Karwoche
- Droemer Knaur
- Erschienen: Januar 2011
- 9
- München: Droemer Knaur, 2011, Seiten: 450, Originalsprache
Es gibt sie noch, die ach so ehrbaren Spießbürger
Polizeiobermeister Kreuthner ist zwar ein bayrischer Beamter, aber auch ein Hallodri wie er im Buche steht. Und so liefert er sich mit seinem Spezi Kilian Raubert ein Rennen auf dem Achenpass – illegal natürlich. Es kommt fast zu einem Zusammenstoß, da ihm sein Vorgesetzter Kommissar Wallner, eigentlich auf dem Weg in den Urlaub, entgegenkommt. Um eine seiner zahlreichen Verfehlungen zu tarnen, inszeniert Kreuthner eine Verkehrskontrolle bei dem sich hartnäckig weigernden Raubert – und die Polizisten finden die Leiche der jungen Hannah Lohwerk in dem Transporter des Spediteurs. Wallner bleibt für seine Zeugenaussage zunächst in Miesbach, und kann es natürlich nicht lassen, sich trotz des Urlaubs in die Ermittlungen einzuschalten. Die Nachforschungen führen die Polizei zu der illustren Familie Millruth. Bei den Schauspielern und ihrem Clan gab es erst wenige Monate zuvor einen tragischen Todesfall in der Familie, der durch ein schnelles Geständnis scheinbar aufgeklärt wurde. Die findigen Ermittler entdecken schnell einige Ungereimtheiten und finden im Dunstkreis der spießigen Familie weitere Merkwürdigkeiten und Geheimnisse. Die Dimension des Falles ist weitaus größer, als Kreuthner und Wallner zunächst geahnt haben.
Karwoche ist bereits Andreas Föhrs dritter Roman mit den bayrischen Miesbacher Polizisten Wallner und Kreuthner, und gegenüber dem Vorgängerband Schafkopf hat sich der Autor nochmals gesteigert. Föhr zeigt von Beginn an, dass er ein wirklich guten Geschichtenerzähler ist. Das Buch beginnt mit einer scheinbar harmlosen Gaudi, um dann dem Leser den abrupten Sprung in eine ernsthafte Mord-Ermittlung zuzumuten. Der Prolog hat bereits angedeutet, dass es in dem Roman auch und vor allem um die dunklen Geheimnisse aus der Vergangenheit der Schauspieler-Familie Millruth geht. Die folgenden Zeitsprünge sind für den Leser nicht gerade leicht nachzuvollziehen, weil Angaben zum Datum fehlen und so ansatzlos der Ort und die Zeit gewechselt werden. Aber man gewöhnt sich daran – nicht zuletzt wegen der vom Autor bekannten unterhaltsamen Wechsel zwischen Ermittlungsarbeit und den Slapstick-haften Einlagen von Kreuthner. Einfach köstlich, und dennoch wird der Kriminalroman nicht zur Komödie, weil es Andreas Föhr immer wieder versteht, rechtzeitig den Bogen zu bekommen und die Gaudi nicht zu übertreiben.
Die Schauspieler-Familie Millruth ist eine ebenso geheimnisvolle wie gelungen dargestellte Gruppe von Egoisten und Snobs. Die Truppe pflegt einen mondänen Lebensstil, gibt sich mehr als versnobt – und steckt doch voll psychischer Probleme. Der Matriarchin und ihrem teilweise devoten Anhang geht die so genannte Familienehre über alles. Es mutet schon seltsam an, dass es derart antiquierte Vorstellungen in bürgerlichen Kreisen tatsächlich noch geben soll. Ich fürchte nur, hier ist ein Autor mal wieder dichter an der Realität, als man glauben möchte. Zuweilen hat man auch den Einruck, dass Föhr die Personen mit dem Blick auf bestimmte Schauspieler konzipiert hat, offenbar bricht da immer wieder die Vergangenheit als Drehbuchautor durch. Das stört jedoch keinesfalls, vielmehr sind die Charaktere so ausgeprägt, dass man sich die Personen überaus plastisch vorstellen kann.
Es scheint relativ schnell festzustehen, wer überhaupt als Mörder für die Tat am Weihnachtsfest in Frage kommt. Zumindest lässt sich die Personengruppe gut eingrenzen, aber darunter leidet die enorme Spannung keineswegs, denn der zweite Mord und das Motiv für die beiden Taten geben mehr als genug Rätsel auf. Der Autor versteht es immer wieder, durch scheibchenweise eingestreute neue Fakten und Spuren für Verwirrung zu sorgen. Dazu gehören auch seine wiederholten Rückblicke auf den Zeitraum vor dem im Prolog geschilderten Mord. So wird die Entwicklung für den Leser immer deutlicher, und die dunklen Geheimnisse und Eigenheiten der seltsamen Familie Millruth und ihres Umfeldes kommen nach und nach ans Licht.
Andreas Föhr ist ein ausgezeichneter Roman gelungen, der mit seinem gut durchdachten Plot beste Unterhaltung bietet. Die, wie in den ersten beiden Romanen, immer wieder eingeflochtene Nebenhandlung um Wallners Großvater, und die dramatischen Momente, die der Kommissar mit seiner neuen Freundin durchlebt, runden das Lesevergnügen gekonnt ab. Und dann führt die Lösung des Falles am Ende den Leser auch noch komplett in die Irre – da freut man sich wirklich schon auf die nächste Geschichte aus Miesbach.
Andreas Föhr, Droemer Knaur
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