Selbs Betrug
- Diogenes
- Erschienen: Januar 1992
- 25
- Zürich: Diogenes, 1992, Seiten: 298, Originalsprache
- Zürich: Diogenes, 1994, Seiten: 298, Originalsprache
- Zürich: Diogenes, 2002, Seiten: 7, Übersetzt: Hans Korte
- Zürich: Diogenes, 2008, Seiten: 349, Originalsprache
Ein ansprechender Roman, der aus der Krimi-Einheitskost hervorsticht
In seinem zweiten Fall (nach Selbs Justiz) erhält Selb vom Ministerialdirigent Salger aus Bonn telefonisch den Auftrag, nach seiner Tochter Leonore, genannt Leo, zu suchen, die seit eineiger Zeit verschwunden ist.
Eine Spur führt ihn in ein psychiatrisches Krankenhaus. Hier soll Leo als Patientin gewesen sein, bis sie durch einen Unfall ums Leben kam. Doch außer ihrem behandelnden Arzt, Doktor Wendt, weiß niemand von diesem Unfall. Und genau diesen Doktor Wendt findet Selb wenig später erschossen auf.
Selb findet heraus, dass sein Auftraggeber gar nicht Leos Vater ist und daß Leo angeblich wegen eines terroristischen Anschlags polizeilich gesucht wird. Schließlich findet er Leo selber und verhilft ihr zur Flucht ins Ausland.
Nach Schlinks "Liebesfluchten" war ich gespannt, wie sich denn ein Kriminalroman des vielgelobten deutschen Schriftstellers Bernhard Schlink lesen lässt. Durch die nüchterne und sachliche Schreibweise ist der Autor hier klar wieder zu erkennen. Die Ironie, die auch in den "Liebesfluchten" ansatzweise vorhanden war, tritt hier sehr deutlich zutage. Nicht unbedingt im eigentlichen Sinne humorvoll geschrieben setzt Schlink doch oft gezielt seine trockenen Pointen.
Die recht eigenwillige Figur des Privatdetektivs Gerhard Selb bietet Schlink hinreichend Möglichkeiten, das Geschehen zu gestalten. Dabei wirken die nicht immer ganz gesetzestreuen Handlungen des Detektivs oft nicht recht glaubhaft. Dem Leser fehlt manchmal das Verständnis für Schlinks Logik.
Diese Handlungen, von denen Selb selbst weiß, dass sie nicht gesetzeskonform sind, die er aber trotzdem als richtig ansieht, versucht Schlink als Transformation von Selbs Nazi-Vergangenheit auf die Gegenwart zu sehen.
So wie Selb nicht ausschließlich als der Gute in dem Roman dasteht, sind die Bösen auch nicht das total Schlechte. Wie schon in "Liebesfluchten" gibt es bei Schlink nicht das reine Schwarz-Weiß-Denken, wie es oft für Kriminalromane hergenommen wird. Alle Figuren haben ihre guten und schlechten Seiten.
Die sehr kurzen Kapitel, im Schnitt etwa vier Seiten lang, hemmen am Anfang etwas den Lesefluß, dies gibt sich jedoch gegen Ende des Romans.
Eine angenehme Abwechslung bietet ein Roman, der in vertrauter Umgebung spielt. So lässt sich durch die genaue Beschreibungen auch einzelner Ortschaften gut nachvollziehen, welche Wege Selb im Raum Mannheim/Heidelberg sowie in der Bonner Gegend zurücklegt. Dies gibt dem Leser eher Gelegenheit, sich in die Szene hineinzuversetzen als ein amerikanischer Krimi.
Schlink wird wohl niemals zu meinen bevorzugten Schriftstellern gehören. Dennoch ein durchaus ansprechender Roman, der aus der Krimi-Einheitskost hervorsticht.
Bernhard Schlink, Diogenes
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