Die Gassen von Marseille
- Blanvalet
- Erschienen: Januar 2009
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- Paris: Ed. Jigales, 1998, Titel: 'Bleu sur la peau', Seiten: 236, Originalsprache
- München: Blanvalet, 2009, Seiten: 284, Übersetzt: Nathalie Lemmens
Eine ziemlich dünne Bouillabaise
Schon bei der Lektüre des Klappentextes, der Gilles del Pappas als "Original, das auf originelle Weise über eine einzigartige Stadt schreibt: Marseille" beschreibt, stellt sich die Frage, ob der Teil der Leserschaft, der es bisher aus diesem oder jenem Grund versäumte, Marseille zu besuchen, auf seine Kosten kommt. Aber da dieser Roman in die Sparte "Krimi" fällt, dürfte diese Frage grundsätzlich unerheblich sein - Mörderjagd ist schließlich Mörderjagd und unabhängig davon, ob diese in London, Köln oder Timbuktu spielt, erwartet der Leser eine nach Möglichkeit spannende und unterhaltsame Geschichte. Ist diese Suche auch noch in dem Rahmen einer lebendigen Stadtbeschreibung eingefasst, ist das natürlich erfreulich – aber grundsätzlich dürfte dieser Aspekt reine Nebensache sein. Leider ist Gilles del Pappas bei Verfassen der Gassen von Marseille offensichtlich von anderen Gewichtungen ausgegangen, so dass man abgesehen von dem Loblied Marseilles den Krimi allenfalls als "so lá lá" bezeichnen kann – um beim Französischen zu bleiben
Da ist zunächst einmal die Figur der Hauptperson Constantin. Er hat nach dem Drogentod seiner Frau, der im Roman immer wieder angedeutet, aber nie klar thematisiert wird, den Boden unter den Füßen verloren und lebt daher einfach so in den Tag hinein. An seiner Figur beweist sich dann auch wieder, dass Autoren offensichtlich den erwerbslosen, aber mehr oder weniger zufriedenen philosophischen armen Schlucker lieben, sich aber nie so richtig Gedanken machen, wovon er denn seinen Lebensunterhalt finanziert. Constantin bezieht daher zwar Stütze, bewohnt aber eine Eigentumswohnung, wo er sich immer wieder die leckersten französischen Spezialitäten zubereitet und kommt so über die Runden, wenn auch unklar ist wie. Wenn er nicht gerade am Herd steht, schnorrt er sich bei Freunden oder Nachbarn durch, es sei denn, er wird gerade von schlechten Menschen mit dem Tode bedroht, wird Zeuge von Schusswechseln oder sogar von Todesfällen. Hier kann man dann den echten "Philosophen" erkennen, den Constantin, der sich ansonsten darin gefällt, mehr oder weniger schwülstige Prosa zu Marseille zum besten zu geben, tut diese Erlebnisse offensichtlich mit einem Schulterzucken ab. So stirbt eine Frau, bei der er auf dem besten Wege war, sich zu verlieben, in seinen Armen, aber die ist dann auch drei Seiten später schon vergessen. Um es mit dem Autor zu sagen "C’est la vie".
Wobei wir auch beim Stichwort des nervigsten Aspektes dieses Krimis wären. Die schreckliche Angewohnheit immer wieder lokale Sprachbrocken in die Handlung einzustreuen, damit auch der Leser kapiert, dass hier wirklich ein Kenner Marseilles am Werke ist. Hier eine kleine Kostprobe
"Genug geschwatzt, allez zou, beweg dich, du Faulpelz. Glaub ja nicht, du müsstest dich hier wie ein cacou aufführen, kümmer dich lieber um die pachole deiner ratepanade, statt mich hier zu beleidigen".
Grundsätzlich kann man diese ganzen Fremdworte im Anhang nachlesen, tatsächlich muss man es aber nicht, da sie ohnehin nicht beim Fortgang der Geschichte helfen und keine besondere Bedeutung haben. Außer natürlich zu nerven.
Bedenklich ist allerdings, dass Gilles del Pappas keine Skrupel hat, seinen dünnen Krimi-Plot in die finsterste Zeit der europäischen Geschichte anzubinden und somit den Holocaust als weiteren Erzählstrang einzufügen. So wird letztlich versucht, mit dem Völkermord einer ansonsten recht flachen Handlung und profillosen Helden eine Tiefe zu verleihen, die der Autor selbst offensichtlich nicht erschaffen kann.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass Gilles del Pappas sich hier eine dünne Krimi-Bouillabaise zurecht geköchelt hat, die allenfalls den Marseille-Touristen mit Begeisterung erfüllen dürfte. Für den gewöhnlichen Leser bleibt es ein eher mageres Süppchen.
Gilles del Pappas, Blanvalet
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