Moonlight Mile

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2011
  • 4
  • New York: William Morrow, 2010, Titel: 'Moonlight Mile', Seiten: 336, Originalsprache
  • Berlin: Ullstein, 2011, Seiten: 384, Übersetzt: Andrea Fischer
Moonlight Mile
Moonlight Mile
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Jürgen Priester
84°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2010

Ein Ende ist immer ein neuer Anfang

Mit Moonlight Mile setzt der Bostoner Autor Dennis Lehane seine vielgerühmte Kenzie-Gennaro-Reihe nach Jahren der Pause fort und beendet sie gleichzeitig mit dieser Folge.

Siebzehn Jahre sind seit des ersten Auftrittes der beiden smarten Privatermittler in Streng vertraulich vergangen. Der vergleichsweise harmlose deutsche Titel gab nicht im entferntesten wieder, was Autor Dennis Lehane für die künftige Leserschaft in petto hatte. A Drink before the War lautete der amerikanische Originaltitel, der nicht nur sinngebend für das Debüt war, sondern auch programmatisch für die ganze Reihe stand. Cool, clever und hardboiled stürzte sich das Pärchen in die Schlachten, die in den Straßen von Boston ausgetragen wurden. Nach fünf Folgen legte Lehane eine Pause ein und widmete sich anderen Projekten, die seinen Bekanntheitsgrad enorm erhöhten, da zwei von ihnen verfilmt wurden. Nach gut zehn Jahren der Absenz holt er das Duo Kenzie/Gennaro wieder aus der Schublade.

 Moonlight Mile ist nicht gerade die Fortsetzung, aber zumindest der 2. Akt von Kein Kinderspiel. Wer den Roman aus 1998 noch nicht gelesen hat und dies zu tun gedenkt, sollte ihn unbedingt zuerst lesen, denn in MoonlightMile wird das Wer, Weshalb, Warum des damaligen Falles genau benannt. Damals ging es um die Entführung der vierjährigen Amanda McCready, jetzt 12 Jahre später - Amanda ist zu einem erstaunlichen Teenager herangereift ist sie wieder verschwunden. Wer, wenn nicht Patrick Kenzie wäre besser geeignet, sie zu finden, deshalb wendet sich Amandas Tante vertrauensvoll an ihn. Dieser hat aber eigentlich ganz andere Sorgen.

"Not enough meat" - schrieb ein englischsprachiger Leser zum Original von MoonlightMile. Damit wollte er wohl ausdrücken, dass es dieser neuen Folge an Substanz mangele. In gewisser Weise hat er sogar recht, denn Lehane verzichtet freiwillig auf einen verschachtelten fiktiven Plot, sondern orientiert sich mehr an der konkreten amerikanischen Wirklichkeit. Ein konsequente Weiterentwicklung, die in Mystic River schon einmal aufblitze, die im grandiosen Im Aufruhr jener Tag einen vorläufigen Höhepunkt fand, die den Autor jetzt als kritischen Begleiter amerikanischer Politik adelt. Wenn ein Kriegstreiber wie Bush, um seine Freunde im Ölgeschäft und in der Rüstungsindustrie zu bedienen, das Land in den Ruin getrieben hat, mit der Konsequenz, dass jeder fünfte Amerikaner an oder unter der Armutsgrenze lebt, dann ist jede protestierende Stimme bitter notwendig. Lehane spricht eine deutliche Sprache. In Moonlight Mile treffen wir auf einen ganz anderen Patrick Kenzie, der die Erkenntnisse seines Autors reflektiert.

Patrick Kenzie hat mittlerweile seine langjährige Geschäfts- und Lebenspartnerin Angela Gennaro geheiratet; gemeinsam haben sie eine vierjährige Tochter. In einem friedlichen, kleinstädtisch anmutenden Stadtteils Bostons leben sie fast schon ein beschauliches Leben. Angela studiert, steht kurz vor einem Abschluss. Patrick verdingt sich weiterhin als Privatdetektiv. Da das Geld knapp ist, ist Patrick gezwungen, auch Aufträge anzunehmen, die in seinen Augen politisch nicht korrekt sind, was ihm immerwährende Bauchschmerzen beschert. Als nun Amanda McCreadys Tante an ihn herantritt und ihn über das neuerliche Verschwinden ihrer Nichte informiert, nimmt Patrick diese Nachricht mit gemischten Gefühlen auf. Einerseits weiß er, dass bei dieser Suche kaum mit Bezahlung zu rechnen hat, denn Amandas Familie ist ein Fall für sich, andererseits fühlt er sich in Amandas Schuld, da das Ende der damaligen Entführung für Amanda keine rosige Zukunft in Aussicht stellte. Ein brutaler Überfall auf ihn, verbunden mit der deutlichen Warnung, seine Finger von diesem Fall zu lassen, weckt Patricks Widerspruchsgeist. Kaum hat er die ersten Schritte unternommen, steckt er schon mitten drin und die russische Mafia bedroht das Leben seiner Frau und Tochter.

Gewohnt temporeich und mit dem markanten Dialogwitz, diesmal noch bereichert durch die sarkastischen Seitenhiebe auf die amerikanische Innenpolitik, bekommt der Fan der Serie genau das, was er erwartet. Wie eingangs erwähnt, sind Gennaro und Kenzie nicht mehr die Draufgänger von früher, denn sie haben jetzt mehr zu verlieren als ihr eigenes Leben. Die mit dem Älterwerden der Protagonisten einhergehende Nachdenklichkeit eröffnet eine stärkere gesellschaftspolitische Ausrichtung, die besonders den Lesern der ersten Stunde gefallen wird. Lehanes Sarkasmus kommt hier exzellent zum Tragen. Wie könnte man z.B. besser das desolate amerikanische Gesundheitssystem karikieren, als wenn man die ärztliche und medikamentöse Versorgung der Unterprivilegierten in die Hände eines Kriminellen legt: "Wenn die Systeme versagen, Bubba Rogowski fragen!". Nun gut, das ist ein Insiderwitz.

Moonlight Mile ist für mich der gelungene Abschluss einer der besten amerikanischen Krimi-Reihen. Dennis Lehane ist einer der wenigen, der weiß, dass man rechtzeitig einen Schlusspunkt setzen muss, weil man als Autor Gefahr laufen kann, durch ständige Wiederholungen oder Betonung von Nebensächlichkeiten die Achtung der Leserschaft zu verlieren, wie es schon einigen, auch namhaften Kollegen passiert ist.

Natürlich hinterlassen die sympathischen Ermittler dieser Reihe es gibt ja nicht viele ihresgleichen eine Lücke, aber Dennis Lehane hat bestimmt schon etwas in der Hinterhand.

Moonlight Mile

Dennis Lehane, Ullstein

Moonlight Mile

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