Tod einer Stripperin
- Argon
- Erschienen: Januar 2008
- 3
- New York: Hard Case Crime, 2004, Titel: 'Little Girl Lost', Seiten: 224, Originalsprache
- Berlin: Argon, 2008, Seiten: 4, Übersetzt: Reiner Schöne
Alte Liebe rostet nicht
Die amerikanische Hard-Case-Crime Reihe ist dem Herausgeber Charles Ardai zu verdanken, der seit 2004 in kurzen Abständen einen Pulp bzw. Noir nach dem anderen auf den Markt bringt. Er kümmert sich dabei um eine Nische, in den Mainstream passen die Romane (leider) nicht. Die Cover erinnern an die klassischen Paperbacks der 40er und 50er Jahre, denn genau hier war der Höhepunkt der Pulpromane um wahre Haudegen, die im Milieu von Sex, Drogen und Gewalt ermittlen. Umso erstaunlicher, dass die Reihe rasant wächst und fast jedes Jahr 10 erscheinen. Da sind einige frühe Versuche von Meistern des Genres dabei, aber auch eine ganze Reihe aktueller Autoren, die mit dem ein oder anderen Titel gut in die Reihe passen. Und da ist auch ein gewisser Richard Aleas dabei. Richard Aleas ist das Pseudonym von Charles Ardai.
Sein erster Krimi datiert aus dem Jahr 2004 und war direkt als bestes Debüt für den Edgar und den Shamus Award nominiert. In der deutschen Hard-Case-Crime (rotbuch-Verlag) erschien er 2008 unter dem spröden Titel "Tod einer Stripperin" – schade! Im Original klingt "Little Girl Lost" irgendwie doch mindestens einen Hauch ansprechender.
Sie wollte Ärztin werden…
Wenn sie mich heute fragen, warum dieser Roman nun anderthalb Jahre ungelesen im Regal stand, dann kann ich rückblickend nur sagen, der Titel war mir zu blöd. Einmal das Buch angelesen, bemerkt man schnell, etwas Besonderes in der Hand zu haben. Allein das erste Kapitel kann es vollbringen, dass einem warm ums Herz wird. Da ist ein Mann, zufällig Detektiv von Beruf, der sich beim lesen eines Zeitungsartikels an seine Jugendliebe und seine ersten sexuellen Erfahrungen erinnert. Er erinnert sich an ein Accessoire aus seinem Kinderzimmer, dass er als kleiner Junge im Sperrmüll entdeckte und zehn Jahre später - nach dem ersten Sex - beschämt entfernte. Die Frau, die ihn damals wegen des lächerlichen Strohvogels über seinem Bett auslachte, diese seine Jugendliebe ist nun tot. Doch alte Liebe rostet nicht.
John Blake ist noch keine 30 Jahre alt, aber eine Frau wie Miranda Sugarman ist ihm in den letzten zehn Jahren nicht wieder begegnet. Die junge Frau, die voller Motivation an eine Uni im amerikanischen Westen gezogen ist, um Ärztin zu werden, soll als Stripperin auf dem Dach eines heruntergekommenen Nachtclubs in New York erschossen worden sein. John kann sich nicht vorstellen, wie das aus seiner Miranda werden konnte. Er will wissen, was passiert ist, nimmt eine gefährliche Fährte auf, steckt seine Nase in Angelegenheiten, die ihn nichts angehen. Einem Nachtclubboss sind eine halbe Million Dollar gestohlen worden. Miranda sollte das Geld haben, hatte es aber wohl doch nicht. John Blake schließt einen Pakt mit Murco Khachadurian, der sein Geld zurück haben und die Diebe stellen will. Aber er weiß nicht, auf welche Gegner er sich eingelassen hat.
Wie wurde aus ihr eine Stripperin?
Ist es wirklich ein Debütroman? Kaum zu glauben, so routiniert wie die Dialoge und Gedankenspiele des Protagonisten erzählt werden. "Tod einer Stripperin" ist ein wahres Schätzchen, ein Roman, der von der ersten Seite eine Bindung zu seinen Lesern aufbauen kann. Als hocke einem ein kleines Männchen im Ohr, das fortlaufend "lies mich weiter" flüstert, wenn mal wieder ein Kapitel aus ist. Besonders bemerkenswert ist in diesem Roman die Figur John Blake, einerseits der klassische Pulp-Detektiv vom Typ "Haudegen mit Nehmerqualitäten", andererseits zeigt er ungewohnten Tiefgang wenn er in Erinnerungen schwelgt. Die melancholische Seite ist eine wahre Bereicherung, die den Klassikern des Genres noch gänzlich fehlte.
Zwar kann der geübte Krimileser genau erkennen, an welcher Stelle John Blake einen Denkfehler macht und das als große Überraschung geplante Finale verliert seinen wichtigsten Effekt. Aber auch so kann der Roman bis in die letzten Kapitel überzeugen und ist in seiner Konsequenz unbeirrbar und brutal. Hätte ich von der Klasse dieses Romans vorher gewusst, er wäre nicht hinter so vielen anderen Krimis hintan gestanden. Selten findet man Krimis, die wirklich von Anfang bis Ende hohem Spannungsbogen und charakterlichem Tiefgang überzeugen.
Richard Aleas, Argon
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