Das Rätsel von Paris
- Unionsverlag
- Erschienen: Januar 2009
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- Buenos Aires; Barcelona: Planeta, 2007, Titel: 'El enigma de París', Seiten: 281, Originalsprache
- Zürich: Unionsverlag, 2009, Seiten: 315, Übersetzt: Claudia Wuttke
- Zürich: Unionsverlag, 2011, Seiten: 317
Wir Detektive sind Künstler und die Richter und Anwälte unsere Kritiker
Vorweg: Pablo de Santis weiß zu erzählen. Er ist weniger an den letzten Abgründen der Menschheit, als an der unterhaltsamen, überraschenden Biegung vor dem Abgrund interessiert. Auch wenn zu Beginn die Befürchtung aufkommt, der Leser gerate in ein Agatha Christie Ambiente: Zwölf Detektive, die sich wie in Ten Little Niggers versammeln, betört die Geschichte von der ersten Seite an durch ihre Unbeschwertheit, mit der die Ereignisse am Vorabend der Weltausstellung voranschreiten.
In Buenos Aires wählt der berühmte Detektiv Roberto Craig aus einer Handvoll Wissbegieriger ganz gegen seine Gepflogenheiten einen Adlatus, einen Assistenten aus. Der Mord an dem aussichtsreichsten Kandidaten Kalidán durch einen Magier bringt den enthusiastischen Ich-Erzähler Sigmundo Salvatorio in die Lage, dessen Platz einzunehmen. Craig lässt ihn an der obskuren Aufklärungsarbeit bei seinem letzten Fall teilhaben und der neue Assistent wird mangels Alternative an Stelle des Meisters nach Paris zum Treffen der Zwölf, des inneren Zirkels der wahren Vertreter ihrer Zunft auserkoren.
Was mit der Vorstellung beginnt, die Arbeit eines Detektivs ähnele einem Puzzlespiel, artet zu einem Kaleidoskop menschlicher Überschätzung, dem rücksichtlosen Aufspüren von Schwächen aus, die nicht selten in Unterstellung, Neid, üble Nachrede, Hass, gar Mord abdriften. Natürlich nicht ohne das gehörige Maß an Rätseln.
Vom Fremdeln
Salvatorio fühlt sich überfordert in diesem Paris und ist zugleich geschmeichelt. Er begegnet dem hohen Stand der Detektive und ihrer Assistenten mit Ehrfurcht und erlebt den Bau des Eiffelturms und seiner hysterischen Widersacher mit, die jeglichen Fortschritt als Angriff auf das Abendland verstehen. Die Detektive sind derweil damit beschäftigt, sich gegenseitig mit der Aufklärung ihrer schwierigsten Fälle in den Schatten zu stellen. Jeder ist der Beste, jeder der Klügste, jeder besitzt seine Methode und bei so viel Selbstbeweihräucherung darf man sich glücklich schätzen, dass die Assistenten die Drecksarbeit verrichten.
Der 1963 in Buenos Aires geborene Pablo de Santis, der für "Das Rätsel von Paris" mit dem Premio Casamérica ausgezeichnet wurde, verwebt die Philosophie des Verbrechens mit der amüsanten Intrige, den irritierenden Zufall mit der sibyllinischen Analyse eines Gedichts, für dessen Entschlüsselung es des Tarots oder der Alchemie bedarf. De Santis vermag zu erzählen, zu verweben, der schweren, philosophischen wie psychologischen Betrachtung Luft zu verschaffen.
So dass manch aufgeklärter Fall im Nachhinein wie ein Konstrukt erscheint, das nicht mal das Leben sich ausgedacht haben kann und einzig und allein Bestand hat, weil es da einen Detektiven gab, der es aufklärte.
Aber das Rätsel verbirgt sich nicht auf einem unerreichbarem Grund. Esliegt an der Oberfläche. Wir sind es, die das Rätsel als Rätsel überhaupt erst entstehen lassen. Stück für Stück konstruieren wir uns die Tatsachen, bis sie die Gestalt des Rätsels annehmen. Wir sind es, die behaupten, dass ein mysteriöser Mord mehr Gewicht hat als tausend in der Schlacht gefallene Soldaten. Die Zen-Lehre hingegen sagt: Das Mysterium existiert nicht. Es gibt nur die Leere. Wir schaffen das Mysterium.
Fabulieren
Es ist also weniger der Thrill, die Lust am Abseitigen wie Perversen, das Pablo de Santis umtreibt. Das facettenreiche Spiel treibt das Geschehen an, auch wenn seine Personen manchmal so bildhaft überzeichnet sind, dass sie direkt einem Comic entsprungen sein könnten. De Santis Spannung beruht auf der Lust an den Marotten, den skurrilen Situationen wie einer Einäscherung, bei der die Leiche gar keine ist.
Das Rätsel von Paris ist ein fulminantes Schäkern mit dem Genre, bei dem ein Autor die Gesetzmäßigkeiten genau kennt, sich jedoch die Freiheit einräumt, sie als Kulisse zu nehmen, um über die menschliche Komödie zu plaudern.
Pablo de Santis, Unionsverlag
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