Chanson des Todes
- BLT
- Erschienen: Januar 2010
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- Paris: Masque, 2008, Titel: 'Dame de carreau', Seiten: 304, Originalsprache
- Bergisch-Gladbach: BLT, 2010, Seiten: 381, Übersetzt: Christiane Landgrebe
Tortour de France
Manchmal fehlen einem nach der Beendigung der Lektüre eines Buches einfach die Worte. Man klappt es zu und fragt sich, was hat sich der Autor wohl dabei gedacht, denn, dass er sich Gedanken gemacht hat, steht außer Frage. Doch was sagt man zu einer Mordermittlung bar jeder Logik, die nur auf Zufallsentdeckungen basiert, zu Motiven, die an den Haaren herbeigezogen sind, zu Gefühlen, die schmierenkomödiantischer nicht zu können? Dabei liest sich der Klappentext (s.o.) doch gar nicht so schlecht. Doch Klappentexte dienen nicht zur ehrlichen Information, sondern sollen einen potenziellen Leser zum Kauf animieren. Da nimmt man es mit der Wahrheit mal nicht so genau. Dass hier keiner keinem irgendwelche Lieblingslieder vorspielt, ist von minderer Bedeutung, zeigt aber, dass auch der Verlag sich nur sehr oberflächlich mit dem Inhalt des Buches beschäftigt hat. So ist schon der Titel Chanson des Todes reine Makulatur, klingt aber natürlich besser als "Karo Dame", den das französische Original vorschlägt.
Alexis Lecaye ist in Frankreich vermutlich besser bekannt durch seine Arbeiten beim Fernsehen als durch seine Kommissar Martin-Romane. Sollten die Vorgänger von Chanson des Todes ähnlichen Kalibers sein, na denn: Bonne Nuit!
Bei seinem dritten Auftritt ermittelt Monsieur le Commissaire wieder einmal gegen einen Serienmörder. Die Franzosen nennen sie tueurs en série, das ist doch schon mal eine schöne Abwechslung. Jahr für Jahr werden in Krimis und Thrillern bestimmt über 100 Serienkiller dingfest gemacht oder auf andere Weise ausgeschaltet. Doch scheint diese Spezies nicht aussterben zu wollen. Da darf die Grande Nation nicht hinten anstehen.
Genretypisch ist schon der Einstieg: Junge Frau wird gekidnappt und ein paar Seiten später liegt sie nackt, gefesselt, mit einer Haube über dem Kopf auf einem mit einer Plastikplane bedeckten Tisch. Der große Unbekannte scharwenzelt um sie herum und stellt ihr Fragen zu ihrem Sexualleben. Man fürchtet das Schlimmste – doch dann lässt er sie frei. Vielleicht haben ihm ihre Antworten nicht gefallen oder er hatte einfach kein Bock mehr. Am Ende der Geschichte wissen wir hoffentlich mehr.
Kommissar Martin, der irgendwie für alles zuständig zu sein scheint, wie man sehen wird, übernimmt den Fall. Zusammen mit seiner Assistentin Jeannette befragt er Veronique Legat über die Einzelheiten ihrer Entführung. Aber diese kann sich an nichts "Sachdienliches" erinnern. Jeannette fehlt leider ein Nachname, aber dafür ist sie eine ganz Fixe. In Nullkommanix hat sie aus dem Wust der als verschollen gemeldeten Frauen genau die richtigen herausgefiltert, so dass sie behaupten kann, "dass Veronique Legat das siebte Opfer eines Mannes ist, der nach fünf Jahren mindestens fünf Frauen auf dem Gewissen hat." Chapeau, Jeannette! Wir ziehen den Hut!
Die potenziellen Fälle sind in der ganzen Republique verstreut, deshalb starten Martin und Jeannette zu einer Tour de France. um die Hinterbliebenen zu befragen. Die beiden müssen feststellen, dass es außer blond, gebildet, Mitte Dreißig keine augenscheinlichen Gemeinsamkeiten unter den verschwundenen Frauen gibt. Jeannette verguckt sich zu ihrem (unserem) Leidwesen auch noch in einen der zurückgebliebenen Ehemänner und besucht ihn noch einmal privat. Ganz die Ermittlerin schnüffelt sie in seiner Abwesenheit durch sein Haus und entdeckt in einem Fotoalbum einen Hinweis, dass er noch eine andere Verschwundene kannte. Er wird vom Liebhaber zum Verdächtigen, was Jeannette in arge Gewissenskonflikte bringt.
Derweil hat sich in der "Stadt der Liebe" auch so einiges getan. Veronique Legat wird erneut vom Täter attackiert und das im Beisein von Kommissar Martin. Dieser fühlt sich jetzt besonders für Veronique verantwortlich, was ihm sehr entgegen kommt, hatte er eh ein Auge auf die attraktive Blondine geworfen.
Wie man sieht gehen in Frankreich die Uhren anders. Da verknüpfen die beiden Kommissare gerne das Berufliche mit dem Privaten, dabei ist ihr Privatleben schon vorher recht kompliziert gewesen. Jeannette ist alleinerziehende Mutter und muss ihre Tochter ständig irgendwo unterbringen. Martin lebt getrennt von der Mutter ihres vor kurzem geborenen Sohnes, muss ausgerechnet jetzt Vaterpflichten erfüllen. Ce n´est pas la vie en rose. Wenigstens haben die zwei in der Arbeit Glück. Der zufälligste Zufall will es, dass sie auf eine winzige Kleinanzeige gestoßen werden, die möglicherweise alle Fälle miteinander verbinden kann. Es geht voran und am Ende kann sogar durch Jeannettes bedingungslosen körperlichen Einsatz der Mörder entlarvt werden.
Chanson des Todes ist eine äußerst wirre Geschichte über Polizeiarbeit im allgemeinen und Serienmördersuche im speziellen. Mal davon abgesehen, dass die Ermittlungsmethoden sehr unglaubwürdig dargestellt werden, ist es besonders das private Chaos der Protagonisten, was fortwährend nervt. Man hat den Eindruck, dass sich hier ein Club der Alleinerziehenden getroffen hat, deren real existierenden Probleme der Rezensent nicht herabwürdigen will. Doch allein ihr geballtes Auftreten hier macht die Story grotesk. Die private Komponente in einem Thriller sollte dazu dienen, beim Leser ein Gefühl für die handelnden Personen zu entwickeln, nicht sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Was Alexis Lecaye ihnen und uns zumutet, übersteigt die Grenze des Akzeptablen.
Dazu ein Mörder ohne Motiv, selbst ohne die schiere Lust zu töten, vor allem ohne die Zeit, nur einen einzigen der Morde ausführen zu können, da er angeblich die Opfer Wochen und Monate vorher ausspioniert. Bei solchen Widersprüchen hofft man als Autor wohl auf die Vergesslichkeit der Leser, wenn er dann am Ende das Kaninchen aus dem Hut zaubert.
Dieser Roman ist kein Serienkiller-Thriller, sondern ein Serienthriller-Killer!
Alexis Lecaye, BLT
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