Dunkler Wahn

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2011
  • 7
  • München: Heyne, 2011, Seiten: 432, Originalsprache
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Andreas Kurth
92°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2011

Wenn der tödliche Wahnsinn eine Maske trägt

In seiner Heimatstadt Fahlenberg ist Psychiater Jan Forstner mittlerweile durchaus prominent – nachdem er den Skandal in der örtlichen Klinik aufgedeckt hat, verarbeitete seine Freundin die Ereignisse in einem Buch. Er ist deshalb an den Promi-Status wider Willen gewohnt, und wundert sich zunächst nur wenig, als er Blumen und Briefe von einer unbekannten Verehrerin bekommt. Dann bittet ihn allerdings ein Lokal-Journalist um Hilfe - und vor dem vereinbarten Treffen wird der Mann brutal ermordet. Zeugen wollen den Streit des Mordopfers mit einer unbekannten Frau bemerkt haben. Als er seinerseits eindeutige Anrufe einer Frau bekommt, die sich Jana nennt, muss Forstner zu seinem Entsetzen erkennen, dass die wahnsinnige Killerin ihn ebenfalls im Visier hat. Zur Polizei kann und will der Psychiater derzeit nicht gehen, zu vage sind für ihn die Verdachtsmomente. Hilfreiche Hinweise kommen vom örtlichen Pfarrer, dem sich die verwirrte junge Frau offenbar im Schutze des Beichtgeheimnisses anvertraut hat. Jan sammelt weitere Beweise, bis ihm die Mörderin schließlich gefährlich nahe kommt und auch Menschen aus seinem unmittelbaren Umfeld in Gefahr geraten. Erst im dramatischen Finale wird das Rätsel um die Identität der Verrückten auf überraschende Weise gelöst.

Der dritte Psycho-Thriller aus der Feder von Wulf Dorn setzt die Geschichte um den zu lokaler Berühmtheit gelangten Psychiater Jan Forstner gekonnt fort. Auch in Dunkler Wahn zeigt der Autor von Beginn an, dass er ein hervorragender Geschichtenerzähler ist. Episodenhaft, in kleinen Schritten, wird der Leser in die dann immer düsterer werdende Handlung eingeführt. Harmlose Randhandlungen vermitteln zuweilen den trügerischen Eindruck von Normalität, aber schon bald wird dem Leser deutlich, dass es hier einmal mehr um die wirklich dunklen Tiefen der menschlichen Psyche geht.

Absolut beeindruckend ist für mich, wie glaubhaft geschildert wird, dass auch ein erfahrener Psychiater dem Phänomen einer Stalkerin, die in ihrer offenbar vorhandenen Parallelwelt gnadenlos für ihre Ziele mordet, relativ hilflos gegenüber steht. Die Angst, die Jan Forstner angesichts der Bedrohung durch die irre Killerin empfindet, wirkt authentisch und nachvollziehbar. Dorn entwickelt seinen Protagonisten in diesem neuen Roman konsequent weiter. Der schriftstellerische Kunstgriff, dass sich die Freundin des Psychiaters auf einer längeren Lesereise befindet, und er deshalb keinen Ansprechpartner für seine Vermutungen und Ängste hat, wird außerordentlich geschickt genutzt, um die Spannung und Dramatik der Geschichte kräftig anzuheizen. Forstner ist keineswegs der coole Typ, als der er von Kollegen und Öffentlichkeit gesehen wird. In sich gekehrt teilt er seine Gedanken nur mit dem Leser, und so wird die Entwicklung ständig immer dynamischer, man mag das Buch schließlich kaum noch aus der Hand legen.

Eine weitere, wirklich gelungene Figur ist der junge Pfarrer, dessen Gewissenskonflikt nach dem Beicht-Geständnis der Mörderin nachvollziehbar geschildert wird. Die Schlüssel-Rolle dieser Figur für den weiteren Verlauf der Handlung kann hier nicht ausführlich geschildert werden, aber auf jeden Fall hat Wulf Dorn einen beeindruckenden Protagonisten erschaffen, der dem Leser für einige zentrale Themen des Romans die Augen öffnet.

Es geht hier um die Beziehung zwischen Stiefeltern und ihren Kindern, um Überforderung eines Heranwachsenden, um Vertrauen, um die Projizierung eigener Ängste und Sehnsüchte auf andere Menschen. Und all das in einer wahnhaften Übersteigerung, die schließlich zu Mord und Totschlag führt. Ob es die spannend und authentisch geschilderten Krankheitsbilder tatsächlich gibt, oder ob der Autor hier von seiner dichterischen Freiheit freigiebig Gebrauch gemacht hat, ist für mich dabei sekundär. Der aufgebaute Spannungsbogen lässt dem Leser im Grunde keine Luft, um über den Realitätsgehalt des Geschilderten ernsthaft nachzudenken. Wulf Dorn hat vielmehr eine düstere Atmosphäre erschaffen, die beklemmend und beängstigend genug ist, um dem Leser kalte Schauer über den Rücken zu jagen. Diesen Psychothriller sollte man jedenfalls nicht lesen, wenn man allein zu Hause ist. Gespannt darf man sein, ob Jan Forstner weitere Episoden dieser Art erleben wird – das Potenzial für eine Fortsetzung hat die Figur allemal.

Dunkler Wahn

Wulf Dorn, Heyne

Dunkler Wahn

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