Ein Fall mit Liebe

  • Hoffmann & Campe
  • Erschienen: Januar 1994
  • 1
  • Hamburg: Hoffmann & Campe, 1994, Seiten: 223, Originalsprache
  • München: Goldmann, 1996, Seiten: 251, Originalsprache
  • München: Goldmann, 2001, Seiten: 220, Originalsprache
  • Köln: Naumann & Göbel, 2005, Seiten: 192, Originalsprache, Bemerkung: Großdruck
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1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Raffiniert konstruierte Geschichten sind Doris Gerckes Sache nicht

Bella Blocks Mutter Olga ist Altkommunistin und macht wenig Hehl aus ihrer ungebrochen glühenden Verehrung für Marx und Engels. Eine gleichaltrige Nachbarin ist das genaue Gegenteil; eine verstohlene Anhängerin der in den Untergrund versunkenen großdeutschen Werte. Und so ist es mehr als erstaunlich, dass just diese Nachbarin an Olgas Wohnungstür klopft mit einem Auftrag für Bella: ihre Tochter habe sich auf Spurensuche nach der Familiengeschichte begeben und sei von ihrer Reise nach Mecklenburg-Vorpommern nicht zurückgekehrt.

Eigentlich würde Bella ja viel lieber in Muße ihre üppige erbschaft verzehren, doch sie läßt sich schließlich breitschlagen und fährt los - schließlich hat die Frau ihre Menschenneugier nicht verloren.

Sie betritt einen desolaten Landstrich, bevölkert von desillusionierten, mißtrauischen Menschen. Bis auf eine uralte Gardarobenfrau erweisen sich die Dorfbewohner als überaus schweigsam und so ist Bella mehr denn je auf ihre Ahnung angewiesen. Und die scheint in der Tat wahrlich außergewöhnlich zu sein, denn nur sie und weniger akribische Nachforschungen führen Bella schließlich zu den Umständen einer finsteren Tat: wie schon der Leser zu Beginn des Buches erfahren konnte, wurde jene Tochter von einem ortsansässigen Gastwirt ermordet und beiseite geschafft. Das Motiv der Tat enthüllt sich dann allerdings für Bella und den Leser zeitgleich: es führt zurück zu hastig kaschierten Exzessen während der letzten Kriegstage 1945.

Raffiniert konstruierte Geschichten sind Doris Gerckes Sache nicht - und bei dieser hier merkt man das mal besonders deutlich. Sie ist mit Verlaub gesagt läppisch. Derlei Konstrukte zum Thema Nazi-Vergehen gibt es so zahlreich wie Falschparker in Hamburgs Innenstadt. Auch die Figur der Bella Block wirkt diesmal befremdend passiv und blaß. Als hätte sich die deprimierende Grundstimung der Region sehr schnell auf ihre Wessi-Seele gelegt.

Und da bin ich denn bei Gerckes nicht zu leugnenden Stärken: die Zeichnung von Stimmungen, von Milieu. Die griffige Schilderung eines Landes, in dem an die Stelle längst verhallter Wende-Jubelfeiern die Enttäuschung getreten ist. Ein Land, dessen eben noch straff reglementierte Bewohner den Finessen schneller Schnäppchenjäger aus dem goldenen Westen hoffnungslos ohnmächtig ausgeliefert waren. Ein Land, dem die anfänglich so süßen Verheißungen letztendlich nichts anderes brachten als ein langsames Ausbluten.

Ein Bella-Block-Roman, den man getrost mal weglassen kann.

Ein Fall mit Liebe

Doris Gercke, Hoffmann & Campe

Ein Fall mit Liebe

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