Du wirst sein nächstes Opfer sein
- Droemer Knaur
- Erschienen: Januar 2012
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- -: -, 2011, Titel: 'Remote', Originalsprache, Bemerkung: nur als Kindle-E-Book erhältlich!
- München: Droemer Knaur, 2012, Seiten: 320, Übersetzt: Simon Weinert
Benötigt ein Folter-Rächer einen Killer-Partner?
Seit der geniale aber irre "Patron" seine Familie auslöschte, ist Jack Salter, ehemals Künstler, zum "Closer" geworden: Er stöbert Serienkiller und andere Kapitalverbrecher auf, die dem Gesetz dank ihres Geschicks oder eines guten Anwalts durch die Maschen schlüpfen konnten, und foltert ein Protokoll ihrer Untaten aus ihnen heraus. Diese Unterlagen gehen anonym an die Polizei, während Jacks Opfer in einem ebenfalls anonymen Grab enden.
Auch Killer gehen mit der Zeit: Jacks ´Schöpfer´, der "Patron", hat eine Website eingerichtet, auf der sie miteinander kommunizieren können. Nachdem Jack den "Patron" liquidierte, nutzt er diese Plattform, um jene, die sich dort melden, in seine Falle zu locken. Aktuell in seinem Visier ist "Remote", der für sich in Anspruch nimmt, wie Jack einen Kreuzzug gegen das Böse zu führen, und deshalb sein ´Partner´ werden möchte.
Jack hätte durchaus nichts gegen Unterstützung, doch ihm missfällt "Remotes" Methode: Dieser fängt sich Männer und Frauen, deren Gehirne er tüchtig wäscht und die er dann in ein Geschirr steckt, das mit einer Hightech-Überwachungsanlage, einem Elektro-Schocker und viel Sprengstoff ausgerüstet ist, um sie schließlich als "Drohne" mörderisch gegen das eigentliche Ziel zu schicken.
Solche Instrumentalisierung outet "Remote" selbst als Soziopathen, argwöhnt Jack, der seinen ´Partner´ deshalb ausschalten will. "Remote" schlägt einen Handel vor: Er liefert Jack eine seiner "Drohnen" aus, wenn dieser ihm dafür eines seiner Opfer überlässt: "Remote" will feststellen, wie Jack ´arbeitet´. Hier bietet sich Jack die Chance, an "Remote" heranzukommen: Er gibt sich als sein Opfer aus und wird als solches in "Remotes" festungsartiges Hauptquartier geschafft. Dort stellt sich heraus, dass "Remote" nicht nur misstrauisch, sondern auch schlauer ist als Jack dachte …
Die Tücken übertriebener Selbstjustiz
Mit The Closer bereitete Donn Cortez dem durch persönliches Leid zum Rächer gewordenen Künstler Jack Salter 2004 einen viel beachteten ersten Auftritt. Vor allem unterhaltsam aber auch reflektierend entwarf er eine Figur, die im Kampf mit Monstern aus freien Stücken selbst zum Monster geworden war. Dieser Prozess hatte keinen gefühlstoten Folterknecht und keine gewissenlose Kampfmaschine entstehen lassen. Jack Salter wurde als gebrochener Mensch geschildert, der in der selbst gewählten Mission endgültig zugrundezugehen drohte.
Sieben Jahre ließ Cortez den "Closer" ruhen, was kaum verwundert, da es schwierig bis unmöglich war, die Geschichte des Jack Salter überzeugend fortzusetzen. Cortez stellt es mit Du wirst sein nächstes Opfer sein selbst unfreiwillig unter Beweis. (Für den nichtssagend-dämlichen deutschen Titel ist er aber nicht verantwortlich.) Er verlässt sich auf sein handwerkliches Geschick als Geschichtenerzähler im Dienste diverser Franchises, für die er rasch und zuverlässig Lesefutter produziert, und stellt es in den Dienst der eigenen Figur.
Auf der Strecke bleibt dabei jeglicher Subtext, der The Closer über den üblichen Folter-&-Metzel-Unfug à la Chris Carter hinaushob. "Du wirst …" präsentiert nicht nur eine simple, sondern eine eindimensionale Story, die durch Klischee-Action, Geisterbahn-Bösewichte sowie den Plot nicht bereichernde, sondern überflüssige, nur die Seitenzahl verlängernde Nebenhandlungen auf Spannung und Tempo getrimmt werden soll. Cliffhanger-Kapitelenden und schnelle Schauplatz-Wechsel sollen zusätzlich für jene Dynamik sorgen, die Du wirst sein nächstes Opfer sein gänzlich abgeht.
Wie soll das gehen?
Schlampige Arbeit ist man von Donn Cortez auch in seinen Auftragsarbeiten eigentlich nicht gewohnt. Umso verwunderlicher sind die gewaltigen Logiklöcher, die er hier entweder ignoriert oder durch das Höllentempo, mit dem er die Handlung vorantreibt, zu überwinden gedenkt.
Glaubt jemand, dass "Remotes" Hightech-Geschirre tatsächlich zur Tag-und-Nacht-Fernsteuerung der "Drohnen" taugen? Dass diese – nach dem Mord, für den sie abgerichtet wurden, großherzig freigelassen – tatsächlich den Mund halten? Sogar das Geschirr selbst entsorgen? Wie effektiv ist es, für jeden Lumpen-Kill eine neue "Drohne" zu fangen und ´auszubilden´? Wie wahrscheinlich, dass jeder Mord gelingt und die "Drohne" alle Spuren verwischen kann, die auf "Remote" hindeuten?
Freilich fällt "Remote" in die Klasse jener Hannibal-Lecter-Über-Killer, die mit traumwandlerischer Sicherheit wissen und einplanen, was ihren Gegnern durch die Köpfe geht. "Remote" verfügt über einen logistischen Background, um den ihn die CIA beneiden müsste. Schon Bau und Einrichtung seiner Labor-Burg dürfte nur unbemerkt geblieben sein, wenn "Remote" die beauftragten Architekten, Lieferanten und Arbeiter wie weiland die ägyptischen Pharaonen nach getanem Job über die Klinge hat springen lassen.
Monster vs. Anti-Monster
Auf der anderen Seite steht der "Closer", dessen ´Organisation´ kaum überzeugender wirkt. Sie besteht aus Jack und seiner Assistentin Nikki, die ihm außerdem wie Jiminy Cricket Disneys Pinocchio als Gewissen dient und um der dramatischen Wirkung willen eine taffe Nutte ist. Außerdem gibt es eine ´geheime´ Website, auf der sich publicitysüchtige Super-Strolche outen können. Obwohl Jack auf strengste Geheimhaltung angewiesen ist, kennt sogar Biker-Tölpel Goliath den "Closer", der zu einem Mythos geworden ist, den Autor Cortez vor allem behauptet.
Richtig ärgerlich stimmt Cortez´ schon erwähnte Zeilenschinderei. Mehrfach werden Figuren eingeführt, deren Existenz und Handeln zur Handlung kaum oder gar nicht beitragen. Einen aufwändig entführten Schurken lässt Nikki mit dem Versprechen, von jetzt an ein braver Junge zu sein, sogar einfach wieder laufen, weil es in unserer Geschichte keine Verwendung mehr für ihn gibt!
Einen Schatten der ursprünglichen "Closer"-Thematik bieten die Diskussionen zwischen Jack und "Remote". Auch hier wird selbstverständlich viel Klischee-Stroh gedroschen. Wenigstens hat Cortez eine Idee, die glaubhaft begründet, wieso Jack seinem Gegner dessen Geheimnisse nicht durch Folter abpressen kann. Er muss alternativ planen. Was dabei herauskommt, ist einmal mehr unlogisch, bietet dem Leser aber endlich im Ansatz die ersehnten Überraschungen.
Vom Ursprung des Blöden
Liegt die enttäuschende Qualität dieser Fortsetzung in ihrer Veröffentlichung begründet? Der geschäftstüchtige Cortez setzt als Schriftsteller längst nicht mehr auf den klassischen Buchhandel. Unter dem Pseudonym D. D. Barant begann er 2009 eine Serie von Mystery-Thrillern, die zunächst und womöglich ausschließlich als eBooks veröffentlicht werden. Auch Du wirst sein nächstes Opfer sein erschien 2011 in diesem Medium, das gegenüber dem gedruckten Buch auch deshalb im Aufwind ist, weil es nachdrücklich beworben wird. Exklusive eBook-Verbrauchsliteratur kann dabei helfen, wenn sie dem größten gemeinsamen Leser-Nenner folgt und hohe Käuferzahlen generiert.
Cortez liefert, wofür er bezahlt wird. Du wirst sein nächstes Opfer sein zeigt, dass ihm dabei der Redaktionsschluss wichtiger als das Produkt ist. So wundert es kaum, dass dieser Roman nicht mit einem "Ende", sondern mit einem weiteren Cliffhanger ausklingt: Siehe da, der "Patron", den Jack in Band 1 blutig zur Strecke gebracht hat, schickt eine Mail: Er ist wieder da und fit für "Closer III"! Wie kann das logisch sein? Nur Spielverderber stellen solche Fragen! Viel wichtiger ist dem entsprechend geeichten Publikum, dass weiter gefoltert, getückt und gekillt wird!
Donn Cortez, Droemer Knaur
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