Verdächtig
- Heyne
- Erschienen: Januar 2010
- 11
- London: Bantam, 2009, Titel: 'Target', Seiten: 368, Originalsprache
- München: Heyne, 2010, Seiten: 461, Übersetzt: Gunter Blank
Mehr Spannung geht kaum
Entführung als Beginn des Alptraums
Wie nur allzu oft, ist der Klappentext auch bei diesem Buch nicht ganz präzise. Nach einem langen Abend in mehreren Bars und Lokalen hat Rob Fallon erhebliche Hemmungen, der Ex-Freundin seines besten Freundes in deren Londoner Wohnung zu folgen. Der Alkohol wischt schließlich die Bedenken zur Seite, und als sich Rob im Badezimmer frisch machen möchte, verwandelt sich die Nacht tatsächlich in einen furchtbaren Alptraum. Zwei Männer dringen in das Apartment ein, und entführen Jenny. Sie bemerken auch Robs Anwesenheit und versuchen ihn zu töten. Er kann im letzten Moment entkommen, muss jedoch seine Jacke zurücklassen. Auf der Flucht versteckt er sich in einem Müllcontainer, und stinkend und völlig am Ende erreicht er schließlich ein Polizeirevier.
Polizistin wird auch gekidnappt
Doch niemand glaubt ihm seine Geschichte. Der Portier in Jennys Haus sagt aus, ihn noch nie gesehen zu haben, und dass Jenny an diesem Abend nicht dagewesen sei. Ihr Vater behauptet, sie sei in Urlaub. Und auf den Videos der Überwachungsanlage im Apartment-Gebäude sind weder Rob noch Jenny zu sehen. Doch die Polizistin, die Robs Geschichte aufgenommen hat, glaubt ihm irgendwie und beginnt nach Beweisen zu suchen. Ein Experte findet heraus, dass die Aufnahme manipuliert wurde. Er kann sie sogar wiederherstellen, und nun sich Jenny und Rob darauf zu sehen. Als die Polizistin diese Info bekommt, ist sie allerdings den Entführern auch schon zu nahe gekommen und wird ihrerseits gekidnappt. Und auch Rob ist in Gefahr, denn die Gangster kennen seine Identität und möchten ihn als Zeugen ausschalten.
Spannung wird ständig gesteigert
Die Geschichte geht in rasendem Tempo weiter, nimmt viele überraschende Wendungen, und nur schrittweise wird enthüllt, wohin das Ganze führen soll. Aus dramaturgischen Gründen kann und möchte ich nicht viel mehr zum Inhalt sagen. Es gibt ein furioses Finale, reichlich Action während der ganzen Geschichte, und Spannung bis zum bitteren Ende. Ein Buch als perfekt zu bezeichnen ist ein fast schon anmaßendes Urteil aber Simon Kernick kommt dem perfekten Buch mit Verdächtig ziemlich nahe. Zunächst einmal baut er von Beginn an Spannung auf, die langsam gesteigert wird, und dann nicht mehr nachlässt. Die letzten Seiten des Buches verschlingt der Leser förmlich, weil er wissen will, wie diese verzwickte Geschichte denn nun ausgeht. Am Beginn des Buches sind die Passagen, die Rob Fallon betreffen, in Ich-Form erzählt. Der Leser hat dadurch eine ungewöhnliche Nähe zur Geschichte.
Keine Gnade mit Hauptfiguren
Fallon stolpert förmlich in diesen Kriminalfall hinein. Er ist zur falschen Zeit am falschen Ort, aber will sich später auch nicht heraushalten. Als die Killer schließlich Jagd auf ihn machen, hat er scheinbar sieben Leben - wie eine Katze. Während es um ihn herum Tote gibt, kommt er mehrfach knapp davon.
Und dann - das muss ich hier doch verraten - lässt der Autor einen der Hauptprotagonisten über die Klinge springen. Soviel Mut muss man als Autor erst mal haben, eine sympathische Identifikationsfigur zu opfern. Die Story gewinnt dadurch ungemein an Glaubwürdigkeit, aber es kommt auch neue Dynamik in die Geschichte, weil neue Protagonisten den Stab übernehmen.
Schmalzfalle wird vermieden
Extrapunkte verdient sich Simon Kernick dadurch, dass er die "Schmalzfalle" vermeidet. Die in anderen Romanen unvermeidliche Liebesgeschichte zwischen zwei Ermittlern wird hier nur angedeutet. Der nun den Fall verfolgende Detective ist ein früherer Kollege der entführten Polizistin. Seine Gefühle für sie sind nur zart angedeutet, die Love-Story ist einseitig, und es gibt kein Happy End zwischen den beiden. Dennoch setzen Mike Bolt und sein Kollege Mo alles daran, die entführten Frauen zu finden, und den offenbar drohenden Anschlag zu verhindern. Positiv ist auch, dass Kernick die "bad boys" nicht als monolithischen Block, sondern als höchst hetorogene Zweckgemeinschaft darstellt. Das Spektrum reicht von IRA-Killern, die dem verhassten englischen Establishment doch noch einen entscheidenden Schlag versetzen möchten, über Auftragskiller bis zu einem Kopf des kriminellen Netzwerks, der sich in Börsenkreisen bewegt. Man mag gar nicht darüber nachdenken wie realistisch das Szenario vielleicht ist.
Zusammengefasst lässt sich sagen, das Buch bietet höchste Spannung, abwechslungsreiche Charaktere, ein in meinen Augen realistisches oder perfekt ausgedachtes Szenario, und ist Erzählkino im besten Sinne. Ich freue mich jedenfalls schon auf Kernicks nächsten Thriller.
Simon Kernick, Heyne
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