Drachentod

  • Brockmeyer
  • Erschienen: Januar 2009
  • 0
  • Bochum: Brockmeyer, 2009, Seiten: 248, Originalsprache
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Stefan Heidsiek
76°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2010

Tief im Westen - wo gemordet wird

Regionalkrimis. Sie sind momentan ziemlich in Mode und überfluten, scheinbar animiert durch die Verkaufserfolge von Berndorf, Klüpfel/Kobr und Co., den deutschen Büchermarkt. Jede noch so kleine Gegend nennt heutzutage einen "Krimiautor" ihr Eigen, der vorgeblich mit "viel Lokalkolorit" überzeugt und in der heimatlichen Presse mit preisenden Lobeshymnen bedacht wird. Den überregionalen Erfolg erreichen jedoch die wenigsten und seien wir ehrlich: Ein sehr großer Teil dieser Krimis ist oftmals eine Enttäuschung und es zeigt sich, dass der Bäcker um die Ecke den Stift an die Seite legen und sich doch lieber wieder seinem Brötchenteig zuwenden sollte. Für den Leser wird es durch diesen Wust an Titeln immer schwieriger, die besseren und lohnenswerten Bücher zu erwischen. Und nach Beendigung der Lektüre von Drachentod, darf dieses gern dazugezählt werden.

 Drachentod ist nach Der Kreis des Kopernikus, welcher im Jahre 2002 beim Militzke Verlag erschien, bereits der zweite Kriminalroman des Autorenteams Rüdiger Schneider und Rainer Küster. Und erneut führt er uns an der Seite der Kommissare Klaus Brenner und Erich Rogalla ins tiefste Ruhrgebiet, genauer gesagt nach Bochum. Nachdem beim letzten Fall noch im Umfeld eines Gymnasiums ermittelt wurde, geht es für Brenner und Rogalla nun ins Fußballmilieu.

 Im Anschluss an das Spiel Bochum gegen Wolfsburg ist ein Fan des grünweißen VFL am Ufer des Kemnader Sees mit einem Bochumer Fanschal erdrosselt worden, dem man ihm nach Ausführung der Tat in den Mund geschoben hatte. Bei der Erstuntersuchung durch den Notarzt wird festgestellt: Die Zunge fehlt. Haben es die Ermittler mit einem Ritualmörder zu tun? Wenn ja, was ist sein Motiv? Die Nachforschungen über den Wolfsburg-Fan namens Materka ergeben scheinbar nichts und die Untersuchungen versickern langsam im Sande - bis ein weiterer Mord nach dem gleichen Muster geschieht.

 Diesmal ist der junge Michael Bölling das Opfer. Schalke-Fan, wie sein Onkel Erich Rogalla, der noch am Tatort schwört, den Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch Spuren sind weiter Mangelware und auch der Polizeipräsident, welcher sich immer größerem Druck durch die Presse ausgesetzt sieht, verliert zunehmend die Geduld. Der Hinweis eines Reporters auf die Bochum-Fangruppe "Dragonhunters" scheint wenig Neues zu bringen und so nehmen sich Rogalla und Brenner in ihrer Verzweiflung noch mal den Arbeitslosen Max Hunold vor, der Michael gefunden hatte und sich seitdem äußerst merkwürdig verhält. Als Hunold kurz darauf zusammengeschlagen wird und aus dem Krankenhaus flieht, sieht Rogalla seinen Verdacht bestätigt und jagt, trotz gegenteiliger Anweisungen seines Vorgesetzten, dem Flüchtigen nach...

 Soweit sei die Handlung dieses Buches angerissen, von der auf dem Klappentext des Buches leider viel zu viel verraten wird. Da hat sich der Verlag selbst keinen Gefallen getan. Dafür überzeugt wiederum der Rest der äußeren Aufmachung, insbesondere das Cover, welches mit einem Bild des Bochumer rewirpower-Stadions gleich eindeutig die Marschrichtung vorgibt. Fußball ist das Stichwort und ihm sollte man auch etwas abgewinnen können, um letztendlich an diesem Buch Gefallen zu finden. Die schönste Nebensache der Welt steht hier eindeutig im Mittelpunkt und selbst die ermittelnden Kommissare (Erich Rogalla ist Schalke Fan, Klaus Brenner Anhänger des VFL Bochum) bleiben diesbezüglich nicht außen vor. Da lassen sich natürlich Parallelen zu den beiden Autoren ziehen, die, selbst fußballbegeistert, die Thematik doch sehr nüchtern beleuchten. Es ist nicht alles Gold was glänzt, in diesem Sport. Und manche Auswüchse in der Fankultur, vermag die ältere Generation (in diesem Fall verkörpert durch Manfred Hüsken, ein ehemaliger Pilot der Luftwaffe und Mitarbeiter im Bochumer Stadion) schon seit langem nicht mehr nachzuvollziehen. Hüsken ist nur eins der vielen "Originale", welche das Bochum dieses Romans bevölkern und ihm die typische Ruhrpott-Note geben. Mit viel Liebe zum Detail und verschrobenem Charme erweckt das Autoren-Duo das Revier zum Leben.

 

Frau Polzenberg war ein Prachtexemplar. Rogalla fragte sich, wie sie normalerweise durch die Tür passte, wahrscheinlich quer, aber das war auch nicht einfach, denn dem quadratischen Gesäß entsprachen weiter oben derart wuchtige Titten, dass der im Ruhrpott so oft strapazierte Vergleich zwischen Büstenhalter und zwei Hauszelten hier zu passen schien. Auch die Beine waren nicht von schlechten Eltern, Sauerkrautstampfer sagte man dazu, was wiederum im Einklang stand mit der heutigen Menükarte.

 

 Vom Bochumer Bergbaumuseum bis hin zum Rhein-Herne-Kanal und dem Grummer Deckel. Schneider und Küster wissen mit den lokalen "Sehenswürdigkeiten" zu spielen, ohne sie zwingend dort einzubauen, wo es nicht nötig wäre. Wo manch anderer Regionalkrimiautor aus seinem Werk einen zweiten Reiseführer macht, finden sie das richtige Maß und treiben die stringente Geschichte kontinuierlich voran. Trotzdem bleibt genug "Milieu" übrig und es ist halt so, wie schon Herbert Grönemeyer über Bochum singt:

"Du bist keine Schönheit
Vor Arbeit ganz grau
Du liebst dich ohne Schminke
Bist ne ehrliche Haut
Leider total verbaut
Aber gerade das macht dich aus."

 Auch in punkto Sprache gibt es eigentlich nichts zu bemängeln. Der Stil bleibt angenehm einfach und knapp, lässt sich flüssig lesen. Warum man allerdings zwischendurch manch einer Figur das Ruhrpott-Platt in den Mund legen musste, wird wohl ein Geheimnis bleiben. So amüsant dies ist, es mag nicht so recht zu den hochdeutsch sprechenden Hauptprotagonisten passen. Diese, also Rogalla und Brenner, sind für mich auch die größten Kritikpunkte in diesem Roman, bleiben sie doch erstaunlich blass und austauschbar. Es fehlen die markanten Charakterzüge oder Eigenheiten, um beide zu unterscheiden. Nicht selten muss man sich am Namen vergewissern, welchen Ermittler man gerade vor sich hat. Hier wäre Potenzial für mehr vorhanden gewesen. Die eigentlichen Krimihandlung gewinnt besonders auf den letzten 100 Seiten an Fahrt und mündet in einem Schluss, der logisch und nachvollziehbar, allerdings auch nicht sonderlich überraschend ist.

 Insgesamt ist Drachentod zwar kein neues Juwel im Genre, aber gute, solide und unterhaltsame Krimikost, die sich schnell weglesen lässt und mich angenehm überrascht hat. Oder um es im Fußballjargon zu formulieren: Kein herrlich herausgespielter Kantersieg, aber wohlverdiente drei Punkte.

Drachentod

Rüdiger Schneider, Brockmeyer

Drachentod

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