Cagot

  • Hoffmann & Campe
  • Erschienen: Januar 2011
  • 5
  • New York: Viking, 2010, Titel: 'The marks of Cain', Seiten: 438, Originalsprache
  • Hamburg: Hoffmann & Campe, 2011, Seiten: 5
  • München; Zürich: Piper, 2012, Seiten: 480
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Jörg Kijanski
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2011

Rassenwahn, Hunde Gottes und die Letzten der Cagots.

DCI Bob Sanderson informiert den Journalisten Simon Quinn, dass es in Primrose Hill einen spektakulären Mord gegeben habe, bei dem eine alte Frau einer Knotung unterzogen wurde. Die Ermittler stehen vor einem Rätsel, doch schon bald gibt es ein weiteres Opfer. Erneut eine alte Frau, dieses Mal auf der abgelegenen Insel Foula. An ihr wurde das "Mundritzen" praktiziert, bei dem es sich - wie bei der Knotung – um eine Foltermethode aus dem Mittelalter handelt. Auch sonst gibt es bei den Opfern Gemeinsamkeiten: Sie waren nicht nur alt, führten ein zurückgezogenes Leben, sondern sie hinterließen größere Erbschaften und litten unter Syndaktylie; einer ungewöhnlichen Deformierung an Händen und Füßen. Quinn stößt bei seinen Ermittlungen auf das Unternehmen GenoMap, das bis vor Kurzem Untersuchungen auf dem Gebiet der Eugenik betrieb, also rassische Unterschiede erforschte. Dabei scheint das Volk der Cagots eine besondere Rolle zu spielen.

David Martinez trauert um seinen verstorbenen Großvater, der nach einem früheren Unfalltod seiner Eltern, sein letzter Familienangehöriger war. Völlig überrascht erfährt Martinez, dass ihm sein seit jeher in ärmlichen Verhältnissen lebender Großvater ein Vermögen von rund zwei Millionen Dollar hinterlassen hat. Einzige Bedingung, er müsse nach Spanien fahren, um dort in Lesaka einen gewissen Jose Garovillo zu treffen. Doch in Lesaka gibt es schnell Probleme, denn dieser Ort befindet sich in der Hand der baskischen ETA, dessen großes Idol jener Garovillo ist. Als sich Martinez nach diesem erkundet gerät er in eine Auseinandersetzung mit Miguel, genannt Otsoko der Wolf. Er gilt als der brutalste Killer der ETA und trachtet Martinez fortan nach dem Leben, während dieser verzweifelt versucht, seine wahre Identität herauszufinden. War sein Großvater ein Baske? Mit Hilfe der jungen Amy Myerson, einer früheren Freundin von Miguel, begibt er sich auf familiäre Spurensuche und stellt dabei erschreckende Dinge fest. Eine entscheidende Spur führt ihn letztlich zu den Cagots, einer Gruppe von Ausgestoßenen, die seit langer Zeit verfolgt werden…

Eines muss man Tom Knox lassen, einen breiten Erzählbogen hat er aufgezogen. Was oben noch recht harmlos als ein fast normaler Thrillerplot daherkommt, nimmt recht bald ordentlich Fahrt auf und führt den Leser nicht nur über die halbe Erdkugel. Von den Anfängen der Bibel über die Hexenverfolgung im Mittelalter bis hin zu den Rassenforschungen der Nazis unter Leitung von Eugen Fischer tischt uns der Autor eine fulminante Geschichte auf. Da dürfen die üblichen Verdächtigen nicht fehlen und so spielen die Kirche im Allgemeinen sowie Dominikaner (die "Hunde Gottes") und Piusbrüderschaft im Besonderen eine nicht ganz unwichtige Rolle. Selbstverständlich sind auch ein paar alte Nazis am Geschehen beteiligt und wie - schon erwähnt - die titelgebende Gruppe der Cagots. Es leben nur noch ganz wenige Angehörige dieses ursprünglich in den Pyrenäen beheimateten Volkes und offenbar sind selbst diese einigen höheren Kräften noch zu viel, denn ein Killer dezimiert weltweit mit Hochdruck deren Anzahl.

Wer die Romane von Dan Brown und ähnlichen Vertretern dieses Genres kennt, ahnt was einen erwartet. Schnelle, häufig wechselnde Szenarien und am Ende eines Kapitels zumeist vortrefflich gesetzte Cliffhanger. Die Figuren bleiben hingegen weitgehend farblos und die Handlung fliegt so schnell an einem vorbei, dass man gar nicht mehr mitbekommt, wenn es womöglich kleinere Lücken gibt. Handwerklich durchaus ordentlich gemacht, zudem wurden die oben genannten Themenbereiche (und andere) sorgfältig recherchiert. Insbesondere wer sich für die Forschungen von Eugen Fischer - ein Nachfolger von Francis Galton, dem Begründer der modernen Eugenik - interessiert, die letztlich die Grundlage für die Rassenlehre der Nazis ("Rassenhygiene") bildete, welche bekanntlich zum Holocaust führte, lernt hier einige erschreckende Details kennen. Umso mehr überrascht es, dass Fischer nach Kriegsende ungestraft als Professor weiterarbeiten konnte; auch hierfür findet der Autor eine Erklärung.

Wer an temporeicher Action gepaart mit Geschichte, Religion (Genesis) und im vorliegenden Fall Genforschung interessiert ist, darf gerne zugreifen. Die Schlussfolgerungen des Autors (beispielsweise hinsichtlich der Förderer von Miguel) erscheinen jedoch "ein bisschen" weit hergeholt, um es sehr, sehr freundlich zu formulieren. Zudem lernt man die Cagots und deren Besonderheiten kennen, die (folgt man der "Logik des Plots") nicht nur die Lehre der Kirche in ihren Grundfesten erschüttern würde. Wer sich verstärkt für den Aspekt der "Genforschung" im Dritten Reich interessiert, dem dürfte auch Das Erbe des Bösen von Ilkka Remes zusagen.

Cagot

Tom Knox, Hoffmann & Campe

Cagot

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