Spurlos verschwunden

  • Brockmeyer
  • Erschienen: Januar 2010
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  • Bochum: Brockmeyer, 2010, Seiten: 232, Originalsprache
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Wolfgang Weninger
30°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2011

Debüt ohne Schwung

Der Brockmeyer Verlag in Bochum veröffentlichte 2010 das Erstlingswerk von Daniela Gesing, in dem sie den im Ruhrgebiet amtierenden Kommissar Heller in seinem ersten Fall auf 232 Seiten auf die Suche nach Professor Wilmers schickt, denn der ist "Spurlos verschwunden".

Schon die Umschlaggestaltung wirkt ausgesprochen altbacken und wenig einladend, ziert es doch ein Foto, das sich dringend einen Layoutspezialisten gewünscht hätte, weil es so amateurhaft bearbeitet ist. Zu Beginn präsentiert Frau Gesing eine Beschreibung der handelnden Personen, die phrasenhafter nicht sein könnte:

Andreas Heller:

Kriminalhauptkommissar bei der Bochumer Kripo, genannt Andy, gewissenhaft, gutaussehend, liebt seine alte Lederjacke, seine Familie und trinkt gern Tee.

Aber Hallo! Was ist das bloß für ein Kommissar, bei dem die Lederjacke noch vor der Familie kommt? Doch in diesem Stil geht es weiter und sämtliche 19 mehr oder weniger aktiven Seitenfüller werden aufgelistet, bevor es endlich an das Wichtigste geht: die Handlung! Bevor diese jedoch ein wenig mühsam loslegt, fällt dem gewieften Leser noch auf, dass der Verlag darauf verzichtet hat, sich an die üblichen Normgrenzen für Zeilen und Buchstaben zu halten, die man schon jedem Schreiberling einbläut, spätestens wenn er zum ersten Mal ein Manuskript abgeliefert hat. Dass solche Einteilungen durchaus einen Sinn haben, stellt der Leser dann fest, wenn die Geschichte in winziger Schrift gedruckt wird, die das Lesen mit etwas älteren Augen nur mit einer Lupe ermöglicht. Aber vielleicht war das ja Absicht, damit man nicht merkt, dass man sich beim Verlag Brockmeyer ein ordentliches Lektorat erspart hat, denn was sich hier an Rechtschreibfehlern findet, hätte schon eine simple Wordkorrektur analysieren können. Diese Schlamperei kann man in keinem Fall der Autorin alleine anlasten, denn für solche Fälle hat man schließlich einen professionellen Verlag.

Nun wollen wir aber endlich den Herrn Kriminalhauptkommissar arbeiten lassen, der mit seiner Kollegin an einem grausigen Fall zu arbeiten hat. In einer völlig verwahrlosten und mit Müllbergen zugestopften Wohnung finden die Beamten zwei Kinder. Ein zweijähriges Mädchen, verschmutzt und völlig ausgehungert, vegetiert neben ihrem völlig dehydrierten fünf Monate altem Bruder, der mit blauen Flecken übersät ist und die Fahrt ins Krankenhaus nicht überlebt. Die Szenerie würde auch jedem anderen hartgesottenen Kriminalisten an die Nieren gehen, aber der Kommissar wird gerade zum zweiten Mal Vater und hat eine bezaubernde kleine Tochter, deshalb ist dieser Fall von Kindesmisshandlung für ihn vorrangig und die Fahndung nach der Mutter hat oberste Priorität. Doch diese ist möglicher Weise einem Verbrechen zum Opfer gefallen, denn die Blutspritzer im Badezimmer weisen die DNA der Mutter auf. Woran es liegt, dass man ohne jegliche Vergleichsproben einem nicht physisch bekannten Menschen DNA zuordnen kann, ist wahrscheinlich der speziellen Forensik des Ruhrgebietes zuzuschreiben?

Während ein Sturm auch im Kommissariat für Glasschäden sorgt, verschwindet ein angesehener Professor, Dozent an der Hochschule mit Lehrstuhl für Psychologie. Der allein lebende Mann, geschieden, zwei Kinder, alleinleibend, wird von seinen Kollegen an der Uni vermisst. In der Wohnung muss es einen Kampf gegeben haben, bei dem auch Blut floss. Möglicherweise war ein ehemaliger Häftling, bei dessen Prozess der Professor ein Gutachten erstellt hat, aus Rachsucht in die Wohnung eingedrungen und hat dem Gelehrten etwas angetan. Aber wo ist der Mann oder seine Leiche? Als dann ein kleines Hündchen noch einen Mittelfinger findet, beginnen die Mühlen der Kriminalistik richtig zu mahlen.

Man merkt in Spurlos verschwunden den Erstling leider nur zu deutlich. Obwohl die Story ordentlich konzipiert ist und auch die Spannungsmomente, speziell am Schluss, durchdacht aufgebaut sind, kommt der Krimi nicht so recht in Fahrt. Der krampfhafte Versuch aus Personen Charaktere zu machen, die leider total farblos bleiben, stört beim Leser deutlich. Kleinstadtidyll und Schrebergartenromantik brauchen Bilder und kein bäuerliches Dorfpolizistengehabe. Frau Gesing schreibt so, wie es uns der "Tatort" im Fernsehen glauben machen möchte. Dass sie schreiben kann, merkt man vor allem zum Ende hin, wo sie offensichtlich selbst beim Schreiben die Spannung gespürt hat und das auch richtig gut vermittelt. Aber 35 gute Seiten können das ansonsten mäßige Krimieinerlei nicht retten. Da muss für einen zweiten Fall noch ordentlich Power in die Geschichte, da braucht es noch flüssigere Dialoge und da muss die Autorin sich auch ein wenig mit Recherche beschäftigen und ein paar aktuelle (gute) Krimis lesen, um ein Gespür für den heutigen Krimischreibstil zu bekommen, sonst bleibt sie schreiberisch im Ruhrgebiet stecken. Und das wäre eigentlich schade.

Spurlos verschwunden

Daniela Gesing, Brockmeyer

Spurlos verschwunden

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