Der blaue Spiegel
- Luchterhand
- Erschienen: Januar 2010
- 4
- München: Luchterhand, 2010, Seiten: 382, Originalsprache
Spieglein, Spieglein an der Wand - schrieb hier einer den besten Thriller im Land?
Ein grausamer Ritualmord, ein Jahrhunderte alter Geheimbund, ein junger Mann auf Spurensuche, an seiner Seite eine junge Wissenschaftlerin. Nein, die Rede ist nicht von Robert Langdon, obwohl dies genau die Ingredienzen sind, die Titel wie Illuminati zu Weltbestsellern gemacht haben. Lohnt sich denn überhaupt noch der Blick auf ein weiteres Buch dieses Sujets?, mag sich da der geneigte Thriller-Leser fragen. Nun ist Der blaue Spiegel aber von einem deutschen Autor geschrieben (freilich kein zwingendes Kriterium), der dazu auch noch nicht im Genre wandelte (schon eher interessant) und ist obendrauf in einem Haus erschienen, das nur schwerlich mit 08/15-Spannungsromanen in Verbindung zu bringen ist: dem Luchterhand Literaturverlag. Also schauen wir genauer hin und verraten: Der Blick lohnt!
In einer Münchner Villa macht die Haushälterin eine grausige Entdeckung: Der schwerreiche Kunsthändler Henry Wallburk liegt ertrunken in seinem Aquarium. Die Polizei um Kommissar Rhomberg stößt aber auf ein perfides Detail. Der alte Mann wurde zuvor geblendet. Mit einem mexikanischen Kakteengift. Sohnemann Rob, seines Zeichens recht erfolgreicher Comic-Zeichner, wird zum Tatort gerufen - womit für ihn eine abenteuerliche Reise in die Vergangenheit seines Alten Herrn beginnt, zu dem er in seiner Kindheit nie einen Draht gefunden und die letzten Jahre überhaupt keinen Kontakt mehr hatte. Wer war eigentlich dieser Henry Wallburk? Und was muss er getan haben, um auf eine dermaßen obskure Art aus dem Leben zu scheiden?
Die Antwort auf diese Fragen stellt sich als äußerst schwierig heraus. Wallburk war kein Mann, der sich in Gesellschaft wohl gefühlt hat. Seine Bekannten, sein Arzt und sein Anwalt, beschreiben ihn als knallharten Geschäftsmann, wenngleich als keinen unfairen. Doch es gibt Ungereimtheiten. Er saß vor drei Jahren wegen Totschlags in Untersuchungshaft, wurde zwar freigesprochen, verkaufte aber alle seine Galerien. Er blieb Zeit seines Lebens ein Freund der klassischen Moderne, behielt einen Kandinsky und verehrte glühend die monochromen Bilder des italienischen Malers Xavier Sarno, den Wallburk selbst zu einem Großen seiner Zunft gemacht hatte. Das passt alles nicht zusammen, denken sich parallel Kommissar Rhomberg und Sohn Rob. Diesem fällt das Fehlen eines kleinen Gegenstands im Besitz seines Vaters auf, der noch eine große Rolle spielen soll: Eine altägyptische Skulptur aus Lapislazuli, eine Schildkröte mit einem Spiegel auf dem Bauch (daher auch der Titel des Buches). Soll sie der Schlüssel zum Rätsel des alten Wallburk sein?
Trotz inhaltlicher Similaritäten: Peter Haff schreibt wie Dan Brown, genau wie der Gewinner von "Deutschland sucht den Superstar" singt wie Luciano Pavarotti. Haff erzählt gemächlich wie kunstvoll, bildreich, in langen Kapiteln, ohne Cliffhanger und was direkt auffällt: auch ohne wörtliche Rede im gewohnten Sinne. Hau-drauf-Szenen sucht der Leser vergebens, stattdessen zeichnet Haff ein einfühlsames Bild einer gescheiterten Vater-und-Sohn-Beziehung, nimmt sich Zeit für seine Charaktere und führt so nicht nur in ein dichtes Geflecht aus Emotionen, sondern auch in die schillernde Welt der Kunst.
Klingt nicht sonderlich spannend? Ist es aber. Der Thrill ist zweifellos da, aber sehr fein eingewoben, sehr subtil und beruht vor allem auf dem Geheimnis, das Henry Wallburk mit ins Grab (genauer: in die Urne) genommen hat. Oder um aus dem Buch zu zitieren:
"Knistern, als würde eine Katze an der Wirbelsäule einer Maus nagen."
Tja, und irgendwo muss dann ja auch noch ein Mörder frei herumlaufen, der vielleicht noch nicht das gefunden hat, was er wollte ...
Peter Haff ist mit Der blaue Spiegel ein kluger Thriller gelungen, der fesselt ohne zu schocken. Facettenreich, durchdacht aufgebaut, zwar ruhig, aber nie langweilig. Ein schöner Beweis dafür, dass nicht überall, wo "Geheimbund" draufsteht, auch ein Sakrileg verübt wird.
Peter Haff, Luchterhand
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