Die Buße
- Heyne
- Erschienen: Januar 2010
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- München: Heyne, 2010, Seiten: 450, Übersetzt: Friedrich Mader
Internet-Stalker und rechte Rattenfänger - 70 Grad Von Andreas Kurth Das andere aufregend... - 29 Grad Von Jochen König
Tasia McFarland ist eine begnadete Sängerin und sie leidet an einer bipolaren Störung. Bei ihr wechseln manische und absolut depressive Phasen in schneller Folge. An dieser Krankheit ist offenbar auch ihre Ehe mit Robert McFarland gescheitert, lange bevor dieser zum Präsidenten der USA aufstieg. Tausende von Fans sind entsetzt, als Tasia während eines Konzerts in San Franzisco, von einer Kugel tödlich getroffen, auf der Bühne zusammenbricht. Unfall, Mord oder Selbstmord immerhin hatte sie eine Waffe in der Hand, die ihr einst der jetzige Präsident zur Selbstverteidigung gegeben hatte. Die Polizei rätselt herum, und Ermittlerin Amy Tang bittet Jo Beckett darum, eine psychologische Autopsie zu erstellen. Die forensische Psychiaterin nimmt ihre Arbeit auf und rekonstruiert die letzten Stunden der Toten.
Beckett und Tang stoßen auf einen Journalisten, der die Sängerin auf ihrer Tour begleitet hat, um eine Biographie zu schreiben. Und es gab offenbar einen hartnäckigen Fan, der Tasia mit hunderten von E-Mails bombardiert und sie schließlich bedroht hat. Und dann ist dann noch ein mysteriöses Treffen der Sängerin mit ihrem Ex-Mann. Als Becketts Nachforschungen plötzlich auch den Präsidenten betreffen, gibt es "Störfeuer" aus den obersten Ebenen der politischen Hierarchie. Tang und Beckett sollen offenbar eingeschüchtert werden, man will den Fall schnell zu den Akten legen. Die Jagd nach dem Internet-Stalker wird zu einer spannenden und hochgefährlichen Zwischenepisode. Aber dann sind da noch die rechtsradikalen Rattenfänger, die Tasias Tod instrumentalisieren wollen und offenbar mehr damit zu tun haben, als Tang und Beckett zunächst geahnt haben. Es kommt zu einem spektakulären Showdown.
Meg Gardiner hat in ihrem neuen Roman um die forensische Psychiaterin Jo Beckett ein latent verdrängtes Thema angerissen rechtsradikale Amerikaner, die Terror im eigenen Land ausüben. Im ersten Drittel des Buches verspricht die Geschichte viel, aber diese Ansätze gehen später etwas verloren da hätte man mehr daraus machen können. Das Buch ist dennoch spannend und Action-reich, kommt aber an seine beiden Vorgänger nicht heran. Vor allem deshalb, weil Jo in Die Buße im Grunde kaum als forensische Psychiaterin arbeitet, sondern eher als Zeugin und persönlich Betroffene in den Fall verwickelt wird. Der politische Ansatz hätte das Zeug zu einem guten Polit-Thriller gehabt, wird aber in der zweiten Buchhälfte eher verschenkt.
Die Figur Jo Beckett wird jedoch von der Autorin konsequent weiter entwickelt, auch wenn sie in diesem Buch ihrer eigentlichen Arbeit nur unzureichend nachkommen kann. Eine interessante Rolle übernimmt dagegen Becketts Nachbar, der skurrile Hypochonder, der bei der Jagd nach dem Internet-Stalker eine wichtige Funktion übernimmt und seine ungewöhnlichen Fähigkeiten voll ausspielen darf eine irgendwie sympathische Figur. Überhaupt ist dieser Teil in meinen Augen überaus gelungen, danach lebt das Buch weitgehend von Action und überraschenden Wendungen.
Insgesamt eine schlüssige Geschichte, ein guter Spannungsbogen und ein fulminantes Finale. Die Dialoge sind nicht unbedingt geschliffen, passen aber bestens zu den Figuren und ihrer jeweiligen Rolle in der Geschichte. Das Buch ist insgesamt lesenswert dennoch aus der Jo-Beckett-Reihe das bisher schwächste. Immerhin ist es auch für Einsteiger gut lesbar, denn es wird nicht allzu viel aus Becketts Vergangenheit voraus gesetzt.
Wörtlich übersetzt heißt Meg Gardiners aktueller Roman "Das Wiegenlied des Lügners". Für ihre deutschen Leser wurde drakonische Bibelnähe suggeriert: Die Buße nennt sich der fast 500 Seiten dicke Roman hierzulande. Wer da warum "Buße" tun muss, ist so egal wie beliebig. Die Musikerin Tasia McFarland büßt ihr Leben ein, weitere Probanden werden folgen; aber so richtig reumütig zeigt sich kaum einer. Schon gar nicht die "forensische Psychiaterin" Jo Beckett und ihr Galan Gabe Quintana, seines Zeichens mutiger Rettungsspringer. Warum auch, sind beide doch edel, hilfreich und gut. Haben zwar ihr Päckchen zu tragen (Jo knabbert noch am gewalttätigen Tod ihres ehemaligen Lebensgefährten, Gabe hadert mit seiner lebenden, aber drogenabhängigen und überhaupt ranzigen Ex), aber wer hat das nicht?
Jo Beckett wird von ihrer lieben Freundin, der Polizistin Amy Tang gebeten, den tragischen und seltsamen Tod Tasia McFarlands zu untersuchen. Die starb mit einer Waffe in der Hand, während eines spektakulären Bühnenauftritts. Jo samt Schwesterlein waren passenderweise Zeuginnen dieses Events. Doch war es tatsächlich Selbstmord, den die Sängerin mit bipolarer Störung beging?
Jo zweifelt, vor allem, da es sich bei Tasia um die erste Gattin des amtierenden Präsidenten der USA handelt. Was die ganze Ermittlung nicht eben erleichtert. Denn neben der üblichen Medienmeute und durchgeknallten Fans finden sich auch faschistoide Bombenleger und undurchsichtige Politikgestalter aus dem Präsidentenumfeld ein.
Jo Beckett hat es nicht leicht. Im Job, in der Liebe, im Leben. Doch sie hat den Durchblick. Irgendwann zumindest, warum auch immer, und sie kann gut klettern. Das ist hilfreich, wenn man politischen Ränkeschmieden auf den Fersen ist. Dass dabei die Fetzen fliegen, wird gerne in Kauf genommen. Ebenso, dass der grandiose Gabe nicht nur ein toller Papa ist, sondern auch den richtigen Beruf gewählt hat.
Die westliche Welt ist gerettet und dann Hand in Hand in den Sonnenuntergang. Wir sind begeistert.
Sind wir? Nein, sind wir überhaupt nicht. Was Gardiner auftischt, ist die Welt als medialer Second-Hand-Selbstbedienungsladen. Hinter jeder Figur, jeder Handlung blinken all die Filme, Serien und klatschbunten Meldungen der Sensationspresse durch. Das ist vorgekaute Thrillerunterhaltung von der Stange mit den ganz grob gestrickten Anzügen, die immer voll Richtung Gemächt (oder Bauch) tritt, damit niemand merkt wie hohl die ganze Posse ist.
Dummerweise zieht sich der Roman zäh dahin, trotz Hubschrauberabstürzen, Massenpanik und schweren Waffen. Es werden Vermutungen ausgetauscht, sich langsam in diffusem Licht voran getastet, um dann doch wieder beim Computer-Nerd zu landen, der dank seiner Beziehungen und Fähigkeiten den Ermittlern zumindest in einem wesentlichen Punkt auf die Sprünge hilft. Der wird als überraschende Pointe getarnt, ist aber mal wieder eine jener Aktionen, in der Leser erst mit Informationen gefüttert werden, die sich später als Humbug herausstellen. Gardiner ist nicht in der Lage aus ihrer Geschichte Spannung zu ziehen, da hinter einer Fassade von Getöse, die so tut, als würde sie sich mit politischen Auswüchsen auseinandersetzen, gähnende inhaltliche Leere herrscht. Dagegen ist Stone Cold, das filmische Vehikel mit dem vor Jahrzehnten Footballstar Brian Bosworth (vergeblich wie wir heute wissen) zum Leinwandhelden aufgebaut werden sollte, geradezu ein intellektueller Polit-Thriller. Warum dieser Verweis? Weil es zumindest in einer Passage verflucht viel Ähnlichkeit mit diesem Werk (faschistoide Rocker stürmen reichlich rabiat ein Gerichtsgebäude) gibt. Mag Zufall sein, aber Buße ist voll von solchem Abklatsch aus Kino, Literatur und Fernsehen. Da geben sich "Bodyguard", "Crossing Jordan" und "24" das zusammen geschusterte Stelldichein, während die Beziehungskonflikte und Problemchen den einschlägigen Krankenhaus- und Rettungsdienst-in-Not-Serien geschuldet sind.
Das Ganze völlig ironiefrei. Da wird selbst der politische Aspekt zur Personality-Show mit Figuren aus dem Labor abgeschmackter Stereotypen.
Außerdem hängt die Dramaturgie an entscheidenden Punkten. Eine Frau wie Tasia McFarland, könnte sich mit einem Tross Security umgeben, ihr Exgatte könnte noch ganz andere Hebel in Bewegung setzen, falls eine Bedrohung vorliegt. Wenn die zudem noch von einem größenwahnsinnigen Spinner ausgeht, umso eher.
Doch was macht der aufrechte (und nur gelegentlich verwirrte) Country Star: sie schreibt ein Liedchen, dessen Lyrics Jo Beckett gegen Ende auf haarsträubende Art entschlüsseln darf. Dass der Text sich ungeniert bei "Light My Fire" der DOORS bedient, ist ein weiterer Punkt, der aus dem plumpen Actionthriller eine wenig erfreuliche Lesereise in die Welt aus geborgtem Tand macht.
Immerhin ist Buße innerhalb seines eigenen kleinen Universums etwas schlüssiger entwickelt, als frühere Bücher Gardiners. Der erzählte Blödsinn ist zwar immer noch groß, versucht aber nicht beständig sich zu toppen. Doch bleibt der Roman, trotz hektischem Aktionismus, aufgrund seiner Berechenbarkeit (bereits nach seinem ersten Auftritt sollte klar sein, wer der fiese Obermotz ist) ziemlich langatmig. Aufregend ist nur die Chuzpe mit der die Autorin selbst vor dilettantischen Manipulationen nicht zurückschreckt, um einen gewünschten Überraschungseffekt zu erzielen. Das andere aufregend &
Meg Gardiner, Heyne
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