Opferzahl

  • Osterwold Audio bei Hörbuch Hamburg
  • Erschienen: Januar 2011
  • 7
  • Stockholm: Bonnier, 2006, Titel: 'Efterskalv', Seiten: 395, Originalsprache
  • Hamburg: Osterwold Audio bei Hörbuch Hamburg, 2011, Seiten: 5, Übersetzt: Achim Buch
Opferzahl
Opferzahl
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Andreas Kurth
98°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2011

Bomben, Todespillen und Fanatiker

Skandinavien erscheint vielen Menschen als glückliche Insel der Seligen. Terror findet in Mitteleuropa und Amerika statt, aber doch nicht in Schweden. Doch plötzlich ist diese scheinbare Gewissheit auf furchtbare Weise dahin. Exakt um 0.45 Uhr explodiert in Stockholm ein spärlich besetzter Wagen der grünen U-Bahn-Linie, kurz nach der Ausfahrt aus der Station Fridhemsplan. Zehn Menschen werden dabei getötet, und für die schwedischen Polizeibehörden beginnen zähe und komplizierte Ermittlungen. Die A-Gruppe um Kerstin Holm ist beteiligt, und arbeitet sich in mühevoller Kleinarbeit an den oder die Täter heran. Ein Bekenner-Anruf einer Gruppe namens "Siffins heilige Ritter" scheint auf eine islamistische Vereinigung aus Stockholms Vorstädten hinzudeuten. Die Ermittler stehen jedoch vor einem Rätsel, als die mühselig aufgespürten Mitglieder der "heiligen Ritter" ihrerseits von einem weiteren Unbekannten getötet werden. Die A-Gruppe muss einen ihrer schwierigsten Fälle lösen – in den irgendwie auch Kollegen aus den Reihen der Polizei verwickelt sind.

Was für ein genialer Roman von Arne Dahl! Der Schwede ist für seine verzwickten und verwinkelten Fälle, die oft mit schwermütigen Überlegungen gespickt sind, durchaus bekannt. Aber die Schach- und Winkelzüge, die Dahl in Opferzahl seinen Ermittlern und den Lesern zumutet, sind schon enorm ausgeklügelt. Dabei beginnt der Roman zwar mit dem blutigen Attentat in der U-Bahn, scheint dann jedoch etwas dahin zu dümpeln. Wer sich jedoch von dieser nur vermeintlich wirren Anfangsphase der Handlung abschrecken lässt, verpasst einen der besten Romane von Dahl, der nach meiner Auffassung im Laufe des Buches zu mehr als großer Form aufläuft.

Zunächst geht es um Kompetenzgerangel bei der Polizei, um Zuständigkeiten, um das wieder komplette Team um Kerstin Holm, die gerade erst nach einer Suspendierung wieder im Dienst ist. Und es geht um menschliches, allzumenschliches in der A-Gruppe. Dort wird Polizeiarbeit so betrieben, wie bei Volvo Autos produziert werden. In sich geschlossene Produktionsgruppen sind für die Herstellung eines kompletten Fahrzeugs verantwortlich, und dürfen die Arbeit untereinander nach Belieben verteilen, und auch die Abläufe selbst einteilen. So verfährt Kerstin Holm auch mit ihrer A-Gruppe - was ihr genügend Zeit und Gelegenheit verschafft, ihre Arbeit kritisch zu reflektieren. Selbstverständlich will ich hier nicht zu viel verraten, aber über welche verschlungenen Wege und Denk-Anstöße die Polizisten zuweilen zu Personen oder Zusammenhängen finden, ist für einen Roman fast schon zu komplex, um ausgedacht zu sein. Wie stark Arne Dahl reale Vorfälle aus dem schwedischen Polizei-Alltag in seine Romane einbaut, wie es beispielsweise Andreas Franz in Deutschland macht, kann ich nicht beurteilen. Aber einige Ermittlungsmethoden sind derart raffiniert, dass man kaum an Fiktion glauben mag. Ein kleines Beispiel sei erlaubt. So kommen die Ermittler der Gruppe der "Ritter von Siffin" unter anderem auf die Spur, weil sie ein zunächst unverständliches Zitat so lange in verschiedenen Bedeutungen übersetzen, bis sie es im entsprechenden Buch identifizieren können. Das Buch ist selten, und so finden sie heraus, wo es ausgeliehen wurde. Und so geht es weiter – mehr will ich hier nicht verraten, aber die ungewöhnlichen Methoden der A-Gruppe sind schon ein Markenzeichen der Romane von Arne Dahl.

Daneben erzählt er, gewissermaßen in Nebensätzen und beiläufigen Bemerkungen, von den persönlichen Befindlichkeiten und Entwicklungen in der Gruppe. Durch die Art des Einstreuens dieser Informationen wirkt das Ganze recht unaufdringlich, und lenkt überhaupt nicht von der eigentlichen Handlung ab. Neueinsteiger lernen so das Team besser kennen, wer schon die Vorgänger-Romane gelesen hat, fühlt sich wie bei einer bekannten Familie, von der er interessanten Neuigkeiten erfährt. Wie gewohnt setzt Arne Dahl weniger auf krachende Action, und mehr auf akribische und nachdenkliche Polizeiarbeit. Sein ruhig wirkender Erzählstil sorgt dennoch dafür, dass langsam aber stetig enorme Spannung aufgebaut wird.

Während man bei anderen Autoren geradezu auf die Verfilmung wartet, möchte ich diesen Roman von Arne Dahl nicht auf der Leinwand sehen. Es würde dem Reiz des Buches nicht gerecht werden können. Die Zwischentöne, die geradezu philosophischen Randbemerkungen, das Binnen-Klima der A-Gruppe, die Raffinesse der Ermittlung - all das taugt nicht für schnelle und Action-reiche Bilder auf der Kinoleinwand. Opferzahl ist vielmehr – mal wieder – ein Kriminalroman zum Genießen. In aller Ruhe, und gerne ein zweites Mal, weil sich dann viele Nuancen noch besser abzeichnen dürften. Das Finale des Buches, mit dem etliche große und kleinere Rätsel endlich aufgelöst werden, ist wieder einmal das Glanzstück. Und wie schon beim Vorgängerband Dunkelziffer kann man nur hoffen, dass der Großteil der Handlung und des Hintergrundes völlig fiktiv ist. Allerdings ist diese Hoffnung eher trügerisch.

Opferzahl

Arne Dahl, Osterwold Audio bei Hörbuch Hamburg

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