Der Panther

  • Droemer Knaur
  • Erschienen: Januar 2011
  • 1
  • London: Orion, 2007, Titel: 'Savage Moon', Seiten: 343, Originalsprache
  • München: Droemer Knaur, 2011, Seiten: 528, Übersetzt: Silvia Visintini
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Michael Drewniok
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2010

Schwarze Katze rächt allerlei Unrecht

Detective Inspector Jon Spicer von der Greater Manchester Police bearbeitet aktuell den Fall eines anonymen Notrufs, der eine blutige Schlägerei auf einem Parkplatz meldete. Die eintreffende Streife fand viel Blut aber kein Opfer. Spicer kann trotzdem einen der Beteiligten ermitteln. Derek Peterson ist allerdings wenig mitteilsam. Der wegen Kindsmissbrauch aktenkundige Mann hatte auf dem Parkplatz nach Sexpartnern Ausschau gehalten, als er verprügelt wurde.

Dass Peterson nicht die ganze Wahrheit sagt, will ihm Spicer zunächst durchgehen lassen. Am nächsten Tag ist Peterson tot: Mit zerfleischtem Oberkörper und herausgerissener Kehle liegt er auf einem anderen Parkplatz unweit dem stadtnahen Moors. Kurze Zeit zuvor hatte man die Farmersfrau Rose Sutton nur wenige Kilometer entfernt ebenso zugerichtet gefunden.

Die Medien horchen auf: Seit jeher werden im weiten, unwegsamen Moor große Raubkatzen gesichtet. Sicher feststellen konnte man sie dort freilich nie. Doch Haare in den Wunden der Leichen lassen sich einem Panther zuordnen. In den Zoos der Umgebung vermisst niemand ein Tier. Spicer glaubt ohnehin an einen Mörder, der eine falsche Spur legen will.

Diese Rechnung könnte aufgehen, denn schnell beginnt sich Panik auszubreiten. Spicer gerät immer stärker unter den Druck nervöser Vorgesetzter und ungeduldiger Reporter. Zusätzlich lenken private Probleme ihn ab: Die gerade geborene Tochter raubt ihm den Nachtschlaf, und Gattin Alice scheint unter Depressionen zu leiden. Der Fall droht dem überforderten Spicer die letzten Kräfte zu rauben. Als der ´Panther´ wieder zuschlägt und kurz darauf der endlich ermittelte Hauptverdächtige tot aufgefunden wird, kann Spicer nicht mehr …

Englischer Krimi von glücklicherweise hoher Stange

Keine Sorge, er fängt sich bald wieder, wobei die Einmischung eines besonders verhassten Vorgesetzten den dringend erforderlichen Energieschub bringt. Zudem gehört der Ärger mit dem Boss, der unterstützen müsste aber stattdessen mobbt & mauert, zur unbedingten Dreiheit des modernen englischen Kriminalromans. Zu dem zählt Der Panther nicht nur, sondern in dem scheint er spurlos aufzugehen: Selten findet man einen Krimi, der so deckungsgleich jede Genrevorgabe erfüllt. Da erstaunt es zunächst umso mehr, dass Der Panther trotz des gänzlich fehlenden Faktors "Originalität" gut unterhält: Solides Handwerk kann ein sprühendes Ideenfeuerwerk durchaus ersetzen.

Um das oben angerissene Thema abzuschließen: Die übrigen Elemente der erwähnten Dreiheit sind natürlich "der Fall" – das Verbrechen an sich – und das Privatleben der Hauptfigur, das Simms vorschriftsmäßig chaotisch schildert. Der Säugling schreit, die Gattin verhält sich wunderlich, die hübsche Kollegin gurrt, der Hund soll aus dem Haus, und Oma hat die Nase voll vom Babysitten: Kein Mainstream-Krimi geht heute mehr ohne Seifenoper; Schaumschläger wie Elizabeth George füllen damit mindestens die Hälfte ihrer ziegelsteindicken Bestseller-Schwarten.

Auch "Der Panther" ist deutlich seitenstärker als nötig geraten. Umfang und Handlung stehen in keinem ausgewogenen Verhältnis zum Plot, obwohl Simms es nicht ausufern lässt: Sein Roman ist immer noch mehr Krimi als Ausschnitt aus der Lebens- und Leidensgeschichte eines englischen Polizisten.

Katzenspuk in nebliger Landschaft

Es beginnt trügerisch als langweilige Routine. Detective Inspector Spicer untersucht eine Schlägerei. Die Schicksal und Chris Simms wollen es, das binnen kurzer Zeit ein Panther umgeht, die Zahl der Leichen sprunghaft wächst und die Spuren bis ins Afrika der 1950er Jahre zurückreichen: Arthur Conan Doyle trifft Henning Mankell, könnte man es beschreiben, nur dass Chris Simms nicht in dieser Liga schreibt.

Der um den Panther kreisende Handlungsstrang erzählt eindeutig die bessere Geschichte. Simms lebt in Manchester; er kennt die Stadt und ihr Umland sowie ihre Bewohner. Auf seiner hochprofessionellen Website gewährt der Autor einen bestätigenden Blick hinter die Kulissen seines Romans.

Wir erfahren dort außerdem, dass Einheimische und Touristen seit vielen Jahren und vorzugsweise in der Dämmerung Panther, Pumas u. a. Großkatzen durch das Moor schleichen sehen. Die Landschaft begünstigt solche Sichtungen. Große Teile der Grafschaft Greater Manchester gehören zum Peak-District-Nationalpark, der sich über weite Teile Mittel- und Nordenglands und über mehrere Grafschaften erstreckt. Die Landschaft wird durch unwirtliche, menschenleere Hochmoore gekennzeichnet, in denen sich sicherlich auch Elefanten verstecken könnten, wenn es den englischen Winter nicht gäbe. Jedenfalls wurde noch niemals eine der ´entdeckten´ Raubkatzen nachgewiesen, was Krypto-Zoologen, UFO-Gläubige und (andere) Spinner nicht davon abhält, an ihre Existenz zu glauben. Das Internet birst vor einschlägigen Websites, die vor allem als gruseliger Einblick in die verbohrte Wirrköpfigkeit erschreckend zahlreicher Zeitgenossen taugen.

Ein Instrument der Rache

Auf seinem zweiten Standbein ruht Simms Garn ein wenig wackeliger. Um dem Plot zur dem Umfang angemessenen Intensität zu verhelfen, greift der Autor räumlich und zeitlich weit aus. Was er dabei mit den Fingerspitzen erwischt, rutscht ihm ein wenig aus der Schreibhand. Was genau damit kritisiert wird, soll und darf hier nicht konkretisiert werden, um dem Leser die Auflösung der Geschichte fair vorzuenthalten. Angedeutet sei hier der Rückgriff auf ein Kapitel der Vergangenheit, das Simms zum Zeitpunkt der Niederschrift stark beschäftigt hat. Dass es nicht gut ins Gefüge dieses Krimis passt, konnte oder wollte er nicht einsehen. Er zog sogar noch eine weitere Subtext-Ebene ein: Zwischen den alten Gräueln, die seinen Mörder zu seinen Taten bringen, schlägt Simms einen Bogen zu jenen Folter-Skandalen, mit denen die US-Armee im Irak 2006 und damit zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Romans unrühmlich von sich reden machte.

Dieses Anliegen – verstärkt durch lange historische Rückblenden – bekommt dem Roman schlecht, da es ihm sichtlich aufgepfropft wird, statt in die Handlung einzufließen. Simms scheut nicht einmal vor einem märchenhaften Epilog zurück, in dem das ´Erbe´ des Mörders – der auch als Historiker beachtliche Qualitäten bewies – zur Veröffentlichung vorbereitet und der Gerechtigkeit zum Sieg verholfen wird. Es wäre hilfreicher gewesen, der Handlung ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu schenken. So wird im Laufe des Geschehens tatsächlich ein Panther im Moor geschossen, wodurch die Gefahr gebannt zu sein scheint. Simms möchte möglicherweise einer Szene aus "Der weiße Hai" seine Referenz erweisen. Leider ´vergisst´ er uns darüber in Kenntnis zu setzen, woher dieses Tier eigentlich gekommen ist; dieser Referent hat jedenfalls trotz intensiven Suchens keine entsprechende Info entdeckt.

Es ist wie gesagt das Handwerk, mit dem Simms nicht nur den Karren aus dem Dreck sondern auch die Aufmerksamkeit seiner Leser auf sich zieht. Er KANN schreiben, er hat einen Sinn für Humor, den er deutlich feiner dosiert als beispielsweise Ian Rankin oder gar Stuart MacBride, und er zeichnet gut Figuren. Auf diese Weise schafft man keine Klassiker aber Unterhaltung, was keineswegs als Negativkritik gemeint ist.

Der Panther

Chris Simms, Droemer Knaur

Der Panther

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