Die Eindringlinge
- Droemer Knaur
- Erschienen: Januar 2011
- 2
- New York: William Morrow, 2007, Titel: 'The intruders', Seiten: 392, Originalsprache
- München: Droemer Knaur, 2011, Seiten: 512, Übersetzt: Reiner Pfleiderer
Wenn die Stimmen im Kopf immer lauter werden
Jack Whalen war einst Cop in Los Angeles. Jetzt wohnt er in der Provinz, hat ein Buch geschrieben – und sitzt vor dem Computer, ohne dass ihm zu seinem zweiten Werk etwas einfällt. Seine Frau Amy ist in der Werbebranche, und die beiden führen scheinbar ein ganz normales amerikanisches Leben. Als ein früherer Mitschüler Jack um Hilfe in einem ungeklärten Mordfall bittet, gerät dieser in einen Strudel rätselhafter Ereignisse. Da ist ein kleines Mädchen, das plötzlich verschwindet und scheinbar merkwürdige Dinge tut. Da ist ein umherreisender Killer, der planvoll Menschen tötet. Und als Jacks Frau zuerst verschwunden ist, und dann doch wieder auf der Bildfläche erscheint, gerät für ihn die Welt völlig aus den Fugen. Sind das alles nur Mißverständnisse – oder steckt eine Art Verschwörung dahinter? Jack ist hochgradig skeptisch, und stolpert dann in einen absoluten Alptraum hinein.
Michael Marshall gelingt es mit diesem Buch, seine Leser auf ganz unterschwellige Weise zu fesseln. Action und offensichtliche Verbrechen streut er in seine flüssig geschriebene Geschichte zunächst eher sporadisch ein. Aber die ständig neuen Wendungen und geradezu permanenten Rätsel, vor denen sein Protagonist und damit auch die Leser stehen, machen geradezu zwanghaft neugierig auf die Fortsetzung der Geschichte. Dabei springt der Autor ständig zwischen zwei Erzählebenen hin und her. Neben der Ich-Perpektive von Jack Whalen werden etliche Episoden erzählt, die zunächst zusammenhanglos erscheinen. Die Verbindung dieser Ereignisse zu Jack ist für den Leser vorerst eher nicht zu durchschauen. Dennoch gelingt es Marshall, seine Geschichte so zu erzählen, dass man deren Bann gezogen wird.
Das Buch ist kein klassischer Kriminalroman, sondern hat eher etwas von einem Mystery-Thriller. Dennoch geht es über weite Strecken um die gute alte Polizeiarbeit. Whalen war zwar kein Detective, aber als Streifenpolizist hat er sein Handwerk gut beherrscht. Gemeinsam mit einem alten Bekannten aus der Schulzeit geht er Ungereimtheiten bei einem Mordfall nach, der für seinen Kumpel Gary Fisher von besonderer Bedeutung ist. Der Autor holt dabei ziemlich weit aus, um die Verbindung der beiden Männer zu schildern, und macht so etwas umständlich deutlich, warum Jack im Grunde nicht an der Sache interessiert ist. Das ändert sich allerdings schlagartig, als er erkennt, dass offenbar seine Frau in die mysteriösen Vorgänge verwickelt ist.
Michael Marshall baut die Spannung in seinem Buch scheinbar etwas umständlich auf, aber irgendwann merkt man als Leser, dass man von der Geschichte gepackt wurde – und kann das Buch kaum noch weglegen. Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass es auch Krimi-Fans gibt, die diesen Thriller nach einem Drittel enttäuscht aus der Hand legen, weil sie etwas anderes erwartet haben. Das wäre allerdings schade, denn im Laufe der Handlung geht der Spannungsbogen ständig nach oben, und in der zweiten Hälfte nimmt auch die Action zu. Durch die Ich-Perspektive von Jack Whalen ist der Leser hautnah dran, bekommt all die Zweifel und düsteren Gedanken des Protagonisten mit. Zuweilen führt das zu Nachdenklichkeit, aber auf jeden Fall laufen einige kalte Schauer den Rücken herunter.
Michael Marshall nutzt geschickt Elemente aus verschiedenen Genres, er mischt Krimi mit Horror und Mystery, und hat so einen wirklich lesenswerten Roman geschrieben. Und das Buch ist nicht gerade eine Strand- oder U-Bahn-Lektüre, sondern erfordert schon volle Aufmerksamkeit. Vor allem im ersten Drittel des Buches muss man bei der Sache sein, um die Ereignisse und Personen gut sortiert zu bekommen, sonst verliert man unter Umständen den Überblick. Wer sich aber auf den merkwürdigen und durchaus ungewöhnlichen Beginn der Geschichte einlässt, wird mit einem besonderen Lesegenuss belohnt.
Das Finale hat es dann wirklich in sich – und ist zugleich schwierig zu beschreiben. Man könnte es als offenes Ende bezeichnen, aber ob es das wirklich ist, bleibt der Fantasie und Vorstellungskraft des Lesers überlassen. In jedem Fall passt der Ausgang gut zu der gesamten Geschichte. Michael Marshall ist ein guter Geschichten-Erzähler, der seine Leser an der Hand nimmt und sie durch eine zuweilen schaurige Story geleitet. Und am Ende lässt er dann eben genug Raum für eigene Interpretationen. Das mag man mögen oder nicht – gelungen finde ich es in jedem Fall.
Michael Marshall, Droemer Knaur
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