Wenn Licht ins Dunkle fällt
- Ullstein
- Erschienen: Januar 1967
- 2
- New York: Viking, 1964, Titel: 'Right To Die', Seiten: 182, Originalsprache
- Frankfurt am Main; Berlin: Ullstein, 1967, Seiten: 154, Übersetzt: Renate Guttmann
- München; Wollerau: Goldmann, 1974, Seiten: 157
Orchideen, gutes Essen und bloß nicht vor die Haustür treten
Vor vielen Jahren stand der berühmte Privatdetektiv Nero Wolfe fast vor einem unlösbaren Fall. Damals half ihm ein farbiger Student namens Paul Whipple aus der Klemme. Inzwischen, wir schreiben das Jahr 1964, ist Whipple als Professor an der Universität tätig und bittet nun seinerseits Wolfe um Hilfe. Whipples Sohn Dunbar, der für das Bürgerrechtskomitee arbeitet, beabsichtigt offenbar Susan Brooke zu heiraten. Susan ist jung, attraktiv, finanziell unabhängig und eine Weiße. Genau hier liegt Whipples Problem, denn warum sollte eine erfolgreiche Weiße ausgerechnet einen Schwarzen heiraten? Man denke nur an die gesellschaftlichen Komplikationen.
Da sich Wolfe in Whipples Schuld sieht, willigt er kurzerhand ein diesem zu helfen und beauftragt Archie Goodwin, Erkundigungen über Susan Brooke einzuziehen. Nach einigen Tagen muss Goodwin resignieren, denn es scheint keine dunklen Flecken in Susans Leben zu geben, sieht man einmal davon ab, dass sich vor einigen Jahren ein abgewiesener Verehrer vor ihrer Haustür erschossen hat. Doch kaum wollen Goodwin und Wolfe ihre Arbeit einstellen erhält der Fall eine dramatische Wende, denn Susan wird erschlagen in ihrer Wohnung in Harlem aufgefunden. Ausgerechnet Dunbar findet die Leiche und gerät so in den Verdacht von Inspektor Cramer, den Leiter der Mordkommission Manhattan West. Da der Anwalt des Bürgerrechtskomitees, für das Dunbar arbeitete, in Strafverfahren gänzlich unerfahren ist, nehmen sich Wolfe und Goodwin des Falles an. Nur wenn sie den wahren Täter überführen können, besteht für Dunbar Hoffnung. Diese scheint jedoch mehr als berechtigt, denn schließlich hat Nero Wolfe noch nie einen Fall verloren …
Wenn Licht ins Dunkle fällt spielt wie bereits erwähnt im Jahr 1964. Dieses muss man vorausschicken, denn nur so ist die dem Roman zugrunde liegende Rassenproblematik aus heutiger Sicht zu erklären. Damals mag der Roman vom "Grand Master" Rex Stout ein durchaus respektables Lesevergnügen gewesen sein, heute funktioniert er nur noch eingeschränkt. Mag man die Bezeichnung Neger noch durchgehen lassen, spätestens der mehrfach vorkommende Ausdruck Nigger ist ein klares No-Go und bereitet unfreiwillig Übelkeit (auch wenn es damals ein gängiger Ausdruck gewesen sein mochte). Da der Plot vor über 45 Jahren spielt und die damalige Zeit die Rassentrennung noch nicht gänzlich überwunden hatte (in den Südstaaten ja teilweise bis heute nicht) und daher Ehen zwischen Weißen und Schwarzen noch für gesellschaftliches Aufsehen sorgten, wollen wir uns in der Bewertung allein auf den kriminalistischen Inhalt konzentrieren.
Zunächst gibt es vor allem zwei Gruppen, aus denen der Mörder oder die Mörderin stammen könnte. Da wäre zunächst das familiäre Umfeld der Ermordeten, die eine Heirat mit einem Neger (da ist es wieder passiert) als völlig inakzeptabel ansieht und auf der anderen Seite die Mitarbeiter des Bürgerrechtskomitees. So gibt es für Goodwin genug zu ermitteln, womit einmal mehr Privatdetektiv Saul Panzer in die Ermittlungen einbezogen werden muss. Derweil kümmert sich Nero Wolfe gemeinsam mit Theodore Horstmann um seine geliebten Orchideen, während Fritz Brenner die herrlichsten Gerichte zubereitet. Selbstredend verlässt auch in diesem Roman Nero Wolfe sein Backsteinhaus in der 35. Straße West kein einziges Mal. Doch selten hat man den Meisterdetektiv so ratlos gesehen wie in diesem Fall. So lesen wir verwundert auf Seite 169 (von insgesamt 192):
Vor zwei Tagen haben wir festgestellt, dass wir rein gar nichts Vernünftiges unternehmen könnten. Jetzt sind wir schon so weit, dass wir nicht mal was Unvernünftiges unternehmen können.
So hilft am Ende nur eine denkwürdige Eingebung Wolfes, um den Fall doch noch zu lösen. Mit Rücksicht auf das Alter des Romans und dem damit einhergehenden "nostalgischen Faktor" um einen der bis heute ungewöhnlichsten Protagonisten der Kriminalliteratur (welcher Ermittler löst schon seine Fälle, ohne je sein Haus zu verlassen?) ergibt sich eine wohlwollende Bewertung.
Rex Stout, Ullstein
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