Level 26 - Dunkle Prophezeiung
- Bastei Lübbe
- Erschienen: Januar 2011
- 5
- New York: Dutton, 2010, Titel: 'Dark prophecy', Originalsprache
- Köln: Bastei Lübbe, 2011, Seiten: 6, Übersetzt: Udo Schenk
- Köln: Bastei Lübbe, 2013, Seiten: 448, Übersetzt: Alex Merz
Instant-Thriller – bitte heißes Wasser zugießen
Einst war Steve Dark Star-Ermittler der "Special Circumstances Division", einer vom US-Justizministerium eingerichteten Einheit, die sich um jene Super-Verbrecher kümmert, die sowohl der Polizei als auch dem FBI und anderen Behörden durch die Finger schlüpfen. Darks letzte Jagd endete in einem Desaster; der Serienkiller Sqweegel ermordete seine Gattin und trieb ihn beinahe in den Wahnsinn. Um seiner überlebenden Tochter Sibby ein Vater sein zu können, quittierte Dark den Dienst.
Doch er ist nun einmal der geborene Ermittler. Seinem neuen Job als Dozent geht Dark deshalb nur lustlos nach, und Sibby ´parkt´ er bei den Großeltern. Privat hält er seine Datenbank psychopathischer Mörder auf dem neuesten Stand und sehnt sich im Grunde zurück ins "Special-Circs"-Team. Dieses Tor bleibt ihm jedoch verschlossen, wie Dark erfahren muss, als er seine Hilfe in einem aktuellen Fall besonderen Wahnsinns anbietet: Ein Killer ´arbeitet´ nach dem Vorbild des Tarot-Spiels!
Die Motive der einzelnen Karten werden mit auserlesener Liebe zum möglichst scheußlichen Detail und unter Einsatz unfreiwilliger Darsteller umgesetzt. Der Mörder arbeitet schnell – so schnell, dass Dark bald ahnt, dass hier mehr als ein Täter sein Unwesen treibt. Er kann seinen Vermutungen Ermittler-Taten folgen lassen, denn eine neue Frau tritt in sein Leben: Lisa Graysmith gehört zum US-Geheimdienst. Seit ihre Schwester einem Serienkiller zum Opfer fiel, ist sie besessen von der Jagd auf freifüßige Soziopathen, die sie um jeden Preis aus dem Verkehr gezogen sehen will.
Graysmith macht Dark ein Angebot, das dieser nicht ausschlagen kann: Er wird sich ihrem Feldzug anschließen und erhält im Gegenzug Unterstützung und Schutz vor der "Special-Circs", wo man argwöhnisch Darks Nachforschungen verfolgt und den ehemaligen Kollegen sogar zu verdächtigen beginnt. Die wahren Täter nutzen die Uneinigkeit der Jäger geschickt aus, um das apokalyptische Finale ihrer Mordserie vorzubereiten …
Das Böse zum Quadrat?
Das Subgenre Killer-Thriller steckt eindeutig in einer Sackgasse. Seit Hannibal Lecter auf der Bildfläche erschien, sind allzu viele geniale (oder genialische) Serienmörder über uns gekommen. Schon lange müssen sie so viel Grips in neue Scheußlichkeiten und raffinierte Meuchel-Pläne investieren, dass ihre Morde eher ein Abfallprodukt darstellen. Sämtliche Möglichkeiten sind im Grunde ausgelotet, die Grenzen zu Unlogik und Lächerlichkeit werden um des Effektes willen immer öfter überschritten.
Das Autoren-Duo Anthony E. Zuiker und Duane Swierczynski will unverdrossen die überdrehte Schraube noch einige Windungen weiterquälen. Im ersten Band ihrer Serie um den ebenso findigen wie tragischen Ermittler Steve Dark – der Name ist im Simpel-Thriller seit jeher auch Programm – postulierten sie 2009 unter möglichst lautstarkem Mediengetöse eine ganz neue Klasse von Super-Killern, die eigentlich nur noch Superkräfte besitzen müssten, um sich im "Marvel"- oder "DC"-Universum heimisch zu fühlen.
Immerhin gelang Zuiker/Swierczynski mit der Silikon-Schabe Sqweegel eine Killerfigur, die in ihrer grotesken Überzeichnung unterhalten sowie über die Tatsache hinwegtrösten konnte, dass Dark Origins (Level 26 – Dunkle Seele) ein aus Klischees zusammengeschusterter bzw. zum stromlinienförmigen Bestseller kaltgeschmiedeter Reißbrett-Thriller war.
Inflation der Super-Killer
Schon mit dem zweiten Band der Serie ist das Pulver endgültig verschossen. Eine übermenschlich kluge aber böse und unheimliche Killer-Figur glänzt in Dunkle Prophezeiung durch Abwesenheit. Schon bevor sich der Tarot-Mörder als Duo entpuppt, fragt sich der Leser, wieso er in die Unhold-Kategorie "26" fällt. Nach Tarot-Karten zu morden, ist definitiv ein alter Hut, und die Umsetzung weckt keinen Schrecken, da diese Morde in keiner Weise originell sind. Wieder einmal sollen Übeltaten vor allem plakativ wirken, während der schließlich enthüllte Gesamtplan in Sachen Logik zum Fremdschämen einlädt.
Recycling prägt Dunkle Prophezeiung bis in die letzte Zeile. Zuiker/Swierczynski schrecken vor keinem (faulen) Trick zurück, um Spannung (oder was sie dafür halten) zu generieren. Schon der Prolog ist dreist: Er hat mit der folgenden Handlung rein gar nichts zu tun, sondern bereitet Sqweegels Rückkehr in einem noch folgenden Band vor. Ebenso nutzlos sind elf kostengünstig im "CSI-Stil" produzierte und über eine eigene Website (www.level26.com) abrufbare Filmchen ("cyber bridges"), die vor allem Tarot-Wahrsagerin Hilda zeigen, wie sie Steve Dark allerlei mystischen Mumpitz über die Karten erzählt.
Für Dramatik sorgt leider nicht die lahme Story, was kurze Kapitel – 98 insgesamt! (plus zwei Epiloge) – und ständige Sprünge von Schauplatz zu Schauplatz ausgleichen sollen. Dabei bedienen sich Zuiker/Swierczynski gern des ehrwürdigen Cliffhanger-Prinzips und verlassen ihre Figuren vorzugsweise dann, wenn ihnen gerade etwas Überraschendes zustößt. Knüpfen sie später an diese Stellen an, geht es selten so dramatisch wie vorgegeben weiter.
Killerjagd als 3D-Puzzle
Wenn im Finale die Masken fallen, fragt sich zumindest der nicht von Zuiker/Swierczynski eingefangene Leser noch einmal eindringlich, auf welche Weise es zwei solchen Spinnern wie den Tarot-Killern – die sich eigentlich schon in der ersten Telefonzelle rettungslos hätten verirren müssen – gelingen konnte, ihren kruden Plan in die Realität umzusetzen und ihre Verfolger so lange zu narren. Vermutlich war es hilfreich, dass die Jäger primär damit beschäftigt waren, einander zu umkreisen, zu verdächtigen und sich in albernen Kompetenzrangeleien der Gattung "Wer hat den Längsten?" zu messen. Ansonsten rast oder fliegt man stets unter Hochdruck kreuz und quer durch die USA, um Tatorte in Augenschein zu nehmen oder anderweitig wichtig zu tun.
Der geniale Steve Dark stellt sich dabei prinzipiell so ungeschickt an, dass er bald zum Hauptverdächtigen aufgestiegen ist. Allerdings sind die angeblichen Spezialisten von "Special Circs" sogar noch dümmer. Übertroffen werden sie von einem Justizminister, der notfalls seine "schwarzen" Spezialisten ausschickt, um unbotmäßige Untergebene durch Folter wieder auf Kurs zu bringen. Falls Zuiker/Swierczynski damit modische Systemkritik demonstrieren wollten, sind sie abermals schmählich gescheitert.
Fortschritte werden selten aufgrund langweiliger Fahndungsroutinen und -techniken erzielt. Geistesblitze sorgen für Quantensprünge. Meist entzucken sie Steve Darks Hirn, der auf diese Weise seinen Status als Mastermind unterstreicht. Im ehemaligen Folterkeller eines entlarvten Killer-Arztes hat er seine Bat-Höhle eingerichtet, die er mit aus FBI-Müll geklaubtem aber scharfsinnig neuverschraubtem Ermittlungsgerät ausstaffiert hat. Selbstverständlich kann Dark auch außer Dienst weiterhin auf sämtliche relevanten Online-Daten zurückgreifen. Notfalls greift er auf sein eigenes Archiv zurück, denn er hat sorgfältig die Akten sämtlicher Fälle kopiert, an denen er beteiligt war.
Siehe: ein Mensch!
Noch peinlicher als Steve Dark, der Ermittler, ist Steve Dark, der Mensch. Da ist zunächst die mysteriöse Herkunftslegende, die Zuiker/Swierczynski ihrem Helden ungelenk aufprägen: Wie es scheint, gibt es gar gruselige genetische Verbindungen zwischen Sqweegel und Dark. Die Verfasser beschränken sich auf vielversprechendes Geraune und verlegen die Aufklärung in die Zukunft, was es erforderlich macht, auch die nächsten Bände ihrer Serie zu erwerben.
Dann ist da Steve Dark, der Witwer. Selbstverständlich war die tragisch geendete Gattin die Liebe seines Lebens, die noch viele Jahre nach ihrem Tod besitzergreifend in seiner Seele nistet. Aber siehe, es naht Lisa Graysmith, eine ähnlich vom Schicksal gebeuteltes Menschenkind. Es kommt, wie es kommen muss: Eine neue Liebe erblüht, die natürlich durch den Fall, besitzergreifende Vorgesetzte oder das in solchen Geschichten generell missgünstige Schicksal sogleich hart geprüft wird. Diese Prüfungen verbergen aber nicht, dass Zuiker/Swierczynski überfordert damit sind, zwischen Dark und Graysmith (Achtung: erneute Namen-Symbolik!) Funken sprühen zu lassen.
Kann Dark wenigstens als Vater glänzen? Hier greifen die Autoren – man kann es vielleicht feiner aber einfach nicht zutreffender ausdrücken – besonders tief ins Klo. Mehr als 100 Seiten müssen wir die weinerlichen Selbstanklagen des überforderten Helden ertragen, der sein Töchterlein über alles liebt und dennoch nicht um sich haben will. Glauben Zuiker/Swierczynski tatsächlich, Dark auf diese Weise emotionale Tiefe zu verschaffen? Es misslingt – schon wieder – und fügt sich damit harmonisch in einen deprimierenden Schema-F-Thriller ein, der routiniert aber absolut ideenfrei und leblos eine x-beliebige Killer-Mär auftischt.
Anthony Zuiker, Bastei Lübbe
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