Die Bankerin
- Droemer Knaur
- Erschienen: Januar 1998
- 20
- München: Droemer Knaur, 1998, Seiten: 552, Originalsprache
- München: Droemer Knaur, 1999, Seiten: 416, Originalsprache
Rache ist Blutwurst
Extremsituationen. Augenblicke, zu denen ein Mensch zu allem in der Lage ist. Auch zu Verbrechen. Oder wenigstens zu Aktionen, die er unter normalen Umständen niemals getan hätte. Schwer vorstellbar? Darum ist es auch eine Hürde für einen jeden Autor, bei einem sogenannten "Hard Boiled" zunächst einmal eine derartige Extremsituation seinen Lesern zu vermitteln.
David von Marquardt hat es ganz schwer erwischt. Einst erfolgreicher Unternehmer in der Software-Branche, dann durch einen Betrug seines Buchhalters von heute auf morgen hoch verschuldet. Die Firma ist weg, das schöne Haus und auch der Jaguar. Plötzlich lebt die Familie in einem schmuddeligen Appartement in der hässlichsten Hochhaussiedlung der Stadt. Doch damit nicht genug. David hat zwar einen Job, er arbeitet in der Poststelle eines ehemals erbitterten Konkurrenten, aber das Geld reicht hinten und vorne nicht, um seine Frau und die vier Kinder zu ernähren. Doch dann kommt der Tag, an dem sich eine Lösung für ihn offenbart.
Der Niedergang eines Unternehmers
Eine Bankerin bietet ihm an, für sexuelle Gefälligkeiten die monatlichen Raten für seinen Kredit zu übernehmen. David war seiner Frau in über 20 Ehejahren nie untreu, aber es ist für ihn der einzige Weg aus seiner Misere. Nur so kann er die Familie weiter ernähren. An und für sich kein schwerer Job, den er auch gut vor seiner Frau verbergen kann. Aber dann wird zunächst sein Buchhalter in einem Hotelzimmer brutal ermordet, kurz später er, David, und auch seine ganze Familie mit Anrufen und Briefen bedroht. Sein ältester Sohn wird nachts überfallen und niedergestochen, ist fortan querschnittsgelähmt. David verändert sich, er fängt nun sogar an, exzessiv Alkohol zu trinken, obwohl er zuvor abstinent gelebt hat. Und dann begegnet er auch noch der jugendlichen Tochter der geheimnisvollen Bankerin, in die er sich zu allem Überfluss verliebt. Die Ereignisse beginnen, sich zu überschlagen.
"Hard Boiled" oder doch eher Weichei? Der abgekochte Verbrecher aus Verlegenheit ist David von Marquardt absolut nicht. Er bricht zwar mit Prinzipien, tut Unrecht (besonders gegenüber seiner Famile), aber Verbrecher kann man ihn deshalb lange nicht nennen. Er ist in seiner Haut eher der leidende und hilflose Looser. Der wirkliche Bösewicht verbirgt sich lange im Hintergrund, dennoch kann der Leser früh, viel zu früh, die Zusammenhänge erkennen und erahnen, wer die Fäden zieht, um David zu demütigen.
Die Charakterwandlung Davids ist erstaunlich. Vom treuen Gatten zum notorischen Lügner? Vom Abstinenzler zum Alkoholiker in zwei Monaten? Und dann verliebt sich der einst erfolgreiche Manager in einen Teenager? Trotz der schon oben beschriebenen Extremsituation erscheint dies doch ein wenig dick aufgetragen und im Endeffekt unglaubwürdig.
zu soft für einen hard boiled
Ein "Hard Boiled" lebt nicht allein von den über eine Person hereinbrechenden Hiobsbotschaften. Davon hat Franz eine Vielzahl eingebaut. Letztlich ist dieser Roman aber für echte Freunde des Genres wohl ein wenig zu soft geraten, da die Handlungen der Hauptperson insgesamt doch zu passiv sind. Und die Auflösung, die Beweggründe des Bösewichts, lediglich die Taten einer geistig verwirrten Person... Schade!
Andreas Franz, Droemer Knaur
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