Der Tod geht um in Tomelilla

  • Rwohlt
  • Erschienen: Januar 2011
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  • Malmö: Damm, 2010, Titel: 'Mike Larssons rymliga hjärta', Seiten: 319, Originalsprache
  • Reinbek bei Hamburg: Rwohlt, 2011, Seiten: 448, Übersetzt: Antje Rieck-Blankenburg
Der Tod geht um in Tomelilla
Der Tod geht um in Tomelilla
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Andreas Kurth
94°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2011

Einmal der Schutzengel sein

Mike Larsson hat für kleinere Delikte mal wieder im Knast gesessen. Nach seiner Entlassung will er so schnell wie möglich in seinen Heimatort Tomelilla zurück kehren, um sich endlich um seinen Sohn Robin zu kümmern. Der musste zuletzt bei Pflegeeltern leben, weil seine Mutter schon lange verschwunden ist. Mike wohnt nach seiner Rückkehr bei seinem Jugendfreund Roland, liebevoll Rolle genannt. Das Jugendamt kümmert sich darum, dass Robin wieder zu seinem Vater darf. Der findet Arbeit auf einem Schrottplatz eine Empfehlung eines Knastkumpels. Zunächst sieht alles erfolgversprechend aus, aber schon bald rutscht Mike wieder in Probleme hinein. Und auch Robin hat so seine eigenen Sorgen, denn er hat sich mit einer Gang jugendlicher Neo-Nazis eingelassen und wird bei einer nächtlichen Aktion von einem umtriebigen Journalisten fotografiert und identifiziert. Als Mike dann auch noch herausfindet, dass in Rolles Keller eine Leiche in der Gefriertruhe liegt, wird ihm klar, dass mal wieder alles aus dem Ruder läuft.

Leider ist auch der Rowohlt-Verlag beim Übersetzen skandinavischer Buchtitel etwas großzügig. Im Original heißt der Roman Mike Larssons großes Herz - das trifft den Kern der Handlung deutlich genauer. Aber das war den Marketing-Strategen wohl nicht knackig genug für einen Kriminalroman. Dabei wäre dem Leser damit klar gewesen, dass es hier um eine Geschichte abseits des Mainstreams geht. Am ehesten könnte man die hervorragend erzählte und wirklich lesenswerte Geschichte als eine Art "Road-Movie" mit kriminalistischem Einschlag bezeichnen.

Es ist schnell zu spüren, dass dem Autor sein Protagonist ans Herz gewachsen ist. Mike Larsson ist ein typischer Loser, der aber das Herz auf dem rechten Fleck hat. Oder ein großes Herz wie es im Original heißt. Wie er durchaus unfreiwillig von einer Kalamität in die nächste stolpert, dabei seine durchaus ernst gemeinten guten Vorsätze mit Füßen tritt, ist außerordentlich unterhaltsam. Mike ist mit einer latenten Grundaggressivität ausgestattet, und seine Knast-Karriere hat da keineswegs heilsam gewirkt. Aber er hat immer noch den Traum vom gutbürgerlichen Leben in sich, und den will er mit aller Macht umsetzen. Irgendwie bringt der Autor seine Leser dazu, mit dem sympathischen Helden mitzufiebern. Die gefühlvollen Passagen jagen zuweilen Gänsehaut der speziellen Art über den Rücken.

Und Robin ist ein Sohn, der seinem Vater in so vielem ähnelt ohne es sich als 14-Jähriger selbst eingestehen zu können. Auch er stolpert von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen, sei es in der Schule oder mit seiner ersten Freundin. Im Verhältnis zu Mike ist Robin hin und her gerissen, und auch hier fühlt der Leser richtig mit. Die komplizierte Vater-Sohn-Beziehung wird einfühlsam, nachvollziehbar und hautnah geschildert.

Was auch für das Verhältnis zu Rolle gilt, Mikes ganz speziellen Jugendfreund. Der Tabletten-süchtige Sonderling spielt eine besondere Rolle im weiteren Verlauf der Geschichte, was ihn zu einer tragischen und dadurch eben auch liebenswerten Figur macht. Er hat in der gemeinsamen Kindheit ein überaus enges und unzerstörbares Verhältnis zu Mike entwickelt, und im furiosen Finale wird das spezielle Band zwischen den beiden Freunden nochmals enger geknüpft. Mike war immer Rolles Schutzengel, wenn dieser gemobbt wurde und das will er unbedingt zurückgeben.

Eine zunächst leicht zwielichtig wirkende Person ist Amela. Sie tritt wie zufällig in Mikes Leben, und sorgt für Probleme der besonderen Art. Amela stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien und hat bei der Erstürmung der Enklave Srebrenica durch die serbische Soldateska überaus traumatische Erfahrungen gemacht. Mit ihr und dem Schrotthändler Boris, ein überzeugter Serbe mit Tito-Büste vor der Tür, bringt Olle Lönnaeus ein weiteres Thema so ganz nebenbei in diesem Roman unter, das ebenfalls zu Nachdenklichkeit bei seinen Lesern führen dürfte.

Auch in seinem zweiten Roman zeigt der Autor, dass er hervorragend eine fesselnde Geschichte erzählen kann. Der eigenwillige Schreibstil, gewissermaßen im Plauderton, macht das Buch leicht lesbar. Dabei baut der Autor einen ganz eigentümlichen Spannungsbogen auf und schafft es spielend, dass man irgendwann das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte, weil man unbedingt erfahren will, wie es weitergeht und welche Lösung der Autor für die vielen losen Fäden bereit hält. Die vielen Themen die er anreißt, sind für sich jeweils einen Roman wert: Vater-Sohn-Konflikt, kriminelle Bürgerkriegsteilnehmer und ihre hilflosen Opfer, Underdog gegen Staatsmacht, der Traum von Unabhängigkeit und Freiheit. Olle Lönnaeus ist ein hervorragendes Buch gelungen, das man durchaus zweimal lesen sollte, um es ganz genießen zu können.

Der Tod geht um in Tomelilla

Olle Lönnaeus, Rwohlt

Der Tod geht um in Tomelilla

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