Verräter wie wir
- Ullstein
- Erschienen: Januar 2010
- 13
- Berlin: Ullstein, 2010, Seiten: 416, Übersetzt: Sabine Roth
Die Guten sind wir
Roger Federer wird in John le Carrés neuem Buch ein literarisches Denkmal gesetzt. Das Warmspielen im Finale von Roland Garros gegen Robin Söderling wird zum Ereignis. Der Beifall brandet los und Federer betritt bescheiden gekleidet wie ein Gott den Platz. Überhaupt wird in Verräter wie wir viel Tennis gespielt. Für jemanden, der Das Russlandhaus oder Der Spion, der aus der Kälte kommt kennt, mag so viel Tennis auf die Dauer langweilen.
Mit seinem 23. Roman legt John le Carré eine altbekannte Geschichte vor. An manchen Stellen lugt in der Person des Agenten Hector der gute alte George Smiley hervor. Elder Statesmen im Auftrage des Geheimdienstes, die verschwörerische Konspirationen aufdecken und verhindern sollen, sind Le Carrés Markenzeichen. Auch wenn er sich in seinem neuen Roman eines jungen Paares bedient, das dem Geldwäscher und Mitglied der Russenmafia Dima helfen soll, die Seite zu wechseln und Verrat an der Mafia zu üben. Immerhin treibt Dima die Angst um, liquidiert zu werden, wenn er nicht mehr gebraucht wird. Er will nur das Beste für sich und seine Kinder, die nach Eton und Kricket spielen sollen. Seine Frau Tamara hingegen erscheint als blasses Geschöpf am Rande, eine Mutter, mit der man nun mal verheiratet ist, und die über eine kunterbunte Familie wacht.
Perry Makepiece, der einer langen Reihe aufrichtiger Engländer entstammt, die sich einzumischen verstanden, und seine Freundin Gail Perkins lernen ihn auf Antigua kennen, woanders als beim Tennis. Eine harmlose Urlaubsbekanntschaft so scheints. Dass ausgerechnet ein Tennismatch, dazu dienen soll, Dima davon zu überzeugen in dem jungen Paar das richtige Mittel zum Zweck zu finden, ist ein Konstrukt, das schwer verdaulich ist. Der Russe findet also Gefallen an seinem Professor, wie er Perry nennt, und die Juristin Gail knüpft gleich eine Freundschaft zur dessen sechszehnjähriger Tochter Natasha , die schwanger ist. Was der Vater nicht zu wissen braucht.
Während das Paar nun die britische Seite von Dimas Qualitäten als Verräter zu überzeugen sucht, macht sich Le Carré einmal mehr daran den Geheimdienst als einen Hort zu demaskieren, der sich selber im Wege steht. Doch Le Carré steckt in demselben Dilemma wie Graham Greene. Beides Literaten, die sich einem Genre verschrieben haben. In manchen Büchern bedienen sie dieses perfekt , in anderen wagen sie eher einen Spagat zwischen ihrer literarischen Ader und den Suspense-Ansprüchen eines Thrillers.
In einigen Passagen fühlt man sich an frühere Romane erinnert. Das Liebespaar, das in Bedrängnis gerät. Der Außenseiter im Amt, der es besser als alle anderen weiß. Das politische Ränkespiel, das bis hoch in die Regierung reicht. Diesmal sind es Blair und sein New Labour. Es ist durchaus anerkennend, dass Le Carré uns unbeirrt keine Helden vorführt, die unschlagbar die Welt mit einem Augenzwinkern retten. Doch diesmal verschleppt sich das Tempo in den Dialogen allzu sehr.
Das Buch nimmt einen langen Anlauf, um zum Kern der Geldwäsche - vorzupreschen. Dass ihm sein ureigenstes Terrain, der Kalte Krieg, abhanden gekommen ist, hat er in den letzten Jahren dadurch aufzuwiegen versucht, dass er sich den Gefahren der globalen Welt zuwandte. Ob nun in Der ewigen Gärtner, die Verbrechen der Pharmaindustrie an der Bevölkerung Kenias, in Der Nacht-Manager, der Waffenhandel oder in seinem letzten Roman Marionetten den Gefahren des islamitischen Terrors Le Carré spiegelt die Verwerfungen der Politik an Menschen, die gar nicht in diesen Dunstkreis gehören.
Was bei anderen Autoren des Genres dazu führen würde, das Buch gelangweilt zur Seite zu legen, besticht bei ihm durch die unterschwellige Erkenntnis, dass das Gute nicht scheut, sich des Bösen zu bedienen, wenn es glaubt, im Recht zu sein.
Allerdings hat sich die Camouflage von Le Carrés Verbrechen seit Der Spion, der aus der Kälte kam geändert. Die Kälte des Eisernen Vorhangs ist zum schillernden Protzen, dem schnellen Aufstieg der Neureichen in einer globalisierten Welt geronnen. Aus Beton wurden Perlenschnüre. Die Gier nach Macht dahinter hat sich nicht geändert.
John Le Carré, Ullstein
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