Die Geisel

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2011
  • 1
  • Kopenhagen: Lindhardt og Ringhof, 2009, Titel: 'Pans hemmelighed', Seiten: 312, Originalsprache
  • München: Heyne, 2011, Seiten: 496, Übersetzt: Knut Krüger
Die Geisel
Die Geisel
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Andreas Kurth
87°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2010

Einblick in die Tiefen der menschlichen Psyche

Bei einer Lesung in Deutschland hat sich John Katzenbach, für die meisten Leser einer der Meister des Psychothrillers, weit aus dem Fenster gelehnt. Man solle nur Bücher von Autoren lesen, die etwas zu sagen haben, die den Leser emotional berühren, hat er in Hamburg verkündet. Starker Tobak, aber ob das für seine Bücher immer gilt, soll hier gar nicht das Thema sein. Festzustellen ist jedoch, dass dieser Anspruch für Die Geisel von Michael Katz Krefeld in jedem Fall ein passender Maßstab ist. Denn das Buch berührt den Leser mehr als manchem vielleicht lieb ist. Man muss gar nicht einmal selbst Kinder haben, aber dann ist man auf jeden Fall dichter dran am Thema. So oder so jagen die Schilderungen des Romans dem Leser ständig eiskalte Schauer über den Rücken.

Es geht um ein Serie von Morden an kleinen Jungen, alle im Alter von acht oder neun Jahren. Die Vorfälle erschüttern die Bevölkerung von Kopenhagen vor allem, weil es sich offenbar um den ersten Serienmörder in Dänemark handelt. Die Ermittler der Polizei suchen mit Hochdruck nach dem Mörder, der die Jungen jeweils an ihrem Geburtstag tötet und in unterschiedlichen Drapierungen zurück lässt. Der öffentliche Druck auf die Polizei nimmt immer weiter zu, es werden sogar in einigen Vierteln der Stadt Bürgerwehren gegründet. Die Ärztin Maja Holm, mittlerweile mit ihrem Mann Stig aus Norwegen in ihre dänische Heimat zurück gekehrt, sieht die Aktivitäten ihrer Nachbarschaft zunächst kritisch, möchte sich lieber um die Einrichtung ihres neuen Hauses, vor allem des Kinderzimmers, kümmern denn sie ist schwanger.

Als jedoch ein weiterer Junge aus ihrer unmittelbaren Nachbarschaft verschwindet, zögert Maja nicht länger und schaltet sich in die Suche nach dem Täter ein. Das beschert ihr zunächst Ärger mit ihrer früheren Schulkameradin, Polizeirätin Katrine Bergmann. Aber die Ärztin lässt nicht locker, und schließlich gelingt es ihr, die Identität des Mörders heraus zu finden. Doch damit kommt sie ihm gefährlich nahe und begibt sich in tödliche Gefahr. Aber auch persönliche Probleme und ein Schicksalsschlag halten Maja nicht davon ab, weiter an dem Fall zu arbeiten. Und als alle glauben, der Alptraum wäre endlich beendet, geht er erst richtig los.

Es ist schwierig, die Faszination dieses Buches zu beschreiben, ohne zu viel von der Handlung zu verraten. Immerhin lässt sich sagen, dass der Inhalt tiefer geht, als der Klappentext oder meine kurze Beschreibung verraten. Ich habe den ersten Roman mit Maja Holm als Heldin nicht gelesen, kann also zu ihrer möglichen Weiterentwicklung nichts sagen. Sie ist auf jeden Fall eine starke Heldin - beharrlich, charakterfest, aber auch durchaus verletzlich. Ihre Rückkehr in die Heimat stellt eine erneute Zäsur in ihrem Leben dar, allerdings ahnt sie am Anfang überhaupt nicht, wie tief diese Zäsur ausfallen wird.

Ihr Mann Stig ist eine eher blasse Figur, was wohl in der Absicht des Autors liegt, um Maja etwas heller erstrahlen zu lassen. Ungewöhnlich finde ich, dass ein männlicher Autor ein so starke Frauenfigur erschafft eigentlich sind es doch eher die Schriftstellerinnen, die gerne toughe Protagonistinnen präsentieren. Und neben Maja Holm gibt es auch noch Katrine Bergmann, eine ungewöhnliche und höchst eigenwillige Ermittlerin. Die beiden haben eine gemeinsame Vergangenheit, und diese Schulerlebnisse trennen zunächst, um die Frauen später doch zusammen zu schweißen. Der mühsame Annäherungsprozess der beiden ist eine spannende Neben-Geschichte, die den zusätzlichen Reiz des Romans ausmacht.

Das schwierige und unappetitliche Thema Pädophilie wird von Michael Katz Krefeld auf wie ich finde innovative Weise verarbeitet. Es gibt eine Lösung des Kriminalfalles und dann noch eine Lösung dahinter. Das ganze ist also mehrschichtig und höchst raffiniert angelegt, aber mehr will ich hier wirklich nicht verraten. Zwar ahnt man am Beginn des letzten Drittels, wohin die Reise gehen könnte, aber das Ende ist dann doch mehr als überraschend. Dabei gelingt es dem Autor, einen ständig steigenden Spannungsbogen aufzubauen, weil er dem Leser - und den Ermittlern - genügend Rätsel zum Nachdenken gibt.

Die menschlichen Tragödien, die sich am Rande der Haupthandlung offenbaren oder abspielen, machen die ganze Geschichte überaus lesenswert. Da sind beispielsweise die Leute, die eine Bürgerwehr gründen. Majas kompliziertes Verhältnis zu ihrem Mann Stig. Die Eltern der vermissten Jungen und vieles mehr. Es gibt so einige Einblicke in die verschiedenen Sorten der menschlichen Abgründe. Wenn Michael Katz Krefeld das Niveau halten oder sogar noch steigern kann, ist er auf dem Weg in die Top-Riege der skandinavischen Autoren. Und dass, obwohl er Däne ist.....

Die Geisel

Michael Katz Krefeld, Heyne

Die Geisel

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