Späte Sühne
- Bastei Lübbe
- Erschienen: Januar 2010
- 3
- Reykjavík: Mál og menning, 2009, Titel: 'Sólstjakar', Seiten: 286, Originalsprache
- Bergisch-Gladbach: Bastei Lübbe, 2010, Seiten: 336, Übersetzt: Coletta Bürling
Es wäre ein Fehler, Ingolfsson nicht zu kennen.
Isländische Botschaft in Berlin: Der Botschafter gab nach einer Dichterlesung einen kleinen Empfang, an dem neben ihm und seiner Frau noch sieben Männer teilnahmen. Es ging hoch her, mehrere Flaschen Wein wurden geleert, anschließend Cognac. Der Abschluss der Feier erfolgte etwas überraschend und vor allem ungeordnet, so dass erst einige Zeit später dem Sicherheitsbeauftragten auffällt, dass ein Gast die Botschaft noch nicht verlassen hat. Wenig später wird Anton Eiriksson ermordet im Büro des Botschafters gefunden. Mit einem Messer wurde ihm der Bauch aufgeschlitzt. Birker Li Hinriksson und Gunnar Mariuson von der Abteilung für Kapitalverbrechen der Kripo Reykjavik werden nach Berlin beordert, wo sie am nächsten Tag mit ihren Ermittlungen beginnen. Schnell wird klar, dass einer der Gäste der Mörder sein muss, denn die mit höchsten Sicherheitsvorkehrungen ausgestattete Botschaft kann niemand unbemerkt betreten oder verlassen.
Schon bald ergeben sich erste Ungereimtheiten. Die auffällig große Tatwaffe wurde bereits vor einiger Zeit in die Botschaft geschmuggelt, doch die Teilnahme von Anton Eiriksson an der Feier erfolgte so spontan, dass keiner der Gäste davon wissen konnte. Sollte womöglich jemand anderes ermordet werden? Es gilt die Gäste zu befragen, doch diese sind inzwischen wieder abgereist und können erst nach und nach vernommen werden. Dabei stellt sich heraus, dass offenbar niemand mitbekommen hat, wer die Feier im zweiten Stock verlassen hat, um sich mit Anton zu treffen, denn dieser hatte sich schnell in das Büro des Botschafters im dritten Stock zurückgezogen. Da er den anderen Gästen als Menschenhändler und bekannter Pädophiler zutiefst zuwider war, trauert ihm niemand nach, was die Ermittlungen zusätzlich erschwert. Nur langsam kommen die Polizisten voran und stoßen dabei auf einen Todesfall, der schon Jahrzehnte zurückliegt, aber offenbar mehrere der Gäste bis heute beschäftigt…
Victor Arnar Ingolfsson, im Hauptberuf Ingenieur beim isländischen Straßenbauamt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass das nicht gerade bevölkerungsreiche Land (etwas über 300.000 Einwohner) über eine verhältnismäßig sehr hohe Zahl an hervorragenden Krimiautoren verfügt. Arnaldur Indridason dürfte jeder Krimifan kennen, ebenso die ausgezeichnete Yrsa Sigurðardóttir. Nach dem von meinem Kollegen Thomas Kürten hochgelobten Das Rätsel von Flatey durfte man auf den neuen Roman des Autors gespannt sein und tatsächlich ist Späte Sühne grundsolide Krimikost im klassischen Gewand. Nach einem kurzen "Intro" wird ein (erster) Toter gefunden und die Ermittlungen können beginnen. Wenngleich unter erschwerten Bedingungen, denn da die deutsche Polizei nicht ermitteln durfte, gibt es noch keine Zeugenaussagen, im Gegenteil, diese sind erst mal in aller Ruhe abgereist, teilweise mit unbekanntem Ziel. Immerhin ist es tröstlich zu wissen, dass nur acht Personen als Täter in Frage kommen, doch die entscheidende Frage ist, ob nicht ursprünglich eine ganz andere Person in Gefahr schwebte. Die Ermittlungsarbeiten werden umfang- und kenntnisreich beschrieben, ebenso die Einblicke in das Arbeiten einer Botschaft und deren Sicherheitsstandards. Der ursprünglich aus Vietnam stammende Ermittler Birkir Li und sein übergewichtiger, aber gleichwohl stets hungriger Partner Gunnar geben ein sympathisches Duo ab, dem man gerne weitere Fälle wünscht. Im vorliegenden Fall gelingt es dem Autor gut, den Ausgangsfall mit einer anderen Geschichte zu vermischen, so dass letztlich gleich drei verschiedene Todesfälle aufzuklären sind. Dies gelingt im Ergebnis zwar ordentlich, wenngleich die Art der Auflösung nicht jedem Leser gefallen dürfte.
Wer Krimis mit "klassischer Ausgangslage" und detailliert beschriebener Ermittlungsarbeit mag und noch dazu eine Vorliebe für Island hat, der macht mit Späte Sühne rein gar nichts falsch. Allerdings könnte der Lesespaß nach nur einem Tag schon wieder vorbei sein, denn den 335 Seiten umfassenden Roman kann man problemlos in einem Rutsch durchlesen.
Viktor Arnar Ingólfsson, Bastei Lübbe
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