Ehrenwort

  • Diogenes
  • Erschienen: Januar 2010
  • 5
  • Zürich: Diogenes, 2010, Seiten: 6, Übersetzt: Peter Fricke
  • Zürich: Diogenes, 2012, Seiten: 336, Originalsprache
Wertung wird geladen
Wolfgang Weninger
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2010

Gekonnte Leichtigkeit trifft nostalgischen Charmet

Im gewohnt altmodisch angehauchten Stil präsentiert Diogenes eine ganz und gar nicht altmodische Geschichte aus der Feder von Ingrid Noll. Ehrenwort beschreibt auf 336 Seiten, dass in der durchschnittlichen deutschen Familie alles andere als Ehrenwort und gute Sitten herrschen, vor allem dann, wenn es ums Erben geht.

Und da erhoffen sich die Angehörigen des 90 Jahre alten Willy Knobel doch ein erkleckliches Sümmchen, denn nach einem Sturz liegt der Alte in der Klinik und zeigt überhaupt keinen Lebenswillen mehr. Sein Geist ist schon ein wenig verwirrt, so dass er das Ableben seiner geliebten Frau Ilse zeitweise nicht verkraftet und die einzige Bezugsperson, die sich um den alten Mann kümmert, ist sein Enkel Max. Allerdings sorgt er nicht ganz uneigennützig für den Großvater, denn zwischendurch kann er seine dringenden Geldnöte aus Opas Barschaft auffrischen.

Der Sohn Harald will mit dem Gebrechlichen möglichst wenig zu tun haben, umso erzürnter ist er, als seine Frau den Schwiegervater zur Pflege in die eheliche Wohnung verlegt. Natürlich hat auch sie einen Grund, sich mit Willy gut zu stellen. Und Harald, der auf Grund seines Berufes im Städtischen Bauamt auf gelegentliche Zuwendungen nicht verzichtet, hat keinerlei Skrupel das Ableben seines Vaters ein wenig zu beschleunigen.

Willy aber denkt gar nicht daran, vorzeitig den Löffel abzugeben, denn Max und seine hübsche Pflegerin Penny bringen ihn, allen Unkenrufen zum Trotz, wieder ordentlich auf Vordermann. Und dann beweist das alte Schlitzohr was noch alles in ihm steckt, wenn man ihn nur ordentlich betreut …

Ingrid Nolls Roman Ehrenwort zeigt, wie viel kriminelle Energie im Alltagsleben einer Familie stecken kann. Mit Augenzwinkern hält sie dem Spießbürger den Spiegel vor, aber von einem richtigen Krimi ist sie dabei doch weit entfernt. Dass die bösen Buben und Mädel in diesem Lesespaß kein leichtes Standbein haben, dafür sorgen ihre fein karikierten Alltagstypen aus der Vorstadtsiedlung.

Locker und leicht erzählt Frau Noll über die ganz und gar nicht einfachen Verhältnisse dreier Generationen, die weniger miteinander als nebeneinander leben. Dabei bleibt die Spannung ein wenig auf der Strecke, aber die Hauptpersonen werden trotz ihrer Macken immer sympathischer und selbst die mörderischen Absichten sind so harmlos ins Geschehen integriert, dass man den möglichen Erben dabei nicht böse sein kann.

Und deswegen braucht dieses Buch trotz der kleinen Boshaftigkeiten auch sein Happy End. So nostalgisch, wie das Cover mit dem Bild aus dem 17. Jahrhundert ist, so nostalgisch gestaltet sich die Handlung. Der ältliche Charme der fünfundsiebzigjährigen Autorin beherrscht das Ehrenwort in einer Weise, das man das Buch am Ende mit Bedauern zur Seite legt. Diese gekonnte Leichtigkeit im Schreibstil lässt die Geschichte ohne jegliche Schnörkel ablaufen. Und bei diesem flotten Lesevergnügen vergisst man auch, ständig nach der Plausibilität zu fragen. Es ist, wie es ist … und es macht Spaß. Ehrenwort!

Ehrenwort

Ingrid Noll, Diogenes

Ehrenwort

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Ehrenwort«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

mehr erfahren