Miss Winters Hang zum Risiko
- Suhrkamp
- Erschienen: Januar 2009
- 4
- New York: Harper Paberbacks, 2007, Titel: 'The War Against Miss Winter', Seiten: 336, Originalsprache
- Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2009, Seiten: 486, Übersetzt: Kirsten Riesselmann
Die Welt ist eine Bühne
Seit dem Mai 2009 erweitert eine neue Reihe das Verlagsprogramm des traditionsreichen Verlagshauses Suhrkamp, welches in diesem Jahr seinen Standort von Frankfurt/Main in die Bundeshauptstadt verlagerte. In kunterbunter Mischung erscheinen monatlich Kriminalromane aus aller Herren Länder im Taschenbuchformat. Das Debüt der amerikanischen Autorin Kathryn Miller Haines The War Against Miss Winter – so der Titel im Original - bildet eine der ersten Veröffentlichungen aus der kriminellen Abteilung.
Fast ein halbes Jahr schon ist Rosie Winter ohne Engagement. Um sich ihre Brötchen zu verdienen, jobbt die talentierte Jungschauspielerin im Büro der kleinen Detektei McCain & Sohn an der New Yorker Fifth Avenue. Zu ihrem Bedauern findet Rosie am Silvesterabend des Kriegswinters 1942/1943 ihren Arbeitgeber Jim McCain mit einem Telefonkabel um den Hals, schaukelnd an der Kleiderstange des Büroschrankes. Obwohl die Hände des Toten gefesselt waren, legt die Polizei den Vorgang als Selbstmord ad acta. Bei der Beerdigung trifft Rosie auf Jims Witwe und wird von ihr mit dem Verpacken von Jims Akten betraut. Als sie sich gerade in die Arbeit stürzt, begegnet ihr Raymond Fielding, ein so genannter "Feuerleiter-Kunde" in Jims Büro. Während gehörnte Ehemänner und betrogene Ehefrauen durch die Vordertür an Rosie vorbeigingen, gab es Klienten, die durch den Hintereingang über die Feuerleiter zu Jim gelangten. Diese zwielichtige Kundschaft kannte Rosie lediglich über leises Stimmengemurmel als "der Nuschler" oder "der Lispler". Fielding wedelt mit ein paar Scheinen und verlangt, dass Rosie seinen Fall zu Ende bringen und ein geheimnisumwittertes Manuskript finden soll, welches ihm aus dem Safe gestohlen wurde. Rosie sagt zu und gerät zwischen die Fronten von Regisseuren, Theaterschriftstellern, Mafiabossen und Kriegsveteranen.
Der Tor und der Tod, mit diesem Titel eines Dramas von Hugo von Hofmannsthal überschrieb die studierte Theaterwissenschaftlerin Kathryn Miller Haines ihr erstes Kapitel und auch die folgenden benannte sie nach Theaterstücken von Oscar Wilde, Molière, Bernard Shaw und anderen. Schauspielerei ist ihr Metier und ihre eigenen Erfahrungen haben sicherlich viel zum Gelingen dieses amüsanten Krimi-Debüts beigetragen.
Der Charakter der Erzählerin Rosie Winter wirkt ab der ersten Zeile liebenswürdig. Temperamentvoll und immer einen witzigen Vergleich präsent parliert Rosie über die Freuden und Nöte des Künstleralltags am kriegsgebeutelten Broadway. Ganz nebenbei bekommt man einen Eindruck von New York zu Zeiten von Lebensmittelrationierung, Verdunklung und Kriegspropaganda vermittelt. Rosie erzählt von ihrer Unterkunft in einer streng geführten Künstlerpension, wo sie sich mit ihrer Freundin Jayne das Zimmer teilt und den Kater ihres gemeuchelten Chefs versteckt. Sie erzählt vom Ausgehen mit Mafiagaunern in Etablissements, wo billiger Champagner aus Kristallspringbrunnen sprudelt. Sie erzählt vom Vorsprechen und von den Proben zu einem Stück, in dem sie wenigstens für eine Rolle als Zweitbesetzung engagiert wird. Und sie erzählt von ihren Bemühungen, herauszufinden warum die ganze Mischpoke hinter einem Theaterstück her ist, das noch niemand je zu Gesicht bekommen hat. Das liest sich alles sehr kurzweilig, nur tritt die Krimihandlung nach einem rasanten Auftakt ins zweite Glied zurück. Bei der Auflösung des Falles stellt die Autorin etwas zu viel Phantasie unter Beweis. Dennoch möchte ich den Roman speziell Lesern mit Hang zu Nostalgie sehr empfehlen.
Der Untertitel Rosie Winters erster Fall sagt es aus, man darf sich auf weitere Einsätze der Amateur-Detektivin freuen. Im amerikanischen Original wird im Mai das vierte Buch der Reihe erscheinen, für den gleichen Monat kündigte Suhrkamp die zweite deutsche Übersetzung Ein Schlachtplan für Miss Winter an.
Zum Schluss sei noch auf die ansprechende Website der Autorin verwiesen. Dort finden sich unter anderem historische Fotografien von den Handlungsschauplätzen und ein witziges Lego-Modell der Anfangsszenerie mit dem strangulierten Detektiv.
Kathryn Miller Haines, Suhrkamp
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