Ohnmachtspiele

  • Haymon
  • Erschienen: Januar 2010
  • 5
  • Innsbruck; Wien: Haymon, 2010, Seiten: 316, Originalsprache
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Jörg Kijanski
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2011

Die große Neuentdeckung aus Österreich.

Seit fast vier Wochen verbringt Major Schäfer den größten Teil seiner Zeit auf der heimischen Couch, da er an einem Burnout-Syndrom leidet. Seine Depressionen werden zudem von einem neuen Erlass des Innenministers verschärft, der die Kosten des Polizeiapparates und die Fallzahlen der Kriminalstatistik gleichermaßen senken will. Personalabbau auf der einen Seite und Obduktionen nur noch bei Todesfällen, die offensichtlich nicht als natürlich eingestuft werden können.

Als am Ufer des Alberner Hafens die Leiche der ertrunkenen Sonja Ziermann gefunden wird, kehrt Schäfer eher widerwillig in den Dienst zurück und übernimmt die Ermittlungen. Eigentlich ein klarer Fall: Ertrinken als Todesursache und damit ein Fall für die Statistik ohne weitere Ermittlungen. Doch Schäfer ist nicht Polizist geworden, um Sollvorgaben von oben zu erfüllen. So erscheint es ihm doch zumindest seltsam, dass die 32-jährige ein rundum glückliches Familien- und Berufsleben führte und daher keinen Grund hatte, sich umzubringen. Wäre sie nur ausgerutscht, hätte sie sich problemlos aus eigener Kraft an Land ziehen können und daher sprechen die zahlreichen Abschürfungen an ihren Händen dafür, dass genau dies von einer anderen Person verhindert wurde.

Wenige Tage später ertrinkt eine weitere Frau unter mysteriösen Umständen, dieses Mal in der heimischen Badewanne. Doch selbst wenn sie bedingt durch reichlich Alkohol und Beruhigungsmittel versehentlich mit dem Kopf unter Wasser geraten wäre, hätte dabei automatisch ein Hustenreflex einsetzen müssen. Bliebe ihr verdächtiger Ehemann, der ein wenig nachgeholfen haben könnte, wäre da nicht der Umstand, dass die Badezimmertür von innen abgeschlossen war.

Alles sehr verwirrend für den gesundheitlich angeschlagenen Schäfer, aber ausgerechnet er findet heraus, dass es sich um Mordfälle handeln könnte, in deren Reihe womöglich auch die Leiche eines Junkies, die vor längerer Zeit skelettiert in einem Waldstück gefunden wurde, gehört. Nach Schäfers Theorie geht der Täter nach dem Schema eines Kartenspiels vor, so dass mit weiteren Opfern zu rechnen ist. Kaum verwunderlich, dass er sich mit dieser mehr als gewagten Theorie weiteren Ärger mit seinen Vorgesetzten einhandelt…

Georg Haderer hat mit seinem zweiten Roman der Major-Schäfer-Reihe einen vorzüglichen Kriminalroman mit einer erfrischenden Mischung aus Spannung, Humor und einem überraschenden Ende vorgelegt. Wobei der Star der Ohnmachtspiele zweifelsohne die Hauptfigur Schäfer ist. Eigentlich noch im Krankenstand übernimmt er die Ermittlungen in einem denkwürdigen Todesfall. Dabei könnte man diesen auch gleich als Unfall in die Statistik eingehen lassen, was dem Polizeipräsidenten und dem Innenminister am Liebsten wäre. Herrlich, wie der nach wie vor kränkelnde Schäfer mit dem politischen System und dem Rest der Welt hadert. Ständig nörgelnd macht er seinem Unmut über die unfähigen Machthaber mit Brachialgewalt Luft. Das Wort "Arsch" mit zahlreich wechselnden Zusätzen kommt bedenklich oft daher und dennoch kann man sich nur selten ein Schmunzeln verkneifen. Gleiches gilt für die Dialoge und Wortgefechte zwischen Schäfer und seinem Mitarbeiter Bergmann.

 

"Entschuldige die Verspätung … die haben sich wieder einmal selbst nicht genug loben können …"

"Worum ist es gegangen?"

"Einhaltung des Kyoto-Protokolls … da hinken die so weit hinterher, dass es schon viel Redezeit braucht, das zu beschönigen."

"Vielleicht sollte der Nationalrat einmal einen ganzen Tag die Luft anhalten … da lösen wir zwei Probleme auf einmal.""

 

Dass sich Schäfer mit seinen Vorgesetzten anlegt, liegt aber auch daran, dass seine Theorie, die Morde würden einem Spiel mit doppeldeutschen Karten entsprechend verlaufen, doch recht gewagt erscheint. Selbst der ansonsten folgsame Bergmann will da nicht bedingungslos jede Aktion seines Chefs unterstützen. Spannend ist der Plot bis zur letzten Seite, denn gerade zum Finale überschlagen sich ein wenig die Ereignisse oder besser gesagt die Auflösungen. Nein, da hat kaum ein Leser eine Chance richtig zu liegen, ohne dass dabei das Ergebnis über Gebühr konstruiert wirkt.

Der Haymon-Verlag, in dem Ohnmachtspiele erschienen ist, scheint große Hoffnungen in den jungen Autor zu haben, ziert doch dessen Buchcover zudem die Titelseite des aktuellen Verlagsprospekts. Der Erzählstil kommt zu Beginn der Lektüre allerdings etwas eigenwillig daher. Lange Schachtelsätze machen den Einstieg unnötig schwer, zeugen aber gleichermaßen von der Sprachgewalt des Schriftstellers, der sich wohltuend vom handelsüblichen Durchschnittskrimi abhebt. Ein großer Erfolg wäre dem Autor daher zu gönnen, denn selten erlebt man einen Ermittler mit derart hohem Identifikationspotential. Ja, eindeutig, den wollen wir wiedersehen. Je schneller, desto besser. Gerne gesund, aber bitte genauso launisch wie bisher.

Ohnmachtspiele

Georg Haderer, Haymon

Ohnmachtspiele

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