Die Braut trug Schwarz
- Heyne
- Erschienen: Januar 1964
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- New York: Simon & Schuster, 1940, Titel: 'The Bride Wore Black', Seiten: 312, Originalsprache, Bemerkung: veröffentlicht als William Irish
- New York: Pyramid, 1953, Titel: 'Beware the Lady', Originalsprache, Bemerkung: veröffentlicht als William Irish
- München: Heyne, 1964, Seiten: 154, Übersetzt: Christiane Nogly
- München: Heyne, 1974, Seiten: 154, Übersetzt: Christiane Nogly
- München: Heyne, 1989, Seiten: 187, Übersetzt: Christiane Nogly
Ein kurzweilig-düsteres Noir Vergnügen von einem Meister des Suspense
Vermutlich verdanken wir nicht zuletzt ihm das Markenetikett "Noir" für ein Subgenre des Kriminalromans ebenso wie des Hollywood Kinos: Ende der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts erhielt der 1903 in New York geborene Cornell Woolrich den Auftrag des Verlagshauses Simon & Schuster eine Reihe von Kriminalromanen zu verfassen, die im Titel das Wort Black enthalten sollten. Kein Problem für Woolrich. Im Gegenteil. Genügend Talent und eine düstere Phantasie hatte er im Überfluss. Und schwarz war – so wird gesagt – sowieso seine Lieblingsfarbe.
Jahrzehnte später hat sich dann die französische Film- und Krimiszene, die traditionell immer schon eine Schwäche für Schatten und verwandte Sujets hatte, inspirieren lassen. Und - Film Noir und Series Noir waren geboren. Sozusagen in der Retrospektive.
Jedenfalls, Die Braut trug Schwarz aus dem Jahre 1940 war der erste Roman dieser schwarzen Reihe von Cornell Woolrich. Weitere Klassiker wie The Black Curtain (1941, dt. Der schwarze Vorhang), Black Alibi (1942, dt. Schwarzes Alibi), Rendezvous in Black (1948, dt. Rendezvous in Schwarz), um einige zu nennen, folgten. Nahezu alle Romane dieser Reihe wurden früher oder später verfilmt. Die Filme gehören zum Kern der Schwarzen Serie Hollywoods – düstere schwarz-weiß Dramen, die auch heute noch bekannter sind als ihre literarischen Vorlagen.
Dies gilt auch für Die Braut trug Schwarz. Der Roman steht deutlich im Schatten der berühmten Verfilmung durch Francois Truffaut aus dem Jahre 1968 (der die Story in die Gegenwart und nach Frankreich verlagert).
Schauplatz des Romans: New York. Die Mörderin (in Serie): Julie Killeen, eine junge, hübsche und – wir vermuten – ganz normale Frau. Frisch verheiratet und gleich darauf verwitwet. Die Opfer: Eine Reihe von sehr unterschiedlichen Männern. Die Auswahl scheint eher zufällig. Das Motiv: Rache. Wofür? Bleibt zunächst unklar.
Der Ermittler: Lew Wanger von der New Yorker Kriminalpolizei. Ein sorgfältiger Analytiker – Profiler würde man wohl heute sagen. Er ist jedoch die meiste Zeit ein bis zwei Schritte hinterher mit seinen Ermittlungen. Die Mörderin ist zu clever und versteht es geradezu genial, sich zu verwandeln (durch Verkleidung, Stimme, Ausdrucksweise etc.). Auch gibt es keine augenscheinlichen Gemeinsamkeiten bei den Opfern.
Woolrich beschreibt seine Hauptdarsteller stilisiert und auf das notwendige reduziert. Der Leser erfährt so gut wie nichts über den Polizisten. Wanger stellt Fragen. Sucht nach Zusammenhängen (ohne diese zunächst zu finden). Berichtet seinem Vorgesetzten (und dem Leser) den jeweiligen Sachstand der Ermittlungen. Und über die Mörderin erfahren wir im Grunde nur Details zur Verfahrensweise bei ihren Taten, über das Tatmotiv hinaus jedoch nichts über ihren persönlichen Hintergrund.
Über die Opfer erfahren wir mehr: Eine Zufallsgemeinschaft aus verschiedenen sozialen Schichten, unterschiedlichen Alters und Charakters. Und hier taucht die Mörderin jeweils ein, recherchiert monatelang und verschafft sich schließlich Zutritt zur jeweiligen privaten Sphäre. Verwandelt sich, schlüpft sozusagen in zu den Opfern passende Rollen und bringt diese dann auf außerordentlich kreative, fast symbolhafte und amüsante Weise um. Ein reicher Müßiggänger und Herzensbrecher der New Yorker Oberschicht fällt vom Hochhaus. Ein miefiger Durchschnittsspießer erstickt. Ein Künstler wird bei der Arbeit an einer Plastik der römischen Göttin Diana (zuständig für Jagdglück) vom Pfeil seines Models getroffen. Und so weiter.
In Die Braut trug Schwarz zeigt sich Woolrich als ein Meister des Suspense. Ein Beispiel: Das Opfer befindet sich mit der Mörderin in seiner Wohnung. Selbstverständlich ist er ahnungslos. Aber der Leser weiß, dass sie ihn umbringen will und wird. Aber wie? Gift im Orangensaft? Das Fleischermesser beim Spülen? Des Opfers alte Militärpistole? Oder bringt sie gar seinen kleinen Sohn beim Spielen um? Seitenlang wird der Leser auf die Folter gespannt. Howdunit statt Whodunit.
Und irgendwann wird klar, an wem sie sich da rächt: An den Männern, die ihr die Liebe ihres Lebens genommen haben. Die den Bräutigam vor der Kirche volltrunken überfahren haben. Die Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird.
Zugegeben: Woolrich weckt die Lust auf gerechte Grausamkeiten beim Leser. Er empfindet kein Mitleid mit den Opfern (mit vielleicht einer Ausnahme: ein vereinsamter Trinker – sozusagen ein Alter Ego des Autors). Goutiert eher die sorgfältige Planung und kunstvolle Umsetzung. Kein Wunder, dass Truffaut ausgerechnet diesen Stoff für seine filmische Hommage an Alfred Hitchcock auswählte.
Nun ist das mit der Gerechtigkeit manchmal so eine Sache: Am Ende tauchen Beweise auf, die den Fall in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Zufälle spielen bei Woolrich immer, und so auch hier, eine entscheidende Rolle in der Dramaturgie.
Aber das ist eben auch ein Teil des Suspense. Ein kurzweilig-düsteres Noir Vergnügen ist Die Braut trug Schwarz allemal.
Cornell Woolrich, Heyne
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