Kaltes Feuer

  • Suhrkamp
  • Erschienen: Januar 2010
  • 1
  • Berlin: Suhrkamp, 2010, Seiten: 360, Übersetzt: Peter Torberg
Kaltes Feuer
Kaltes Feuer
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Jürgen Priester
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2010

Eine sympathische Heldin

Wenn wir mal einen Blick auf die Veröffentlichungen des ersten Quartals diesen Jahres werfen, werden wir feststellen, dass die deutschen Verlage mit einer Unzahl an Titeln im Krimi/Thriller-Bereich aufwartet. Eine gutsortierte Berliner Krimi-Spezial-Buchhandlung listet für Februar sage und schreibe 192 Titel. Boomt das Genre immer noch? Oder sind das erste Zeichen einer Torschlusspanik innerhalb der Verlage? Die exzellenten Verkaufszahlen der letzten Jahre haben die Verlage mutiger werden lassen und vielen Newcomern wurde eine Chance eingeräumt. Neben eher nur wenigen erwähnenswerten Neulingen ist auch viel Ausschuss verlegt worden, das meiste ist wohl der Mittelmäßigkeit zu zuordnen. Der argentinische Autor Ernesto Mallo hat gegenüber der Krimi-Couch mal geäußert, es gäbe nur drei Formen von Literatur – gute, mittelmäßige und schlechte – und nach seiner Ansicht sei die mittelmäßige Literatur die schlimmste. Ohne das hier vertiefen zu wollen, der Mann hat Recht.

Relativ neu und leider nur Mittelmaß ist der australische Autor Adrian Hyland, der mit Kaltes Feuerseinen zweiten Kriminalroman um seine Ermittlerin Emily Tempest vorlegt. Emily Tempest ist die Tochter eines weißen Vaters und einer Aborigine- Mutter. Damit hat Hyland sich schon ein grundsätzliches Problem eingehandelt – er ist männlich und weiß. Ihm gelingt es nicht, die natürliche Barriere von Geschlecht und Rasse, die ihn von seiner Protagonistin trennt, zu überwinden. Wie Wolfgang Franßen in seiner Rezension zu Outback Bastard richtig feststellt, bleibt Hyland ein Außenstehender, der die Situation der Aborigines gut beschreiben kann, der aber ihre Gefühls- und Gedankenwelt nur erahnen kann. Da der Krimi hauptsächlich im Umfeld der Aborigines angesiedelt ist, ist eine raumgreifende Oberflächlichkeit schon vorprogrammiert.

Nach längerem Auslandsaufenthalt zurück in ihrer Heimat, dem Outback, und nach Lösung ihres Falles (Outback Bastard) übernimmt Emily Tempest die Stelle einer Kontaktbeamtin im Polizeidienst in dem kleinen Städtchen Bluebush. Der Superintendent der Dienststelle ist ein alter Freund von Emilys Vater, der ihr den Job nahegelegt hatte. Da dieser schwer erkrankt, muss sich Emily mit seinem Nachfolger herumschlagen. Bruce Cockburn ist ein arroganter wie ignoranter Weißer, der Emily direkt deutlich macht, was er von ihr und ihresgleichen hält.

Emilys erste Bewährungsprobe lässt nicht lange auf sich warten. Im Weiler Green Swamp Well (ein Pub und ein paar Häuser) ist der alte, immer seltsamer werdende Geologe Albert Ozolins erschlagen aufgefunden worden. Neben seiner Leiche lag noch trunken und schnarchend sein Saufkumpan Petherbridge. Da die beiden sich am Abend zuvor heftig gestritten hatten, ist für den neuen Chef schnell alles klar. Ohne großes Federlesen verhaftet er den Verdächtigen.

Emily, die sowohl Ozolins als auch Petherbridge von früher her kannte, glaubt nicht, dass der eine der Mörder des anderen sein kann. Die etwas exzentrischen Alten hatten sich zwar häufig und lautstark über Gott und die Welt gestritten, aber im Grunde waren sie einander freundschaftlich zugetan.

Auch hatte der Ermordete in seinen letzten Monaten hinter seinem Haus sehr akribisch einen Steingarten angelegt, dessen Konzeption wohl mehr bedeutete als einen Sinn für Schönheit. Emily beschließt, auf eigene Faust zu ermitteln. Mit der Unterstützung ihres Volkes versucht sie, Doc Ozolins` Wege durch das Outback zu rekonstruieren. Dabei stößt sie auf ein lange zurückliegendes Verbrechen.

Einen Kriminalfall als Vehikel für eine Reise durch das australische Hinterland zu nutzen, ist gut und schön, doch sollten ein Spannungsaufbau oder einzelne Spannungselemente nicht außen vor bleiben. Bis auf eine Szene, in der sich die Protagonistin aus Dummheit oder Naivität in eine lebensbedrohliche Situation begibt, will kein richtiger Thrill aufkommen. Hyland schickt seine Heldin kreuz und quer durch den Busch. So erfahren wir einiges über das Leben der Aborigines, das hier in den Northern Territories relativ authentisch wirkt, im Gegensatz dazu steht das Leben der Ureinwohner in den Städten, das durch Alkohol und Armut geprägt ist.

 Ein Lichtblick ist die Heldin selbst, die aus der Ich-Perspektive heraus erzählt. Hyland hat sie – ohne tiefer gründen zu wollen (können?) - sehr selbstbewusst dargestellt. Ihr respektloses Mundwerk - was besonders den jüngeren Lesern gefallen wird - ist für einige Lacher gut, läuft aber manchmal Gefahr, ins Ordinäre abzurutschen. Sie ist trotz ihres weißen Erbteils eine Aborigine durch und durch. Da kommt keine Ambivalenz auf, kein Zweifel, auf welcher Seite sie zu stehen hat. Fast schon mütterlich kümmert sie sich um den Sohn eines befreundeten schwarzen Musikers, der immer Gefahr läuft, eine kriminelle Laufbahn einzuschlagen. Dieser Neben-Handlungsstrang nimmt relativ breiten Raum ein, vermittelt sehr gefühlvoll die karitative Seite der Heldin, ist aber im Gesamtkontext eher kontraproduktiv.

Hylands Ansatz nicht nur einen Krimi schreiben zu wollen, sondern auch dem Leser Wissenswertes über eine nicht so bekannte Population zu vermitteln, ist sehr lobenswert. Viel gewollt – sagt man, und sicherlich in allerbester Absicht, doch die einzelnen Komponenten erheben sich nicht aus dem Mittelmaß, an Spannung gebricht es.

Kaltes Feuer ist Infotainment in Romanform. Es ist gradlinig aufgebaut, hat weder Ecken noch Kanten, gibt wenig Anlass, sich einen Kopf zu machen, fordert den Leser nicht. Das einzige Plus dieser Reihe ist die sympathische Heldin Emily Tempest, eine Figur, die eindeutig Potenzial hat, deren weiteren Weg man durchaus verfolgen kann, aber nicht muss.

Kaltes Feuer

Adrian Hyland, Suhrkamp

Kaltes Feuer

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