Niedertracht
- Argon
- Erschienen: Januar 2011
- 13
- Berlin: Argon, 2011, Seiten: 4, Übersetzt: Jörg Maurer
Müde Mücken machen mürbe
Mit seinen ersten beiden Romanen Föhnlage und Hochsaison gehörte Jörg Maurer zu den erfreulicheren Erscheinungen im arg knödeligen Mief der Alpen- und Allgäukrimis. Denn bei ihm gab es weniger betuliche oder alberne Komödienstadelkost, garniert mit eher zufällig herumliegenden Leichen, sondern Geschichten, die ihr kriminelles Sujet durchaus ernst nahmen, aber mit spöttischen Alltagsbeobachtungen, Slapstick und sarkastischer Komik unterfüttert wurden. Dabei persiflierte Maurer ziemlich gekonnt und vorauseilend die Realität. Die Fußball-WM in Katar? Der aufmerksame Autor legte mit der größten Skisprungschanze der Welt in Dubai die Messlatte auf. Klar, dass der Blatter Sepp drunter durch tauchen musste.
Jetzt also Niedertracht. Band drei der Alpensaga um Kommissar Hubertus Jennerwein und sein fideles Team höchst unterschiedlicher Kriminalbeamter. Das positive zuerst: keine Homestories von absturzgefährdeten, seelisch labilen Kriminalisten. Jennerwein und seine Combo stehen fest im Leben, bzw. kraxeln darin herum. Mal erfolgreich, mal mühselig und ein bisschen tapsig. Es ist immer noch ganz vergnüglich sie dabei zu begleiten. Der Fall des Putzi genannten Psychopathen, und seiner kaum weniger mental derangierten Mutter, hat seine spannenden Momente, besonders zum Ende hin. Setzt der liebe Putzi doch arglose Probanden in unzugänglichen Felsspalten aus und sieht zu, wie sie erst verzweifeln, dann zugrunde gehen. Hat ihn bei einer verirrten Gemse in Kinderzeiten sehr fasziniert. Diesen Moment, beobachtender Herr über Leben und Tod zu sein, möchte er auskosten, lang und genussreich. Dass zwischendurch ein weiteres Motiv auftaucht – Hilfestellung auf dem bewusst erfahrenen Weg in eine andere Existenzform – ist lässlich und wirkt leicht aufgesetzt. Aber diesem Handlungsstrang kann man folgen, obwohl er ziemlich abseitig ist, aber hey, da kennen wir um Längen abstruseres. Dass ein bisschen Provinzpolitiker- und Lynchmob-abwatschen (letzteres viel zu halbherzig und inkonsequent) dabei anfällt, nehmen wir freundlich billigend zur Kenntnis.
Doch dann gibt es leider noch einen zweiten Plot, der die Bestrebungen der Mafia beschreibt, Kriebelmücken mit bestimmten Lockstoffen zu dressieren, damit man sie als analoges Navigations- und Ortungssystem verwenden kann. Mit dem angepeilten Ziel, Fußballspieler auszuspionieren. Das Unerwartete in seiner extremen Form als Grundlage für den vorgeblich komischen Effekt. Der viel zu abwegig und albern ist, um selbst auf Trash-Ebene überzeugen zu können. Zudem füllt Maurer diese Passagen noch mit ausschweifender Insektenkunde, die bestenfalls den Hobby-Entomologen interessiert. Positiv an diesem Erzählstrang ist lediglich, dass der österreichische "Problemlöser" – und aus den vorigen Büchern bekannte – Karl Swoboda ein paar vergnügliche Präsentationsflächen spendiert bekommt.
Die grundlegende Idee – Mücken gezielt auf bestimmte, markierte Personen anzusetzen, quasi winzige, fliegende Spürhunde mit Appetit auf Kakteensaft und Blut – wird zwar wortreich dargelegt, aber die Erklärung, anhand ihres "Schwänzeltanzes" unterm Schusterglas die zurückgelegte Route nachverfolgen zu können, ist ziemlich an den nicht vorhandenen Haaren herbeigezogen. Und wie vielfältig sollen die Mücken zur genauen Identifizierung eigentlich markiert werden, vor allem, wenn sie auf verschiedene Zielpersonen angesetzt werden (immer in der Hoffnung, dass sie nicht von einem stärkeren Lockstoff zu jemand ganz anderem hingezogen werden)? Rallyestreifen allein dürften kaum genügen und sind per se schwer anzubringen. Und der ganze Aufwand wird nur betrieben, um Einfluss auf kommende Fußball-Weltmeisterschaften zu nehmen. Dieser für die Rahmenhandlung so wesentliche Teil des Romans funktioniert, wie die etwas willkürlich eingestreuten Konflikte innerhalb der Familie aller Familien, überhaupt nicht, und lässt nicht nur etliche Mafiamitglieder bei ihren Kurzauftritten ratlos zurück.
Als wäre das noch nicht öde genug, lässt Maurer auch sein Witz häufig im Stich. Die wenigen Spitzen wirken bemüht, wirklich Pointen sind kaum auszumachen. Im Großen und Ganzen begnügt sich Maurer mit einem müden Aufguss der vorhergehenden Romane. Ein Highlight ist noch, dass er den Werbespruch für seine Bücher, "Sterben wo andere Urlaub machen" im Text unterbringt.
So bleibt ein halbwegs gelungener halber Roman, und ein ziemlich misslungener, uninteressanter halber Roman mit ein paar lesenswerten Ausbrüchen, die Karl Swoboda geschuldet sind.
Bleibt zu hoffen, dass Maurer mit dem nächsten Band wieder zu alter Form aufläuft, oder zu einer neuen, die sich aber zu lesen lohnt. Niedertracht bewegt sich im banalen Ungefähren, das man sich zu Gemüte führen kann, wenn die Urlaubslektüre nicht bis zum Ferienende reicht, und der einzige Laden im Kurort kein anderes Buch im Angebot hat. Oder als Alternative nur kluftige Dampfnudeln mit Rauhnacht-Blues zur Verfügung stehen. Man kann es aber auch im Regal belassen und dem Ruf des Watzmanns oder eines anderen Berges folgen.
Jörg Maurer, Argon
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