Ein Schöner Ort zum Sterben

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2002
  • 11
  • London: Headline, 1994, Titel: 'A fine Place for Death', Seiten: 345, Originalsprache
  • Bergisch Gladbach: Lübbe, 2002, Seiten: 397, Übersetzt: Axel Merz
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Michael Drewniok
40°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2003

Seifenoper-Elemente halten sich angenehm im Hintergrund

Das 21. Jahrhundert bricht nun wohl auch in Bamford, dem kleinen, idyllischen Landstädtchen, endgültig an. Zwar bewohnen immer noch reizend kauzige Gestalten mit "Erst-einmal-eine-gute-Tasse-Tee"-Habitus die schmalen Gässchen, aber "Verbrechen" bedeutet inzwischen auch hier nicht mehr den im Pfarrgarten gewilderten Hasen, sondern schließt kaltherzigen Mord ein.

In einem Waldstück wurde die Leiche der vierzehnjährigen Lynne Wills gefunden. Man hat ihr den Schädel eingeschlagen, aber Jungfrau war sie schon vorher nicht mehr. Statt dessen sieht es für Chief Inspector Alan Markby vom Bamford Criminal Investigations Department der örtlichen Polizei so aus, als sei die Verstorbene Mitglied eines Zirkels minderjähriger Hobby-Prostituierten gewesen, die sich nach der Schule das Taschengeld ein wenig aufbessern.

So etwas lieben die Medien, aber nicht Markbys neuer Chef und die besorgte Öffentlichkeit, die den Inspektor tüchtig bedrängen. Man teilt ihm sogar eine neue Assistentin zu. Auch privat gibt es Schwierigkeiten, denn Markbys Angebetete, die Diplomation Meredith Mitchell, will seinem Werben weiterhin nicht nachgeben, obwohl sie inzwischen sogar nach Bamford gezogen ist. Statt dessen wird sie - nur halbwegs wider Willen - in die aktuellen Ermittlungen hineingezogen.

Die einzige Tochter der einst mächtigen, aber dekadenten Devaux-Familie bittet sie um Hilfe bei ihren familiären Problemen. Mutter Adeline, die letzte ihres Geschlechtes, gleitet endgültig in den Wahnsinn ab, Park House, die alte Residenz der Devaux', zerfällt. Matthew Conway, Adelines Gatte, ist hilflos und womöglich ein Ehebrecher, wie im Ort gern gemunkelt wird.

Meredith Mitchell muss der jungen Kate ihre Hilfe verweigern. Deshalb macht sie sich ernste Vorwürfe, als das junge Mädchen einem neuen Mord zum Opfer fällt. Aber wurden beide Taten überhaupt von einem Täter begangen? Markby plagen da Zweifel, aber ihm bleibt wenig Zeit für gewissenhafte Ermittlungen, da sich die Situation um das düstere Devaux-Mausoleum dramatisch zuzuspitzen beginnt ...

In Bamford nichts Neues, könnte man sagen. Halt, etwas gilt es auf jeden Fall festzuhalten: Nach dem schrecklichen fünften Band der Markby & Mitchell-Serie ("Wer andern eine Grube gräbt"/"Where Old Bones Lie"), einer endlos ausgewalzten, aber dramaturgisch ins absolut Leere laufenden Zumutung, geht es mit diesem Band eindeutig wieder aufwärts. Der Plot ist einfach, aber er funktioniert.

Vor allem halten sich die Seifenoper-Elemente angenehm im Hintergrund. Noch immer bebalzen Markby und Mitchell sinnlos und langweilig einander, aber sie tun es immerhin diskret und belästigen ihr Leserpublikum nicht damit. Wie lange Ann Granger diesen längst überdehnten Handlungsstrang ansonsten noch quälen will, bleibt rätselhaft; auch dieses Mal kommt das Duo miteinander nicht weiter.

Ansonsten fällt der Spagat zwischen klassischem Landhaus- und modernem Gesellschaftskrimi durchaus gelungen aus. Granger experimentiert damit, beide Subgenres zu mischen. Der dem zu Grunde gelegte Gedanke wird sicherlich sein, dass es im 21. Jahrhundert zunehmend absurder wird, uralte "Cozy"-Stories à la M. B. Eberhardt oder Agatha Christie zu kopieren, selbst wenn es dafür ein Publikum zu geben scheint. Andererseits widersetzt sich wohl kaum ein Genre so nachhaltig einer Runderneuerung wie der "Landhauskrimi" mit seinen recht engen Grenzen, deren Befolgung vor allem eines garantieren soll: Unterhaltung in der Variation des Bekannten, d. h. ohne Nerven strapazierende Überraschungen.

Deshalb fällt es schon auf, wenn wir in Bamford einen modernen Mädchenmörder bei seiner traurigen Arbeit erleben, während uns andererseits zerstreute anglikanische Geistliche oder verschroben altjüngferliche Hauswirtinnen und ihre hagestolzigen Verehrer irritieren. Das eine passt nur bedingt zum anderen - oder es bedarf einer fähigeren Autoren als Ann Granger es zu verbinden. Dies zu entscheiden bleibt dem Leser überlassen.

Bezüglich der handelnden Personen gibt es wie gesagt überhaupt nichts Neues zu berichten, was wiederum cozytypisch ist. Alan Markby geht wie gehabt in seiner Arbeit auf, die ihm dieses Mal nicht einmal Zeit für die geliebte Gärtnerarbeit lässt. Meredith Mitchell saniert tüchtig an ihrem kuscheligen Bamford-Häuschen herum und dringt dabei dramaturgisch recht gewagt in diverse Ortsgeheimnisse vor.

Neu im Geschehen ist Helen Turner. Soll sie die Frauenquote in der "Markby & Mitchell"- Serie steigern? Hier bleibt sie jedenfalls noch ziemlich blass, auch wenn Granger ihr Übereifer und Ortsfremde andichtet und sie dadurch interessanter zu gestalten versucht.

Ansonsten werden wir mit der üblichen Galerie skurriler Zeitgenossen konfrontiert, die traditionsgemäß englische Kleinstädte bevölkern. Auch hier unterlaufen Granger Brüche, denn die Bewohner von Park House sind wiederum deutlich "realistischer" gestaltet. Die beabsichtigte Tragik kommt nicht mit der humoristischen Überzeichnung der Bamford- Kulisse in Einklang.

Inwieweit sich die Leserschaft von der Existenz einer Gruppe pubertierender Mädchen überzeugen lässt, deren Revolte gegen die spießige Welt der Erwachsenen sich darin äußert, dass sie sich als Gelegenheitsnutten in einem staubigen Mausoleum betätigen, sei an dieser Stelle dahingestellt. Schenkt man der Boulevardpresse Glauben, ist so etwas schon vorgekommen. In diesem Fall liegt es dann wohl an Ann Granger, dass dieser Aspekt der Handlung und die jugendlichen Protagonistinnen nicht besonders glaubhaft wirken.

Ein Schöner Ort zum Sterben

Ann Granger, Lübbe

Ein Schöner Ort zum Sterben

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