Zeit des Zorns
- Suhrkamp
- Erschienen: Januar 2011
- 12
- New York: Simon & Schuster, 2010, Titel: 'Savages', Seiten: 302, Originalsprache
- Berlin: Suhrkamp, 2011, Seiten: 300, Übersetzt: Conny Lösch
Rasantes Roadmovie
Ben, Chon und Ophelia verdienen mit dem Verkauf von erstklassigem Hydro-Gras an wohlhabende Kunden ihren Lebensunterhalt und stecken dick im Geschäft. So dick, dass das berüchtigte Baja-Kartell auf sie aufmerksam wird und den Dreien "vorschlägt", künftig für das Kartell zu arbeiten. Ben und Chon sind unterschiedlicher Auffassung, wie sie mit der unausgesprochenen Drohung umgehen sollen und einigen sich darauf, dem Kartell den sofortigen Rückzug aus dem Geschäft anzubieten. Doch der "Vorschlag" des Kartells war nicht dazu bestimmt, einen Gegenvorschlag zu unterbreiten. Wo käme man dahin, wenn dies künftig jeder machen würde?
Die drei Freunde beschließen, vorübergehend das Land zu verlassen und damit allem Ärger aus dem Weg zu gehen. Allerdings ist ihnen das Kartell bereits einen Schritt voraus, denn um den eigenen Wünschen den nötigen Nachdruck zu verleihen, wird kurzerhand Ophelia entführt und an einem geheimen Ort versteckt. Dort soll sie drei Jahre gefangen gehalten werden, bis ihre beiden Freunde ihre Schuld gegenüber dem Kartell beglichen haben. Gegen Zahlung eines Lösegeldes in Höhe von 20 Millionen Dollar würde man Ophelia aber umgehend freilassen. Da Ben und Chon so viel Bares nicht haben entwickeln sie einen tollkühnen Plan, der in einem Drogenkrieg zu enden droht …
Wenn sich zwei Männer gegen ein ganzes Drogenkartell auflehnen, so ist dies meist keine gute Idee. So auch nicht in dem neuen Roman Zeit des Zorns von Don Winslow, wie die beiden männlichen Protagonisten alsbald erfahren müssen. Der Plot ist im Stile eines Roadmovies geschrieben, wobei der Schreibstil des Autors womöglich den einen oder anderen Leser verstören dürfte. Kurze, zum Teil abgehackte Sätze, die wiederum teilweise in der nächsten Zeile (dann am Zeilenanfang mit Großbuchstaben – aber eben dennoch mitten im Satz!) fortgeführt werden. Zumindest war dies so in der vom Suhrkamp-Verlag vorgelegten "unkorrigierten Fassung", aber bei der Häufigkeit dieser vermeintlichen "Schreibfehler" muss es sich wohl um ein bewusst gewähltes Stilmittel des Autors handeln. Sei es drum, nach kurzer Zeit gewöhnt man sich daran. Ebenfalls beachtlich ist, dass Don Winslow es schafft, auf gerade einmal 338 Seiten beeindruckende 290 Kapitel unterzubringen. Wie das geht? Hier ein Beispiel:
Kapitel 66
Wenn man zulässt, dass einen die Leute für schwach halten, muss man sie früher oder später töten.
Kapitel 67
In diesem Punkt sind sich der patron des Baja-Kartells und Chon einig.
Nur dass der patron in Wirklichkeit eine matron ist.
Inhaltlich erhält man einen interessanten Einblick in die amerikanisch-mexikanische Drogenszene, in der sich Don Winslow ja bestens auskennt. Gelungen beschreibt er auch das Alltagsleben seiner Figuren, die sich mit dem tödlichen Stoff eine goldene Nase verdienen (um im Bild zu bleiben). Doch was tun, wenn einem die Millionen nur so zufliegen? Koksen, eine Linie ziehen und natürlich f… na ja, Sie wissen schon. Das böse F…-Wort kommt in zahlreichen Varianten geradezu inflationär vor und die teilweise expliziten Darstellungen nehmen einen nicht ganz unwesentlichen Anteil des Buchumfanges ein.
Das Duell zwischen Ben und Chon auf der einen und dem Kartell auf der anderen Seite ist durchaus unterhaltsam. Gekonnt versuchen die Beiden, der Drogenmafia ein Schnippchen zu schlagen, wobei man sich den Ausgang des ungleichen Duells vorzustellen vermag. Kann es im Drogenkrieg überhaupt einen Sieger geben? Die Polizei oder die DEA scheiden jedenfalls aus, denn sie spielen in dem Plot nahezu gar keine Rolle. Wer auf kurzweilige Unterhaltung in Form von drehbuchreifer Action steht, kann gerne zugreifen. Aber bitte unbedingt vor dem Kauf ein paar Seiten zur Probe lesen (siehe oben).
Don Winslow, Suhrkamp
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