Der Todeszauberer
- Blanvalet
- Erschienen: Januar 2011
- 5
- München: Blanvalet, 2011, Seiten: 320, Originalsprache
Spannendes Stück Lesekino!
Drei Jahre nach den Vorfällen mit dem "Putzteufel" wird Julius Kern erneut mit einem Serientäter konfrontiert. Als am Ufer der Havel eine zerteilte Frauenleiche gefunden wird, ist für die Ermittler schnell klar, dass es sich bei dem Mörder um den "Schläfenmörder" handeln muss. Der Killer wird so genannt, weil er bereits 17 Frauen in ganz Deutschland durch Hammerschläge an die Schläfe getötet oder betäubt und dann anders umgebracht hat. Eva Fuchs, eine Fall-Analytikerin aus Bayern, die seit dem ersten Auftreten des "Schläfenmörders" immer wieder hinzugezogen wird, kommt nach Berlin, um Kern zu unterstützten. Die beiden entdecken die Fußspuren des Killers an der Havel, und dann bekommt Kern plötzlich einen anonymen Brief, dessen Absender er aber sofort erkennt. Tassilo Michaelis, freigesprochener Massenmörder und Erzfeind des Kommissars, hat schon immer Briefe von krankhaften Bewunderern bekommen. Und einige dieser Schreiben scheinen vom "Schläfenmörder" zu stammen. Michaelis verknüpft mit seinem Hilfsangebot eine ungeheuerliche Forderung – und der Serienkiller schlägt derweil erneut zu.
Bereits kurz nach seinem Debüt-Roman hat Vincent Kliesch die nächste Folge der Reihe um den smarten Ermittler Julius Kern vorgelegt. Und darin geht es ebenfalls recht deftig zur Sache – von der ersten Seite an. Im Prolog wird mit unheimlicher Beiläufigkeit die jüngste Tat des "Schläfenmörders" geschildert, und dem Leser läuft es gleich eiskalt den Rücken hinunter. Wie schon beim "Putzteufel" lässt Vincent Kliesch zudem seine Leser an der Sichtweise und den Überlegungen des Mörders teilhaben. Diese ungewöhnliche Ausführlichkeit, mit der die Perspektive des Täters geschildert wird, macht einen der besonderen Reize der Romane des Berliner Schriftstellers aus. Seine Mörder sind keine dumpfen Killer, sondern intelligente und clevere Menschen, die es den Ermittlern wirklich schwer machen. Zudem haben sie jeweils eine tragische oder zumindest nachvollziehbare Geschichte – keine Rechtfertigung für die Morde, aber eine interessante psychologische Erklärung.
Nach dem es im ersten Buch der Reihe um einen von unverschämten Gästen beleidigten Kellner, und einen Psychopathen in der Welt der Internet-Kontakte ging, führt Kliesch seine Leser nun in die halbseidene Welt der Varietés. Dort werden Charaktere und Schicksale präsentiert, die Kliesch recht authentisch und eindrucksvoll schildert. Da gibt es den alternden Messerwerfer, den jungen aufstrebenden Artisten, und den sich selbst "Madame" nennenden Transvestiten, der das herunter gekommene Varieté-Theater betreibt – ein Mitleid erregendes, herunter gekommenes Etablissement. Im Mittelpunkt steht jedoch der geheimnisvolle Zauberkünstler, der sich für ein Engagement in Berlin kurzfristig gebunden hat. Der gehbehinderte Mann hat eine furchtbare Kindheit und Jugend hinter sich, aber die Erklärung für seine Mordserie wird dem Leser noch lange Zeit vorenthalten, um dann umso tiefere Einblicke in menschliche Abgründe zu bieten.
Der Autor versteht es hervorragend, den Leser mit der Schilderung der jammervollen Atmosphäre im Theater und der Jugend-Erlebnisse des "Schläfenmörders" zu fesseln. Auf der Gegenseite stürzt die Analystin vom bayrischen LKA derweil den stets mit privaten Problemen behafteten Julius Kern um ein Haar in eine erneute Ehekrise. Die Schilderung der privaten Sorgen des Ermittlers sind allerdings nicht nur Füllmaterial, sondern zeigen eindrucksvoll, wie zurückliegende Fälle noch lange Zeit das Ehe- und Familienleben eines Polizisten belasten können. Zwar sind Ermittler mit Privatproblemen bei Kriminal-Schriftstellern derzeit irgendwie in Mode, aber in diesem Fall kommt die Erzählung authentisch und keinesfalls langweilig rüber. Besonders fesselnd ist auch die spezielle Art von Julius Kern, in seinen Mordfällen zu ermitteln. Er "spricht" mit den Tätern, versucht sich in sie hineinzuversetzen. Und das wirkt bei Vincent Kliesch nicht irgendwie esoterisch oder abgehoben, sondern die Gedanken des Kommissars sind für den Leser stets gut nachvollziehbar.
Der junge Schriftsteller zeigt sich auch in seinem zweiten Roman als ein wirklich guter Geschichtenerzähler. Spannende Elemente und notwendige Hintergründe sind gut ausbalanciert, der Autor verzichtet weitgehend auf weitschweifige Beschreibungen, sofern sie nicht für das Verständnis der Handlung wichtig sind. Seinen Stil minimalistisch zu nennen wäre übertrieben, aber es kommt dem ziemlich nahe. Auf jeden Fall werden die Orts- und Perspektivwechsel auch in diesem Buch hervorragend genutzt, um die Spannung stets hoch zu halten. Es macht wirklich Spaß, Julius Kern bei seiner akribischen Arbeit über die Schulter zu schauen. Gegenüber seinem Erstlingswerk hat der Autor das Niveau absolut gehalten und erneut einen lesenswerten und spannenden Roman abgeliefert. Und deshalb dürfen sich die Leser auch schon jetzt auf das nächste Stück "Lesekino" aus der Feder von Vincent Kliesch freuen.
Vincent Kliesch, Blanvalet
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