Novemberasche
- dtv
- Erschienen: Januar 2010
- 2
- München: dtv, 2010, Seiten: 240, Originalsprache
Ein beschauliches Mordstück
Der zweite Fall um die erfolglose Landschaftsmalerin Marie Glücklich nennt sich Novemberasche und ist im Deutschen Taschenbuchverlag erschienen. Auf knapp 300 Seiten beginnt es mit der Künstlerin aufwärts zu gehen, denn endlich hat eine Galerie angebissen und will die gemalten Impressionen vom Bodensee ausstellen. Mitten hinein in diese positive Wendung wird Marie aus ihrer Euphorie gerissen, weil der Mann ihrer besten Freundin Paula bei einem Fallschirmabsprung trotz seines Cybernetic Parachute Release Systems (Öffnungsautomatik mit Druckluftmessung) verunglückt, weil sich weder Haupt- noch Reserveschirm geöffnet hatten, obwohl dieses System in einer Höhe von 225 Metern über dem Boden den Schirm auslösen sollte. Es kann sich also nur um gewollte oder ungewollte Manipulation an diesem Sicherungssystem handeln und daraus ergibt sich die Frage nach Selbstmord oder Mord. Da die Polizei von Selbstmord ausgeht, beginnt Marie auf eigene Faust zu ermitteln. Dabei schreckt sie auch nicht vor einem Fallschirmspringerkursus zurück, um sich in den Kreisen der springenden Zunft umhören und –sehen zu können.
Der andere Ermittler ist ein gewisser Kommissar Andreas Sommerkorn, der in Friedrichshafen am Bodensee auf dem Friedhof die eigenartig arrangierte Leiche eines jungen Mannes begutachten muss, der offensichtlich betäubt und erstickt wurde. Bei seinen Recherchen stößt der Kommissar auf sonderbare Verhältnisse, in denen der Tote gelebt hat und auf massive Auswüchse von Mobbing und rechtsradikale Tätigkeiten.
Das alles hält die Autorin aber nicht davon ab, zwischen dem eifrigen Kommissar und der noch eifrigeren Künstlerin ein rotes Band zu knüpfen und eine beginnende Romanze in Aussicht zu stellen. Wobei die Frage nach dem Seelenheil der Involvierten und dem möglichen Techtelmechtel spannender ist, als die Aufklärung der Hintergründe der Todesursachen. Vielleicht liegt es am beschaulichen Hintergrund der Bodenseeregion, dass sich die Handlung dieses Kriminalromans nur mäßig entwickelt. Die Personen in diesem Provinzthriller müssen sich in ihrem Tun und ihren Dialogen deutlich hinter den gekonnt gezeichneten Bildern der Gegend verstecken, denn zumeist handeln sie impulsiv und unlogisch und bringen sich dadurch auch selbst in Gefahr.
Novemberasche ist trotz gelegentlicher Spannungseinlagen ein beschauliches Mordstück und in vielerlei Hinsicht vorhersehbar. Aber es nützt auch nichts, wenn man aktuelle Themen, wie die (angeblich) zunehmende Radikalisierung der Jugend, in einen Roman einbaut, die Protagonisten aber insgesamt farblos bleiben und den Leser absolut nicht vom Hocker reißen. Wie weit sich Frau Jonuleit dabei mit Recherche beschäftigt hat, ist nicht zu beurteilen, aber zumindest hat sie sich mit eigenen Fallschirmsprüngen darauf vorbereitet, diese Erlebnisse ihrer Heldin authentisch zu schildern. Deshalb ist es besonders schade, dass gerade diese spannende Option sprachlich nicht die intensive Bedeutung im Buch bekommt, die ihr eigentlich zusteht und von der man sich deutlich mehr erwarten durfte.
Computerkriminalität ist nicht die große Domäne der Autorin, deshalb handelt sie das Thema auch nur am Rande ab, obwohl es eigentlich für den Hauptstrang des Buches von besonderer Bedeutung gewesen wäre. Und Kommissar Sommerkorns Ermittlungen finden viel zu wenig Raum, weil dieser von Marie Glücklich beansprucht wird. Deshalb bleibt dem Kriminalbeamten vom Bodensee auch kaum Zeit, um beim Leser Sympathien zu wecken.
Insgesamt ist Novemberasche nicht schlecht geschrieben, aber es fehlen ein durchgehender Spannungsbogen und gelegentlich auch die Logik. Frau Jonuleit bietet dem Leser einen Krimi, der so beschaulich ist, wie die wunderschöne Gegend in der er spielt.
Anja Jonuleit, dtv
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