Sommerzeit
- Heyne
- Erschienen: Januar 2010
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- Stockholm: Bonnier, 2007, Titel: 'I Denna Ljuva Sommartid ', Seiten: 312, Originalsprache
- München: Heyne, 2010, Seiten: 350, Übersetzt: Gabriele Haefs
Über dem Durchschnitt, aber nicht erste Liga.
Öland, Gotland, Faro – die schwedischen Ostseeinseln sind bei Kriminalschriftstellern als Schauplätze blutiger Morde überaus beliebt. Da lassen sich trefflich düstere Geschichten in romantische und teilweise naturbelassene Landschaften projizieren. Und so lässt Mari Jungstedt ihre Krimi-Reihe um den Ermittler Anders Knutas mit großem Publikumserfolg auf Gotland spielen – mittlerweile ist die Reihe sogar den deutschen Fernsehzuschauern ein Begriff.
Bewohner und Touristen auf der Gotland im Nord-Osten vorgelagerten Ferieninsel Faro machen sich Sorgen. Ein Familienvater, der seit Jahren mit Frau und Kindern als Stammgast auf dem selben Campingplatz auf Faro den Jahresurlaub verbringt, wird bei seiner morgendlichen Jogging-Runde am Strand erschossen. Der Killer hat den Jogger mit einem Kopfschuss zwischen die Augen getötet, und ihm dann das gesamte Magazin in den Bauch geschossen. Die Ermittlungen der Polizei werden zunächst von Karin Jacobsson geleitet - denn Anders Knutas ist mit seiner Familie im Urlaub in Dänemark.
Die Suche nach einem Motiv für die offensichtlich unprofessionell ausgeführte Tat gestaltet sich für die Ermittler als überaus schwierig. Nebenbei liefern sich die Polizisten noch einen Wettlauf mit findigen Fernsehreportern, die zuweilen dank ihrer Verbindungen etwas schneller an neue Fakten kommen. Es stellt sich heraus, dass der ermordete Bauunternehmer vor seinem Tod bedroht wurde. Offensichtlich hat er in größerem Maße illegale Arbeiter aus dem Baltikum auf seinen Baustellen beschäftigt, und war mit den zu zahlenden Löhnen im Rückstand. Dann gibt es jedoch plötzlich einen zweiten Mord. Wieder wird das Opfer per Kopfschuss getötet, und dann siebenmal in den Bauch geschossen. Jetzt eine Verbindung zwischen beiden Morden zu finden, erscheint nahezu unmöglich, alle bisherigen Spuren sind offenbar wertlos. Durch Intuition und Zufall kommen die Ermittler – Knutas ist inzwischen aus dem Urlaub vorzeitig zurück gekommen - schließlich einem viele Jahre zurück liegenden Verbrechen auf die Spur, dass allerdings nie aufgeklärt wurde.
Mari Jungstedt ist durch ihre Kriminalromane einem breiten Publikum bekannt, die Bücher sind regelmäßig auf den europäischen Bestsellerlisten vertreten. Sommerzeit ist bereits der fünfte Roman aus der Reihe um Anders Knutas, und erneut beweist die Autorin, dass sie ihr schriftstellerisches Handwerk durchaus versteht. Die Geschichte der zwei rätselhaften Morde wird spannend und routiniert erzählt. Die Abschweifungen in das durchaus abwechslungsreiche Privatleben verschiedener Protagonisten vermitteln ein hohes Maß an Authentizität und geben interessante Einblicke in den Alltag auf den schwedischen Ferieninseln.
Sommerzeit ist ein solide erzählter Krimi – und dürfte Leser und Kritiker genauso entzweien wie die vier Vorläufer. Während das Publikum die Reihe um Anders Knutas und seine Kollegen offensichtlich schätzt, wie an den hohen Publikumsbewertungen abzulesen ist, wird von etlichen Rezensenten zwar anerkannt, dass Mari Jungstedt souveräne "Krimikost" abliefert, diese aber nur als eine Art entbehrliche "Hausmannskost" eingeordnet. Ganz so drastisch sehe ich das nicht. Zwar habe ich die Vorgänger-Bände nicht gelesen, und kann daher nichts zur Weiterentwicklung der Figuren sagen. Aber das Buch ist auf jeden Fall spannend, mit wenig Abschweifungen und einem höchst überraschenden Ende. Zur Mitte glaubt man, den Ausgang zu kennen - und täuscht sich gewaltig.
Deshalb ist Sommerzeit schon ein Krimi über dem Durchschnitt, gehört allerdings tatsächlich nicht zur ersten Liga in Skandinavien. Sicher können auch kürzere Krimis ein hohes Niveau erreichen, aber bei Jungstedt hat man eher den Eindruck, dass sie bereits das künftige Drehbuch im Kopf hat. Nun muss spannendes "Erzählkino" kein Manko sein, aber einige Aspekte hätte die Autorin dann doch etwas ausführlicher beleuchten dürfen. Die Lösung des Falles ist zwar insgesamt glaubwürdig, aber für meinen Geschmack spielt "Kommissar Zufall" zuweilen eine etwas zu wichtige Rolle. Und etwas mehr Tiefgang dürfte auch sein, aber das wäre dann wohl für die künftige Verfilmung ein Hindernis. Alles in allem ist Sommerzeit gute und wirklich lesbare Unterhaltung, aber dennoch von der Spitze der skandinavischen Konkurrenz noch weit entfernt.
Mari Jungstedt, Heyne
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