Die Frau vom Meer
- Hoffmann & Campe
- Erschienen: Januar 2000
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- Hamburg: Hoffmann & Campe, 2000, Seiten: 3, Übersetzt: Hannelore Hoger, Bemerkung: gekürzt
- München: Goldmann, 2002, Seiten: 251, Originalsprache
- Frankfurt am Main: Fischer, 2011, Seiten: 254, Originalsprache
Eine matte, farblose Geschichte
Drei Jahre hat Bella Block ein Leben im fernen, chaotischen Sibireien versucht, bis sie schließlich den unablässigen tagtäglichen Kampf gegen das soziale Elend und die kaum mehr versteckte Anarchie in einer vergessenen Weltenregion aufgibt und an das heimatliche Elbufer zurückkehrt. Diese Jahre fernab deutscher Ordnung werden im vorliegenden Buch lediglich in Form eingetreuter Erinnerungssplitter umrissen, doch die genügen, um dem Leser schnell deutlich zu machen: kein Leben für komfortgewöhnte Mitteleuropäer!
Und grade als Bella das Verzehren ihres üppigen Erbes wieder aufnehmen will, wird sie von Kranz, Polizeipsychologe und Peripher-Lover, aufgesucht. Kranz wünscht ihren erfahrenen Rat in einem Mordprozeß, der grade mit hektischem Mediengetöse begonnen hat. Letzteres ist kein Wunder, denn die Angeklagte ist medienwirksam jung und schön und hat einen assoziativ weiträumigen Namen - Lara. Sie wird des brutalen Mordes an ihren drei Kindern beschuldigt, aber trotz einer erdrückenden Indizienlage schweigt die Schöne beharrlich. Der Ausgang des prozesses scheint lediglich Formsache zu sein, doch Kranz plagen Restzweifel an der Schuld der Angeklagten und so tut ihm Bella den Gefallen und drängelt sich mit vielen anderen sensationslüsternen Prozessbeobachtern in den Gerichtssaal.
Tja, im wesentlichen war’s das schon mit dem Inhaltsreferat, abgesehen vielleicht von einem kurzen turbulenten Zwischenspiel mit einem albanischen Mafiaboß, den Bella als Rächerin des zum behinderten geprügelten Eddy kurzerhand umbringt. Natürlich gibt es zum Ende des Prozesses ein Urteil, doch das sei jetzt hier mal verschwiegen, um den wild entschlossenen Lesern ein wenig Spannung zu erhalten.
Ein bischen Court Crime also mit einem Schuß Ladykiller - und sonst ? Nun, der unerschrockene Leser wird über eine unwegsame Patchwork-Landschaft tages- wie weltpolitischer Ansichten der Autorin krabbeln müssen. Sowas wäre ja durchaus akzeptabel, wenn es griffig, prägnant oder vielleicht gar geistreich serviert würde. Ansonsten bitte in homöopathischer Dosis ! Leider hält sich die Autorin weder an das eine noch andere. Ihr moralischer Zeigefinger ist derart ausladend, dass er selbst von Lese-Blindschleichen nicht mehr zu übersehen ist.
In diesem Meinungsgemischtwarenladen - und jetzt begebe ich mich in vollem Bewußtsein auf vermintes Gelände - nimmt die feministische Abteilung den größten Raum ein. Und durch diese Brille sieht sie nun prosperierende Rüstungsunternehmen und die neue Lust am Krieg - endzeitliche Pervertierungen einer patriarchalischen Gesellschaft.
Die generationenübergreifende Unterdrückung dere Frauen und ihr Assimilierungsprozeß an die gewaltdominierte Männerwelt....hallohallohallohallo - ich wollte eigentlich einen Krimi lesen ! Erklärungsversuche der Motive und Handlungszwänge von Müttern, die ihre Kinder ermordet haben. Glaubt man der Autorin, dann soll ja neuesten Forschungen zufolge Medea ihre Söhne garnicht umgebracht haben - vielmehr sei es Finsterling und Gatte Jason gewesen. Mit der literarischen Fixierung dieses Mythos habe der griechische Dichter Euripides den Beginn des patriarchalischen Zeitalters angestoßen. Man kann mit solchen Thesen ja durchaus Kolloquien und TV-Talkshows unsischer machen - einen Krimi sollte man allerdings möglichst nicht darum bauen.
Und so wirkt diese Buch dann auch: eine matte, farblose Geschichte und die Hauptfigur Bella umgibt eine seltsam fahrige, distanzierte Ausstrahlung. So, als hätte die Autorin seit dem letzten Bella-Block-Roman eine mehrjährige Schaffenpause eingelegt und versuchte nun tastend wieder ihren alten Stil zu finden. Aber so ist es ja nun mal nicht. Vielleicht hat die Autorin ihre mittlerweile ja berühmt gewordene Hauptfigur verbraucht ? Ein schrecklicher Gedanke, aber ich werde ihn nicht mehr los...
Doris Gercke, Hoffmann & Campe
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