich die Autoren die Mühe, wenigstens einen Vorwand zu formulieren.
Es killt ein Bi-Ba-Butzemann …
Selbst wenn wir die unerquickliche Mutation des bisher eher raffinierten Agenten Pendergast zur unüberwindlichen Kampf- und Kill-Maschine unbeachtet lassen – auch ein Nah-Durchschuss der Brust per Jagdgewehr ist für ihn in seinem Zorn nur eine Fleischwunde –, belegt die Figurenzeichnung, dass Preston/Child-Thriller im Tümpel der Trivial-Unterhaltung endgültig den Grund erreicht haben. Die Bösewichte sind in der Tat Wichte. Da haben wir den Psychopathen Falkoner, die folterlustige Gerta, den prügelfreudigen Eberstark und eine Vielzahl tumb-teutonischer Klischee-Schlagetots, die Pendergast mechanisch niedermäht.
Irgendwie ins Geschehen gemogelt wird die alterslose Constance, die sich in ihrer Eindimensionalität zum Ärgernis entwickelt hat. Wieder findet sie einen Dummkopf – hier Dr. Ostrom –, den sie mit ihren ewiggleichen, dem Leser längst bekannten Andeutungen über ihre Herkunft beeindrucken kann. Als Preston/Child keine Verwendung mehr für sie haben, lagern sie Constance im Mount-Mercy-Sanatorium bis zum nächsten Einsatz zwischen.
Das kann ewig so weitergehen
Wenn der Leser dieses Buch zuklappt, hat er insgesamt 1000 Seiten eine Geschichte verfolgt, die Abwechslungsreichtum primär durch sprunghaften Schauplatzwechsel am Ende jedes Kapitels vorgibt. Was nützt indes eine globales Drama, wenn an jedem Ort der eifrig bereisten Welt Leerlauf herrscht?
Die lesende Mehrheit mag dies anders sehen. Preston/Child haben ihre Masche sehr schlau konstruiert. Ein Minimum an Handlung bei einem Maximum an Action, eingebettet in ein Umfeld, das wissenschaftlich recherchiert wirkt aber faktisch auf "Galileo"-Niveau verharrt, bietet Mainstream-Unterhaltung ohne störende Ecken und Kanten. Man kann Bücher wie Revenge problemfrei im Halbschlaf lesen und sogar ganze Kapitel überspringen, ohne den Handlungsfaden zu verlieren; zumindest der kritische Leser fragt sich allerdings nach dem Sinn solcher Auto.exe-Lektüre. Bis sich Preston/Child mit der Massenfertigung ihrer Bestseller endgültig verzetteln, werden sie auf diese Weise eine Weile weitermachen können.
Douglas Preston & Lincoln Child, Droemer Knaur
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