Moskau, meine Liebe
- Galgenberg
- Erschienen: Januar 1989
- 2
- Hamburg: Galgenberg, 1989, Seiten: 144, Originalsprache
- München: Goldmann, 1993, Seiten: 152, Originalsprache
- München: Goldmann, 2002, Seiten: 152, Originalsprache
Eine apokalyptische Reise nach Moskau
Bella Blocks Mutter ist ehemalige Spanienkämpferin und auch angesichts zusammengebrochener sozialistischer Welten nach wie vor Altkommunistin. Voller Eifer unterstützt sie das Vorhaben ihrer Tochter, nach Moskau zu reisen, um dort nach Spuren ihres Großvaters, des russischen Lyrikers Aleksandar Block zu suchen.
Doch aus dieser literarischen Lokalterminreise wird nichts - die Stadt ist wie ein Schlag in den Magen. die einstige Metropole des sozialistischen Erdkreises hat sich aufgelöst in eine hitzige Melange aus Korruption, Gier, Dekadenz und einer kaum mehr vorstellbaren Armut. Für viele junge Frauen gibt es nur einen denkbar einfachen Weg, dieser fast zwangsläufigen Spirale der Verarmung zu entkommen, doch dieser Weg gerät schnell zur lebensgefährlichen Gratwanderung.
In einer Hotelbar wird Bella Block zufällig Augenzeugin eines Giftmordes an einer jungen Prostituierten. Als wenig später Beamte der Miliz auf der Bildfläche erscheinen, gerät Bella unversehens in einen turbulenten Funkenflug ihrer Hormone: schlagartig und heftig verliebt sie sich in den blauäugig strahlenden Alexander. Großvater hin, Elend her - Bella kämpft mit dem so unerwartet aufgebrochenen Gefühlsaufruhr und ihrem Verlangen, sich in eine so absurde wie verlockende Affäre fallen zu lassen. Sie reist ab.
Aber es dauert nicht lange, da ist sie wieder in Moskau, diesmal mit der festen Absicht, ihr inneres Wirrwarr zu glätten.
Diese zweite Reise nach Moskau gerät zur Apokalypse. Westliche Geldscheine bestimmen unverblümt und dreist den Rhythmus der Stadt. Schwüle "Modenschauen" als Vorhof zur Prostitution. Für Bella ist es ein harter Schlag, als sie erkennen muss, dass der brave Milizionär Alexander noch ganz anderen nebenberuflichen Tätigkeiten nachgeht. Bella beerdigt ihre Liebe - so rasch und gründlich, wie das eben nur eine erfahrene Frau kann. Es mehren sich die tödlichen Giftanschläge auf junge Huren. Die Moskauer Mafia wird zunehmend nervös, denn nichts deutet auf einen internen Unterweltkrieg hin. Mit Hilfe freundlicher Einheimischer gelingt es Bella, für einige Tage unterzutauchen. Und da gerät sie auf die Spur der Mörder, die ein ganz unerwartetes Gesicht haben...
Dass Doris Gercke mit ihrem Stil atmosphärische Dichte schaffen kann, war ja schon wiederholt bei mir zu lesen. Beim Schreiben des vorliegenden Romans hat sie noch ein paar Briketts drauf gelegt.
Da mag das geschilderte Milieu dem sicher noch entgegengekommen sein: die Elegie einer kollabierenden Metropole, die wachsenden Schatten eines brutalen alltäglichen Rattenrennens. Und darüber schweben die süßlich-verlockenden Schalmeientöne wortgewaltiger Populisten und Ultras jeglicher Couleur. Die beklemmend hoffnungslose Feier eines Grüppchens ehemaliger Partisanen des II. Weltkrieges, die so trotzig wie allein gelassen "ihren Tag", den 9. Mai in Ehren zu halten gedenken - das gehört zu den eindrucksvollsten Passagen dieses Buches.
Doris Gercke, Galgenberg
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