Tödlicher Mittsommer
- Kiepenheuer & Witsch
- Erschienen: Januar 2010
- 19
- Stockholm: Forum, 2008, Titel: 'I de lugnaste vatten', Seiten: 313, Originalsprache
- Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2010, Seiten: 384, Übersetzt: Dagmar Lendt
Ein neuer Farbtupfer in Schwedens Krimilandschaft
Die Schärenlandschaft vor Stockholm mit ihren unzähligen Inseln bildet die Kulisse für den Roman Tödlicher Mittsommer der Newcomerin Viveca Sten. Die Insel Sandhamn ist eine Idylle für ihre wenigen Bewohner und für die zahlreichen Touristen im Sommer. Getrübt wird diese heile Welt, als die Leiche eines Mannes angespült wird.
Kriminalkommissar Thomas Andreasson wird mit den Ermittlungen beauftragt. Er kennt sich bestens auf den Inseln aus, besitzt er doch selber ein Ferienhaus im Schärengarten. Zudem war er jahrelang bei der Wasserschutzpolizei tätig. Thomas freut sich sogar, nach Sandhamn zu kommen, denn dort wohnt seine gute Freundin Nora Linde mit ihrem Mann Henrik und ihren beiden Jungs Simon und Adam. Thomas und Nora kennen sich bereits seit Kindertagen. Ihre Freundschaft blieb über Jahre bestehen und Thomas übernahm Simons Patenschaft. Thomas findet nach einem Schicksalsschlag erst langsam wieder ins Leben zurück. Nach dem plötzlichen Kindstod seiner kleinen Tochter zerbrach auch seine Ehe.
Seine Tätigkeit auf Sandhamn scheint jedoch nur von kurzer Dauer zu sein, denn so wie es aussieht, ist der Tote, der als Krister Berggren identifiziert wird, das Opfer eines Unfalls geworden. Spuren von Gewalteinwirkung sind nicht feststellbar. Allein ein um seine Brust geschlungenes Seil gibt Rätsel auf. Berggren war alleinstehend und hatte außer seiner Cousine Kicki keine Angehörigen.
Zwei Wochen später hat Thomas Andreasson überraschenderweise bereits seinen nächsten Einsatz auf Sandhamn. Dieses Mal wurde die Leiche einer Frau gefunden. Als bekannt wird, dass es sich bei dem Opfer um Kicki Berggren handelt, wird plötzlich auch der erste Todesfall wieder zum Thema. Unklarheit herrscht nach der Obduktion über die Todesursache. Weder die Vergiftung durch Rattengift noch die Kopfverletzung allein führten direkt zum Tod.
Mit einem sympathischen Protagonisten den Leser binden
Schwedische Kriminalromane zeichnen sich oft dadurch aus, dass nicht die Tat im Mittelpunkt steht, sondern der Ermittler. So auch bei Viveca Sten, die in ihrer Heimat bereits drei Romane mit Kommissar Thomas Andreasson veröffentlichen konnte. Mit einem sympathischen Protagonisten den Leser binden, dieses Erfolgsrezept hat schon oft gefruchtet. Die Grundlage dazu hat die Autorin gelegt. Und hat noch dazu den Schauplatz von der Großstadt ist die Idylle verlegt, was dem Leser freundliche Urlaubs-Atmosphäre beschert.
Die Todesfälle selber und die Ermittlungen beginnen wenig spektakulär. Die Polizei tappt bezüglich Todesursachen und Motiven lange Zeit im Dunklen, der Leser weiß nur wenig mehr. Befragungen und Routineüberprüfungen bringen nicht wirklich weiter. Anders als die Polizei weiß der Leser eines Kriminalromans jedoch, dass der Täter zu 99% unter den Dramatis personae zu suchen ist. Und dieser Personenkreis ist ungewöhnlich klein.
Da sowohl Nora als auch die liebenswerte ältere Nachbarin kaum als Täter in Frage kommen, drängt die Autorin dem Leser Noras Mann Henrik geradezu als Verdächtigen auf. Nach außen hin braver Familienvater wirkt er auf den Leser als sturer Egoist, für den die Seglerleidenschaft im Vordergrund steht. Noras große Chance auf einen beruflichen Aufstieg, der einen Umzug für die Familie zur Folge hätte, blockt er rigoros ab. Und Nora beginnt, am Fortbestand ihrer Ehe zu zweifeln.
Erst spät können Verbindungen zwischen den Toten sowie der Insel Sandhamn geknüpft werden, Tatverdächtige müssen jedoch schnell wieder von der Liste gestrichen werden. Die letzten 50 Seiten entschädigen dann für fehlende Spannung auf den vorgehenden und die überraschende Auflösung hatte wohl niemand auf der Rechnung.
So wie der berühmte rote Farbtupfer auf den Covern von schwedischen Krimis - oft durch ein Holzhaus dargestellt, dieses Mal in Form eines Ruderbootes - hat auch die schwedische Krimilandschaft durch Tödlicher Mittsommer wieder einen neuen Farbtupfer erhalten. Ohne wirklich aufzufallen, bietet der Roman sympathische Charaktere sowie gute und gegen Ende hin auch spannende Unterhaltung in angehmer Atmosphäre. Ein vielversprechender Beginn für eine neue Reihe.
Viveca Sten, Kiepenheuer & Witsch
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