Giftpilz

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2010
  • 1
  • München; Zürich: Piper, 2010, Seiten: 253, Originalsprache
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Andreas Kurth
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2010

Perfider Mord nach Schwarzwälder Art

Hubertus Hummel ist Lehrer und begabter Hobby-Detektiv. Nach einem Herzanfall muss er in eine Reha-Klinik in der Nähe seines Heimatortes einrücken – und hat gleich Probleme mit dem öden Alltag in der Kur. Das Gewicht soll runter, Sport soll er treiben, sein ganzes Leben umstellen. Und wie gewohnt gibt es Stress mit Noch-Ehefrau Elke und Freundin Carolin. Sein bester Freund, Skandal-Journalist Klaus Riesle hat auch noch gutmütigen Spott parat. Da kommt es Hummel gerade recht, dass sich in der Klinik ein mysteriöser Todesfall ereignet. Ein Mitpatient stirbt an einer Pilzvergiftung, und sofort ist es mit der gesundheitsfördernden Ruhe vorbei. Hummel und Riesle sind sich einig, dass hinter der Vergiftung kein Unglücksfall steckt, sondern ein Verbrechen. Gemeinsam begeben sich die beiden Freunde einmal mehr auf Verbrecherjagd.

Nicht nur in der Eifel, im Allgäu, Bayern oder den Großstädten, nein, auch im Schwarzwald gibt es zahlreiche Spitzbuben, denen das sympathische Duo Hummel/Riesle das Handwerk legen kann und will. Die Autoren Alexander Rieckhoff und Stefan Ummenhofer sind waschechte Schwarzwälder, widerstehen aber dennoch der Versuchung, zu viele Mundart-Dialoge in ihren Krimi einzubauen. So bleibt dieses Element auch für die Leser aus dem Rest Deutschlands auf einem erträglichen Niveau. Dazu trägt sicher der Kunstgriff bei, den norddeutschen Kommissar Claas Thomsen in die Schwarzwald-Reihe einzubauen, der auch im Süden Deutschlands weiterhin sein gepflegtes Hochdeutsch spricht. Ansonsten ist Thomsen eine skurrile bis tragische Figur. Sein Hygiene-Fimmel macht ihn fast zum Psychopathen, als ernsthafter Ermittler kommt er kaum in Frage. Zudem verbindet ihn eine herzliche Abneigung mit dem so geschickt ermittelnden Duo, das ihm häufig genug eine Nasenlänge voraus ist.

Dadurch werden die Hauptfiguren Klaus Riesle und Hubertus Hummel entsprechend aufgewertet. Wobei Hummel seinerseits einige ernsthafte Macken zu bieten hat. So ist er ein wehleidiger Hypochonder, zieht Charakter-schwach die Döner-Bude mehrfach dem Speisesaal der Klinik vor, und fühlt sich schnell verfolgt. Und auch in seinen privaten und zwischenmenschlichen Beziehungen ist Hummel ein echter Pflegefall. Mit dem ebenfalls etwas knorrigen Riesle kommt er dagegen gut zurecht, weil die beiden ihre jeweiligen Launen bestens kennen und daher langmütig ertragen. Nur mit den Frauen hat Hummel so sein Kreuz, zumal in dieser Beziehung auch reichlich Intrigen um seine Person gesponnen werden.

Journalist Riesle ist das genaue Gegenteil zum Zauderer Hummel. Er geht schnell mal mit dem Kopf durch die Wand, oder jedenfalls versucht er es häufiger. Berufsbedingt ist er in Äußerlichkeiten eher schlampig – kein Wunder, dass ihn Thomsen absolut nicht ertragen kann. Aber der Journalist hat eine Nase für Zusammenhänge und gute Geschichten. Im Doppel auftretend sind Hummel und Riesle ein kongeniales Duo – und für die Leser durchaus sympathische Figuren. Die täglichen "Leiden", die Studienrat Hummel in der Reha-Klinik ertragen muss, sind übrigens außerordentlich authentisch geschildert. Das legt die Vermutung nahe, dass mindestens einer der beiden Autoren hier eigene Erfahrungen einfließen lässt – oder es wurde hervorragend recherchiert.

Zuweilen sind die Verwicklungen des täglichen Lebens etwas weitschweifig geschildert, der Roman hat einige Züge einer Kriminalkomödie. Insgesamt bieten Rieckhoff und Ummenhofer aber kurzweilige, solide Unterhaltung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dennoch sollte man den Schwarzwald und seine Menschen schätzen, um den Roman wirklich genießen zu können.

Giftpilz

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