Todescode
- Fischer
- Erschienen: Januar 2011
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- New York: Ballantine Books, 2009, Titel: 'Fault line', Seiten: 308, Originalsprache
- Frankfurt am Main: Fischer, 2011, Seiten: 394, Übersetzt: Ulrike Wasel & Klaus Timmermann
No Rain... leider
Alex Treven ist Anwalt der aufstrebenden Sorte. Im Programmierer Richard Hilzoy wittert er seine Chance einen großen Fisch an Land zu ziehen und endlich Partner einer großen Kanzlei in zu werden. Hilzoy hat das Verschlüsselungsprogramm "Obsidian" entworfen, dessen Bedeutung der computertechnisch bewanderte Alex als exorbitant einschätzt. Leider ist er nicht der Einzige und bedauerlicherweise unterschätzt er die zahlreichen Funktionen des kleinen Programms. Was ihm schlagartig bewusst wird, als Hilzoy eine Kugel in den Kopf bekommt, der verantwortliche Patentamts-Mitarbeiter stirbt und er selbst daheim Opfer eines rüden Angriffs wird.
Gut, wenn man einen Bruder im militärischen Dienst hat, den man um Hilfe bitten kann. Zwar ist das Verhältnis angespannt und abgekühlt, aber in der Not spielen solche Kleinigkeiten keine Rolle. Dass Ben Treven alles andere als ein durchschnittlicher Militärangehöriger ist, weiß Alex allerdings nicht. Der staatlich sanktionierte Killer Ben hat gerade ein paar iranische Nuklearwissenschaftler und einen verdächtigen Russen eliminiert, als ihn Alex Hilferuf ereilt. Hin- und hergerissen, doch ohne zu zögern eilt Ben zurück in die USA und nimmt seinen kleinen Bruder und dessen Kollegin Sarah Hosseini in Schutz. Was beiden in letzter Konsequenz gar nicht gefällt. Schon gar nicht, als die ersten Leichen am Wegesrand liegen. Alex und Sarah müssen nicht nur die verborgenen "Obsidian"-Geheimnisse entschlüsseln, sondern auch neue Sichtweisen entwickeln, um ihr Leben zu retten. Doch auch der coole und schlagkräftige Ben muss einige Lektionen zähneknirschend dazu lernen.
John Rain ist ein kurzer Absatz gewidmet; und das ist auch fast schon das Beste, was sich über Todescode, den Einstieg in Barry Eislers neue Reihe um den militärischen Ausputzer Ben Treven, sagen lässt. In den USA ist bereits der zweite Band Inside Out erschienen, während wir Ben und seinen Bruder Alex gerade erst kennen lernen. Sollte sich der Folgeband nicht steigern, wird es eine kurze Bekanntschaft bleiben.
Die ersten hundert Seiten kommt Todescode kaum in die Pötte. Alex Treven und seine Anwaltskollegin Sarah Hosseini werden vorgestellt, ebenso das entscheidende Computerprogramm, während Ben Treven vorführen darf wie effektiv er arbeiten kann. Gleichzeitig breitet Eisler die traurige Familiengeschichte der Trevens weitläufig aus.
Die ganz tolle Schwester Katie verunglückt nach einer Party tödlich, der sportliche Ben, der sie eigentlich heimbringen sollte, aber lieber mit einer Schulfreundin turtelte, bekommt die Schuldzuweisung und flüchtet zum Militär. Der Vater begeht anschließend Selbstmord, die Mutter stirbt einige Zeit später an Krebs. Die beiden Brüder verlieren sich aus den Augen, voller angestauter Wut und gegenseitigen Vorwürfen. So lange bis Alex realisiert, dass es jemand auf ihn abgesehen hat, und er die Hilfe seines großen Bruders braucht. Wie zu Schulzeiten. Damit der Leser nicht vergisst wie es um die unterschiedlichen Brüder steht, wird die familiäre Saga aus unterschiedlichen Perspektiven wieder und wieder gekäut.
Ebenso nervig: Alex und Sarah – die ein wenig plakativ und unbeholfen als geheimnisvolle und starke Frau aufgebaut wird – sind völlig entsetzt über Bens rüdes Verhalten bezüglich ihrer Gegner. So vertreten sie auch unter Beschuss liberale Standpunkte, während Ben das Loblied des Soldaten als wahrem Verteidiger der Freiheit und Demokratie singt. Um jeden Preis. Schön, dass wir während der atemlosen Flucht darüber gesprochen haben. Ebenfalls mehrfach.
So trifft auf jeden Spannungsmoment eine lähmende Fluchtbremse, jede Idee wird gedehnt bis zum Zerreißpunkt und so richtig überraschen weder die wahren Hintermänner der Aktion, noch die finsteren Zusatzfunktionen, die "Obsidian" hinter seinem Verschlüsselungsmechanismus verbirgt. Barry Eisler hat ein Buch über Kryptographie und Computerviren gelesen und gibt uns eine ausführliche Inhaltsangabe. Ist ein bisschen erschreckend, durchaus wissenswert, aber wer offenen Auges durch die Welt- und Mediengeschichte rennt, ahnt, dass in den finsteren Bereichen der elektronischen Datenübermittlung Monster hausen können.
Originell ist am Ende immerhin, dass durch eine Verschiebung der Konstellationen ein wahres Blutbad ausbleibt. So bleibt ein leidlich spannender, aber allzu oft der Dramatik auch hinterher hinkender Thriller, der zudem die sprachliche Eleganz, die Eislers John-Rain-Romane auszeichnete, vermissen lässt. Dass ebenso wenig von Rains kaltem Perfektionismus und tödlicher Kreativität in das Buch eingeflossen ist, verwundert zwar, macht aber deutlich, dass der impulsive Ben Treven ein ganz anderer Typus Killer ist. Eigentlich lobenswert, wenn der Kerl nur nicht so viel jammern würde.
"Für alle Leser von Lee Child", legt der Buchdeckel nahe. Das ist nicht ganz verkehrt. Wenn man einmal einem laufend lamentierenden Jack Reacher ohne Eier begegnen möchte. Für die Verfilmung empfehle ich Tom Cruise. Oh Mist, zu spät.
Barry Eisler, Fischer
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