Faule Kredite
- Diogenes
- Erschienen: Januar 2011
- 7
- Ein Fall für Kostas Charitos 6
- Athen: Gabrielides, 2010, Titel: 'Ληξιπρόθεσμα Δάνεια', Seiten: 432, Originalsprache
- Zürich: Diogenes, 2011, Seiten: 400, Übersetzt: Michaela Prinzinger
Kopflos in die Staatskrise
Was haben wir seit dem Frühjahr 2010 viel über Griechenland gehört. Der Staat ist massiv verschuldet und am Rande einer Zahlungsunfähigkeit. Die "Partnerländer" aus der Europäischen Währungs-Union machen seither ihre Hilfe für den klammen Staatssäckel von brutalen Einschnitten in die öffentlichen Finanzen abhängig. Und letztlich kommen die Leistungs- und Lohnkürzungen ungebremst in den privaten griechischen Haushalten an, wo Unmut, Resignation und Perspektivlosigkeit sich breit machen. Aber wo ist das ganze Geld geblieben, das seit der Einführung des Euros nach Griechenland geflossen ist? Der Verdacht, dass sich eine elitäre Oberschicht aus der Finanzwelt auf Kosten anderer bereichert hat, keimt auf. Eigentlich gute Voraussetzungen für einen Krimi & oder?
Petros Markaris ist in Deutschland inzwischen ein alter Bekannter, seine Romane verkaufen sich in der deutschen Übersetzung dem Vernehmen nach gut. Darum wäre es interessant zu sehen, wie der Autor die Stimmung im griechischen Volke aufnimmt. Denn in der Presse darf man seit längerem lesen, dass sich der Zorn Griechenlands gerade gegen Deutschland richte, dass man als Sündenbock für die harten Sparmaßnahmen ausgemacht hat. Erlebt der deutsche Leser ein Gewitter der Empörung über die unsozialen Kürzungen?
Was gibt es neues?
Der Roman spielt im Sommer 2010 und beginnt mit einer Hochzeit. Charitos Tochter heiratet, doch es herrscht eher Katerstimmung als Freudentaumel. Gastgeber und Gäste blicken in eine ungewisse Zukunft, ab morgen gibt es wieder Selters statt Sekt. Charitos wird in nüchterner Stimmung am nächsten Vormittag zu einem Tatort gerufen. Die Enthauptung eines ehemaligen Bankenchefs im parkähnlichen Garten seiner bescheidenen Villa droht ein brisanter Fall zu sein. Volksseele kocht und protestiert gegen die Mächtigen der Finanzwelt, da könnte ein solcher Mord unerwartete Sympathien erwecken. In den Reihen der Athener Polizei erwacht ein Kompetenzgerangel, da sich die Anti-Terror-Einheit urplötzlich zuständig wähnt.
Und wenn man auf der Suche nach Neuerungen ist, dann sind da drei Sachen: Griechenland ist aus seinem Dornröschenschlaf der Behäbigkeit erwacht, der Kommisar fährt ein neues Auto und Charitos ist auf einmal richtig gut Freund mit seinem Vorgesetzten, macht mit dessen Rückendeckung weiter in dem Fall. Was natürlich auch richtig ist, denn die Mutmaßung eines terroristischen Aktes entbehrt jeder Grundlage. Obwohl die Terrorermittler Unterstützung aus London erhalten und Polizeipräsident und Innenminister die Strippen ziehen, fabrizieren sie nicht mehr als einen Schnellschuss. Unterdessen ergründet der Mordermittler Charitos (haben die nichts zu tun bei der Mordkommission) wer hinter einem Flugblattaufruf zum Boykott der Banken steckt. Die Verbindung zum Mordfall ist natürlich offensichtlich & äh, nein, ist sie eigentlich nicht. Aber passt im Nachhinein vielleicht doch ganz gut in die Story &
Was ist altbewährt?
Es sterben noch mehr. Ein Niederlassungsleiter einer englischen Bank in Athen, ein Mitarbeiter einer Ratingagentur, ein Besitzer eines Inkassobüros. Und die Flugblattaktion wird durch eine heimtückische Aufkleberaktion noch überboten. Da das ganze als gesellschaftskritischer, politischer Thriller nicht so recht funktionieren will, stellt sich die Frage, was an bekannten Elementen die Laune des Lesers steigern kann. Charitos, klar, der ist ganz der Alte, phlegmatisch, distanziert, nimmt das Leben wie es kommt. Selbst konfrontiert mit wütenden Protesten seiner Kollegen scheint ihn nichts aus der Ruhe zu bringen. Arbeitet er halt 5 Jahre länger bis zur Rente. Bekommt er halt ein paar hundert Euro weniger Lohn im Monat. Charitos, wie man ihn kennt, aber irgendwie bewegt er sich wie ein Fremdkörper durch dieses neue Griechenland.
Altbewährt sind natürlich auch das Wörterbuch, in dem der Kommissar in seiner Freizeit liest, oder das immer wieder bemühte Verkehrschaos in den Straßen Athens. Hier erschafft Markaris die ihm ganz eigene Kuschelecke, hier sind die Konstanten. Aber wie er mit der Wut der Griechen auf den Straßen umgehen muss, da ist er sich wohl noch nicht ganz im Klaren drüber. So bleibt es bei immer wiederkehrenden Schlaglichtern, die Begegnung mit protestierenden Beamten oder Rentnern, und deren Ansichten kennt man eigentlich schon zugenüge auch aus der hiesigen Presse.
Faule Kredite soll laut Markaris den Auftakt einer "Trilogie der Krise" darstellen. Hoffen wir, dass er damit nicht eine Krise seines schriftstellerischen Schaffens meint. Klar ist, dass Markaris nicht gerade ein Meister des Polit- oder gar Wirtschafts-Thrillers ist und wohl auch nie sein wird. Dass die durchaus mögliche Gesellschaftskritik aber in ein bloßen Beobachtung von Standpunkten und ohne jede Wertung versandet, ist enttäuschend. Offenbar fehlt ihm wie er selbst anmerken musste die räumliche und zeitliche Distanz zu den Ereignissen. Aber auch wenn man das außer Acht lässt, kann die Kriminalgeschichte nicht so richtig überzeugen. Die politisch brisante Situation, die der Autor immer wieder anführt, hätte vielleicht einen anderen Ermittler gebraucht, dynamischer, energischer, und nicht auf ewig in sich ruhend wie der gute alte Charitos. Hoffentlich findet der Autor in Teil 2 und 3 der geplanten Trilogie wieder Stoff, der besser zu seinem Helden passt.
Petros Markaris, Diogenes
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