G-man Jerry Cotton

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2010
  • 2
  • Bergisch Gladbach: Lübbe, 2010, Seiten: 208, Originalsprache
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Jörg Kijanski
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2010

G-men, Girls und gigantisch erfolgreich

Der Untertitel des Buches "Eine Hommage an den erfolgreichsten Krimihelden der Welt” deutet darauf hin, was den Leser des vorliegenden Werkes erwartet. Jedenfalls nicht all zu viele kritische Töne, denn der Erfolg des Bastei Lübbe Verlages ist mit der Heftserie des weltberühmten FBI-Agenten eng verbunden. Angesichts des aktuellen Kinofilms mit Christian Tramitz in der Rolle des Jerry Cotton feiert also ein Verlag sich selbst und seine unvergleichliche Erfolgsstory. In Person übernimmt diese Aufgabe kein Geringerer als Martin Compart, der Krimifans hierzulande bestens bekannt sein dürfte/sollte.

Zur Historie: 1953 schreibt Delfried Kaufmann in seiner Küche den ersten Jerry-Cotton-Roman und übergibt das Manuskript an Gustav Lübbe, der auf dem Weg ist, ein erfolgreicher Verleger zu werden. Der Rest ist Geschichte könnte man sagen, doch soll sie in aller Kürze dennoch erzählt werden. Die 1950er und 1960er Jahre waren die goldene Zeit der "billigen" Heftromane, die sich damals nahezu jeder leisten konnten. Arbeiter in Bus und Bahn auf ihrem Weg zum Job, dabei vertieft in einen Groschenroman, gehörten zum täglichen Anblick. Lesen war damals – auch mangels Alternativen – in allen gesellschaftlichen Schichten angesagt. Dabei erfreute sich zunehmend der G-man aus New York großer Beliebtheit, da die Leser zunächst davon ausgingen, ein echter Geheimagent aus Amerika schildert hier seine Fälle. Doch selbst als klar war, dass gleich mehrere (unbekannte) Autoren zu Werke gingen konnte dies dem Erfolg der Serie keinen Abbruch tun. Woche für Woche erschien ein neuer Jerry Cotton und inzwischen geht es mit hohem Tempo auf Heft 3.000 zu. Nur der britische Seriendetektiv Sexton Blake löste bislang mehr Fälle (über 4.000).

Lag der Reiz anfangs noch darin zu glauben, dass ein echter Agent seine Erlebnisse aufschrieb, so wurde später mit der Anonymität der eigentlichen Autoren kokettiert. Niemand sollte wissen, wer welches Heft geschrieben hat. Bis heute können nur ein Teil der Hefte bestimmten Autoren zugeordnet werden. Neben zahlreichen Unbekannten gibt es aber durchaus einige bekannte Namen. Außer dem Erfinder der Serie, Delfried Kaufmann, ist vor allem Heinz Werner Höber (Eik/Höber Der Mann, der Jerry Cotton war) zu nennen, der ab 1955 über 500 Hefte schrieb. Auch Karl-Heinz Günther, besser bekannt unter C. H. Guenter (erfand Mister Dynamit und schrieb zahlreiche U-Boot-Romane) ist kein Unbekannter. Über fünfzig Hefte und zwanzig Taschenbücher schrieb zudem Rolf Kalmuczak in den Jahren 1961 bis 1966, der später unter dem Pseudonym Stefan Wolf bekannt wurde und bis heute über 15 Millionen "TKKG"-Romane verkaufte. Um nicht alle bekannten Namen an dieser Stelle aufführen zu müssen sei abschließend der vielleicht namhafteste Autor noch erwähnt, denn der wichtigste Cotton-Autor der 1990er Jahre war Michael Peinkofer, der heute als Fantasy-Autor ("Die Bruderschaft der Runen", "Die Zauberer") höchst erfolgreich ist.

Neben dem Werdegang des G-man und dessen geistigen Urhebern werden natürlich die wichtigsten Figuren der Serie (Phil Decker, Mr. High und so weiter) sowie allerlei Kuriositäten vorgestellt. Beispielhaft sei folgendes erwähnt: Würde man alle bislang erschienen Hefte kaufen und jeden(!) Tag eines davon lesen, so wäre man rund acht Jahre beschäftigt. In dieser Zeit wären dann allerdings schon wieder 400 neue Hefte auf dem Markt erschienen. Wahnsinn!

Auf einige besonders wertvolle Sammlerstücke wird hingewiesen und selbstverständlich fehlt auch nicht ein Hausbesuch bei Herbert Kalbitz, dem derzeitigen Vorsitzenden des Jerry Cotton Club Deutschland. Selbst der sonst eher verschwiegene Erfinder der Serie, Delfried Kaufmann, hat ein mehrseitiges Interview gegeben. Besonders interessant – auch für nicht Cotton-Fans – sind jene vierzehn Seiten, die sich mit der "Geschichte der deutschen Unterhaltungskultur" beschäftigen. Neben einem ausführlichen historischen Rückblick gibt es eine aufschlussreiche Darstellung des Spannungsfeldes zwischen den Heftromanen und der "ernsten Literaturkritik", die sich bis heute feindlich gegenüberstehen. Dass durch zahlreiche neue Medien die Popularität der Heftromane nachgelassen hat ist nicht verwunderlich. Gleichwohl ist ein Ende des Erfolgs von Jerry Cotton nicht abzusehen. Aktuell erscheinen bei Bastei Lübbe die Original-Ausgabe (Auflage: 35.000), die "2. Auflage" (20.000), die "Classic-Ausgabe" (18.000) und ein Taschenbuchformat (8.000).

Dieses und sehr viel mehr kann in dem reich illustrierten Buch G-man Jerry Cotton von Martin Compart nachgelesen werden. Im Preis von 29,90 Euro ist zudem das Romanheft Süße Bienen, blaue Bohnen enthalten. Für Fans unbedingt empfehlenswert, wenngleich beim Druck irgendetwas schief gegangen sein muss. Das Buch verströmt einen penetrant-unangenehmen Geruch (vermutlich die Druckerfarbe).

G-man Jerry Cotton

Martin Compart, Lübbe

G-man Jerry Cotton

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