Eine Frage der Gerechtigkeit
- Heyne
- Erschienen: Januar 2011
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- New York: William Morrow, 2009, Titel: 'A matter of justice', Seiten: 330, Originalsprache
- München: Heyne, 2011, Seiten: 464, Übersetzt: Uschi Gnade
Und täglich grüßt das Murmeltier.
In dem beschaulichen Cambury wird, an einem Scheunendach aufgehangen, die Leiche von Harold Quarles gefunden. Quarles war ein erfolgreicher Banker in London und hatte in Cambury einen zweiten Wohnsitz auf den er sich gelegentlich zurückzog. Seine arrogante und selbstherrliche Gutsherrenart machte ihn bei den Dorfbewohnern ebenso verhasst wie sein ständiges Umgarnen zahlreicher Frauen. Selbst seine Ehefrau ließ sich vor ein paar Jahren von ihm scheiden und bewohnte einen eigenen Gebäudeflügel auf dem gemeinsamen Anwesen. Inspektor Padgett, der die Leiche eher zufällig entdeckt, verständigt Scotland Yard und bitte um deren Hilfe. Da Inspektor Ian Rutledge anlässlich einer Hochzeit seines Freundes in der Nähe weilt, wird er mit den Ermittlungen beauftragt.
Rutledge merkt schnell, dass Quarles alles andere als beliebt war. So geben nicht wenige Bewohner ganz offen zu, dass sie sich über dessen Ableben freuen, einige sogar klare Motive gehabt haben, selbst als Mörder in Frage zu kommen. Doch bei aller Offenheit über die Freude von Quarles Tod stoßen die Ermittler auf eine Mauer des Schweigens. Kaum verwertbare Hinweise, selbst die Rekonstruktion des letzten Abends im Leben des Opfers gestaltet sich äußerst schwierig. Padgett, der ebenfalls nicht verhehlen kann über das Ableben Quarles erfreut zu sein, treibt die Ermittlungen alles andere als voran. Er vermutet den Mörder ohnehin in London. Eine gescheiterte Aktienspekulation, bei der einige Anleger eine nicht unbeträchtliche Summe verloren haben, könnte durchaus ein nachvollziehbares Motiv darstellen. Doch neben dieser Spur und den Motiven einiger Dorfbewohner gibt es noch eine dritte mögliche Ursache. Ein Verbrechen, welches viele Jahre zurückliegt…
Tja, was soll man zu dem neuesten Band aus der Ian-Rutledge-Reihe noch schreiben? Dass es sich bei "Charles Todd" um ein Autorenduo, bestehend aus Mutter und Sohn, handelt? Bekannt. Dass es den Ermittler in ein kleines Dorf verschlägt? Bekannt. Dass er dort auf eine Mauer des Schweigens trifft? Bekannt. Dass er ständig Zwiegespräche mit einem Geist führt, ein Überbleibsel aus dem Ersten Weltkrieg? Bekannt. Und so weiter. Die Romane mit dem starrköpfigen Inspektor Rutledge, der noch an den traumatischen Erlebnissen aus dem Ersten Weltkrieg und dem Tod seiner Kameraden zu kämpfen hat, drohen in die Endlosschleife zu geraten. Statt einer Weiterentwicklung, zumindest in der Figur des Protagonisten, ergehen sich die Autoren in Wiederholungen altbekannter Ingredienzien, die aus den vorausgehenden Romanen sattsam bekannt sind. Etwas überspitzt könnte man sagen, kennt man einen, kennt man alle, aber damit würde man "Charles Todd" (wer immer es sein mag) nun auch wieder nicht ganz gerecht werden, denn viele ihrer Leser/innen wollen ja gerade dies. Vertraute Kost aus vertrauter Umgebung. Es ist wie bei einer Musikgruppe, deren CD’s sich alle gleich anhören.
Sieht man über die oben genannten Déjà-vu-Erlebnisse hinweg – beispielsweise weil man zum ersten Mal ein Buch aus dieser Reihe liest – dann ergibt sich ein durchaus spannender Plot, zumal es an Verdächtigen wahrlich nicht fehlt. Gleichwohl werden nicht wenige Leser/innen recht bald ahnen, wohin die Reise geht, sprich wie sich der Fall letztlich auflösen wird. Dass die Geschichte im Jahr 1920 spielt merkt man leider kaum. Die Kriegserlebnisse des Ersten Weltkrieges deuten noch am Ehesten auf diesen Umstand hin. Ansonsten muss der Wagen vor dem Start angekurbelt werden und nur in wenigen Häusern gibt es Telefon. So viel zum "historischen" Anspruch der Geschichte, der gerne höher hätte ausfallen dürfen. Dass die Geschichte zudem in England spielt erschließt sich vor allem aus den für die Insel typischen Personen- und Ortsnamen sowie dem Umstand, dass bei nahezu jeder Gelegenheit Tee getrunken wird. Ansonsten bleibt es eher oberflächlich. Auch hier ist mehr möglich.
Eine Frage der Gerechtigkeit ist vor allem eins, nämlich eine Frage des Geschmacks. Kenner der Serie dürften aufgrund zahlreicher "Wiederholungen" enttäuscht sein, Neueinsteiger könnten vor allem mit der Figur des Hamish ihre Probleme haben. Hierbei handelt es sich um einen schottischen Soldaten, den Rutledge an der Front in Frankreich wegen Befehlsverweigerung erschießen musste. Darüber ist er nie hinweggekommen und führt seitdem seltsam anmutende Zwiegespräche mit diesem. Eine Frage der Gerechtigkeit ist Durchschnittsware und wer den Roman nicht gelesen hat, wird es problemlos verkraften können.
Charles Todd, Heyne
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